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2003-01-23 Buchkritik:


Norbert Scheuers zweiter Roman "Flussabwärts


Über das Leben, wenn es schlecht läuft

ape. Als 1999 mit "Der Steinesammler" Norbert Scheuers erster Roman herauskam (und 2000 den ersten Koblenzer Literaturpreis erhielt), merkte die Literaturkritik nicht ohne Irritation auf. Denn die neue literarische Stimme war die eines bald 50-jährigen Ingenieurs, aus Prüm stammend, im Eifelörtchen Keldenich lebend. Ein spätberufener Quereinsteiger also, in der Provinz sozialisiert und beheimatet, dessen literarischer Raum obendrein die Provinz ist: "Der Steinesammler" spielte im dörflichen bis kleinstädtischen Eifelmilieu, Scheuers unlängst erschienener zweiter Roman "Flussabwärts" bleibt diesem Umfeld treu.

Beide Bücher lassen sich demnach als "Regionalliteratur" katalogisieren, als "Nachrichten vom anderen Ende Welt" wie es etwa der in der Großstadt Frankfurt lebende SWR-Chefkritiker Martin Lüdke für "Flussabwärts" tat. Doch der Blick der Städter auf Scheuers Landschaft, seine Protagonisten und ihre bisweilen sonderlichen, meist unglücklichen Verhältnisse darin, verliert bald sein ebenso distanziertes wie wohlmeinendes Von-oben-herab. Denn: "Leben wir nicht alle irgendwie in unserer eigenen unglücklich bezaubernden Eifel?" - so fragt ein anderer Kritiker, Gunnar Kaiser, nach Gründen fürs eigene Angerührtsein durch die Lektüre von "Flussabwärts".

Wie schon Scheuers Erstling, so sind auch diesem Roman heimatpoetische Sentimentalitäten fremd. Das Dorfleben, von dem er erzählt, hat mit Idylle wenig gemein. Die Dörfler, die er vorführt, tragen allerhand Lasten. Den Eltern seines Erzählers Leo geht das Wirtshaus im Eifelort Kall bankrott, mit dem der versoffene Vater hochfahrende Pläne verband. Die Mutter muss nun in einer Werkskantine arbeiten, um wenigstens das Überleben zu sichern, wenn sie schon nicht den fortwährenden sozialen Abstieg verhindern kann. Leo, dem Knaben, dem Jugendlichen, dem jungen Mann ist kaum Glück beschert. Lia, die frühere Wirtshaushilfe liebt er. Doch die bekommt von einem andern ein Kind, rutscht hernach in eine missratende Ehe mit wieder einem andern. Das Kind ertrinkt im Flüsschen namens Urft, die Frau wird wahnsinnig - und schon zu Anfang des Romans treibt ihr Hut als vorweggenommenes Menetekel ebenfalls auf diesem Gewässer. Leo lässt sich mit der verheirateten Ingrid ein, beide lieben sich heimlich hinterm Müllcontainer . . .

"Flussabwärts" besteht im Wesentlichen aus Leos Rückblick nach 20 Jahren. Er erinnert lauter Geschichten, die nicht die Regel sind für die Provinz, die aber auch dort das Leben schreibt, wenn es denn schlecht läuft. Das ist Scheuers Thema in beiden Romanen, deren Atmosphäre sich nicht nur gleicht, sondern geradezu identisch ist. Ein ruhiger, lakonischer Ton breitet die Schicksale aus, betrachtet die Betroffenen mit resignativem Mitgefühl.

Vom ersten zum zweiten Buch haben zwar die Personen gewechselt, doch die Charaktere sind geblieben - und mit ihnen blieb die alltagstragische Schicksalhaftigkeit: Im "Steinesammler" beschreiben die Kreisbahnen der Zementfuhrwerke ihr ewiges Wiederkehren, in "Flussabwärts" tun es die immerwährenden Bewegungen des Urft-Wassers.                          Andreas Pecht



 
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