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2003-02-17 Ballettkritik:

Martin Schläpfer macht Späßchen


"Feuervogel" ist sein erste Handlungsballett in Mainz
 
 
ape. Mainz. Neugierig war man auf die erste Choreografie eines großen Handlungsballetts von Compagniechef Martin Schläpfer in Mainz. Igor Strawinskys berühmten "Feuervogel" hatte er sich vorgenommen. Im Großen Haus des Staatstheaters landet jetzt die Geschichte von der Liebe des späteren Zarenpaares, die ein zauberischer Vogel vor dem Höllenvolk der Kastschei rettet, im Schnittpunkt zwischen Fokines märchenhafter Urfassung (1910), Neumeiers Science-Fiction-Version (1970) und einer noch ausstehenden Hollywood-Verfilmung.

Der bunte Vogel ist in diesem Fall eine federnlose Frau in eng anliegendem rotem Körperdress, von Marlúcia do Amaral technisch ebenso versiert wie raffiniert als Mischung aus Piepmatz, Schlangenmensch und lockendem Vamp getanzt. Ihr Gegenspieler, der böse Zauberer Kastschei, ist ebenfalls eine Frau. Die wird bei Yuko Kato (in dunkelgrauem Körperdress) zum Spindelmonster, das mit den Gliedmaßen tarantelnd seine abscheuliche Gefolgschaft aus monadischen Halbweltwesen kommandiert und wie Hollywoods Alien-Kreaturen mit vorgestrecktem Kinn nach Menschenfleisch giert. Ort des Geschehens ist eine riesige Raumhöhle aus Hunderten eisfarben changierender Papierbällchen (Bühne/Kostüme: Thomas Ziegler).

Natürlich gewinnt der gute Vogel, und darf auch bei Schläpfer - wenn er denn schon mal einen Ausflug ins Hollywood-Mäßige macht - die Schluss-Apotheose zum knallkitschigen Kino-Happy- End mutieren: Das hier erst wie ein Hügel aus Eissäulen, nachher wie ein skelletiertes Raumschiff ausschauende Kastschei-Schloss gebiert unter Glitzerfeuerwerk einen neuen Schlag von Glücksmenschen nebst einem am Horizont händchenhaltenden Liebespaar. Und wenn sie nicht gestorben sind ... schwofen sie womöglich bis auf weiteres Spaß-selig über ein futuristisch schickes Disko-Parkett - was schade wäre, weil Kirsty Ross und Igor Mamonov uns als so fabelhafte Ballettkünstler fehlen würden.

Da hat Schläpfer wohl eine Art von Späßchen g'macht, von der das Publikum überrascht wie begeistert scheint. Der Rezensent horcht derweil grübelnd in sich hinein, ob er dort noch andere Regungen findet als bloß Anerkennung für ein tänzerisch auf hohem Niveau realisiertes Werk und verhaltene Amüsiertheit über ein Spektakulum. Dieser Teil des Programm XI zielt choreografisch ebenso auf Effekt wie die Musik unter dem Dirigat von Gernot Sahler.

Kein Vertun gibt es bei den beiden vorgeschalteten Choreografien Hans van Manens. "Andante" nach dem 2. Satz von Mozarts Sinfonie Nr. 40 ist ein Kabinettstückchen für ein Tanzpaar (Ingrid Lupescu/Bogdan Nicula), das miteinander muss, obwohl es nicht will. Ein Meisterwerk dann die Arbeit "Concertante" zu einer kontrastreichen Musik Frank Martins. In strenger Symmetrie klopfen mehrere Paare hintereinander ihre inneren Beziehungen und ihr Verhältnis zur Umgebung ab. Kühl wirkt das auf den ersten Blick, von sorgfältiger Tiefe auf den zweiten. Van Manens eigenwilliger Figurenkanon, er scheint hier so unerschöpflich wie die Steigerungsfähigkeit der Mainzer Tänzer grenzenlos.
Andreas Pecht
 
 
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