Thema Politik
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2003-02-17a Analyse:

Kriegspolitik ist nicht mehrheitsfähig



Warum die Menschen in Europa und USA George W. Bush die Gefolgschaft verweigern

 
ape. Dem Drängen der US-Regierung zum Heerzug gegen Saddam Hussein folgen oder nicht? Während diese Frage zwischen die Regierungen Europas tiefe Klüfte sprengt, vereint sie zugleich die Menschen Europas und vieler anderer Länder in nie gekanntem Maß zu der Antwort: "No War!", "Kein Krieg!". Die Gründe für diesen ablehnenden Bescheid durch den Mann und die Frau aus dem Volk sind nach Ansicht unseres Autors in der Politik der Bush-Administration selbst zu suchen.
 

Das ist neu in der an Kriegen so "reichen" Geschichte dieser Erde: Da rufen Regierungen zu den Waffen, und noch bevor der erste Schuss fällt, hebt mit Wucht ein Protestieren und Verweigern an, das bisher allenfalls in Spätphasen von Kriegen (siehe Vietnam) auftrat. Die aktuellen Umfragen sind eindeutig: Vom Nordkap bis ans Mittelmeer lehnen die westeuropäischen Bevölkerungen mit erdrückenden Mehrheiten zwischen 65 und 91 Prozent einen Irak-Krieg nach den Bedingungen der US-Regierung oder grundsätzlich ab.

Selbst in den beiden Kernländern der Kriegskoalition verweigern die Bürger ihren Regierungen die Gefolgschaft, in USA zu knapp zwei Dritteln, in Großbritannien zu 90 Prozent. Heute, am 17. Februar des Jahres 2003, bleibt - nach einem Wochenende beeindruckender Antikriegsproteste weltweit - festzuhalten: Es ist nur eine kleine Minderheit freilich mächtiger Politiker, die um jeden Preis zu diesem Zeitpunkt einen Angriff auf den Irak will.

Die Einsamkeit der Falken

Bemerkenswert, wie wenig sich die Ablehnung der Menschen bislang durch Propaganda, Parteiengezänk oder staatspolitische Diskurse über Bündnispflichten und -gefährdungen irritieren ließ. Für fast drei Viertel der Deutschen etwa werden unter der Fragestellung Krieg oder Frieden innenpolitische Parteipräferenzen und bündnispolitische Kalküle schier belanglos. Dass Gerhard Schröder auf dem diplomatischen Parkett hier und da daneben greift, ärgert. Aber viel, viel wichtiger ist der deutschen Bevölkerungsmehrheit, dass ihre Regierung, dass Deutschland entschieden eine Politik verfolgt, die auf Frieden, nicht auf Krieg abzielt. So ist es insgesamt im "alten Europa" - wie der Brite Tony Blair und der Spanier José Maria Aznar bestürzt erkennen müssen, die mit ihrer nibelungentreuen Unterstützung von Bushs Irak-Politik die Unterstützung im eigenen Volk völlig verlieren.

Gegen Bush, nicht Amerika

Sind der Papst und die Kir chen, sind die Regierungen Frankreichs, Deutschlands, Russlands, Chinas etc. mit ihren Appellen zu Besonnenheit und aktiver Friedenspolitik nur Traumtänzer? Sind all die Menschen, die sich jetzt gegen einen Irak-Krieg aussprechen, bloß pazifistische Romantiker, tumbe Antiamerikanisten? Sind sie nicht! Millionenfach handelt es sich um dieselben, die nach den Terroranschlägen vom 11. September dem trauernden Volk Amerikas mitfühlend zur Seite standen, die guten Willens waren, einen vernünftigen gemeinsamen Kampf für die Durchsetzung internationalen Rechts gegen den Terrorismus zu schultern.

Es waren und sind vorneweg nachdenkliche Amerikaner, die - weil man sie daheim kaum mehr zu Wort kommen lässt - in europäischen Medien darauf aufmerksam machen, dass es die Bush-Regierung ist, die die damalige Linie der Gemeinsamkeit Zug um Zug verlässt. Schleichend wurde zuerst die Trauer um die Terroropfer von Ground Zero in eine patriotische Kampagne für die Größe und Stärke Amerikas verwandelt. Schleichend wurde nach dem erfolglosen Versuch, Osama bin Ladens habhaft zu werden, das Ziel gewechselt, wurde die Diktatur des Saddam Hussein zur ärgsten Tyrannei auf Erden und zur aktuell größten Gefahr für den Weltfrieden hochstilisiert. "Die jetzige US-Regierung verführt ihr Volk mit Lügen zum Krieg - wie bei Vietnam", schrieb vor ein paar Tagen Daniel Ellsberg (während des Vietnamkrieges Berater im Pentagon). Und er erinnerte an eine Monate zurückliegende Einschätzung von General Anthony Zinni (Bushs Vermittler im Nahen Osten), der Saddam noch an sechster bis siebter Stelle der Gefahrenskala sah.

Mit dem Schauspieler Dus  tin Hoffman nannte ein Mal mehr ein US-Intellektueller das Aufbauschen des Despoten Saddam zum Globalbösewicht Nr.1 einen Propagandatrick der Bush-Administration. Warum will diese amerikanische Regierung unbedingt diesen Krieg? Es gehe um Öl, und es gehe um alte Bush- Rechnungen, sagen Friedensbewegte, sagen selbst die Stammtische. Richtig. Doch wieder sind es US-Stimmen, die am schärfsten vor einer noch viel weiter gesteckten, auch von messianischem Sendungsbewusstsein motivierten Zielsetzung der Bush-Regierung warnen. "Die USA bestehen auf ihrem imperialen Recht, zu entscheiden, wann und wo ein Regime wechseln soll", meint Judith Butler, Professorin der University of California. US-Schriftsteller Norman Mailer drückt es so aus: "Die wollen, dass Amerika die Welt nicht nur ökonomisch, sondern auch militärisch regiert. Der Irak ist dabei die erste Stufe." Und Ronald Dworkin, einer der bedeutendsten US-Rechtstheoretiker der Gegenwart, erklärt, die derzeitige Politik der USA sei dazu angetan, das internationale Recht zu zerstören.

Saddam in Fesseln

Kein Friedensbewegter be zweifelt, dass Saddams Regime eine Menschen verachtende Tyrannei ist. Aber darin gleicht es manch anderem Regime auf der Erde. Mit einem Unterschied: Keine andere Diktatur steht jetzt so unter internationaler Beobachtung und Kuratel wie die Saddams. Gerade auch dank des US-Engagements ist eine Situation entstanden, die eine Lösung des Problems ohne Tausende Kriegstote und ohne die Gefahr einer großen Wutexplosion unter den islamischen Massen ermöglichen würde.

Unter Berufung auf fragwürdige Indizien (Powell: "Beweise"), die vor kaum einem Gericht auch nur zur Eröffnung eines Hauptsacheverfahrens reichen würden, sperrt sich jedoch die Bush- Regierung gegen diesen Weg, der international konsensfähig wäre. Damit und mit der rüden Arroganz ihrer hegemonialen, internationales Recht und internationale Partnerschaft beiseite fegenden Kriegspolitik schürt die jetzige US-Regierung daheim und weltweit der Menschen Zweifel - an der Vernunft und der humanen wie demokratischen Lauterkeit von George W. Bushs Motiven.                                          Andreas Pecht

 
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