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2004-05-04:
Delnon wechselt in die höchste Liga

Über einen Schweizer, der in Rheinland-Pfalz neue Maßstäbe der Bühnenkunst setzte und 2006 wieder nach Hause geht
 
ape. Mainz/Koblenz. Wer Georges Delnon kennt, weiß, den zieht's in zwei Richtungen: nach oben, hin zu größeren Theatern; nach Hause, zurück in die Schweiz. Mit dem Ruf ans Theater Basel kann der noch bis Ende Spielzeit 2005/2006 amtierende Chef des Staatstheaters Mainz beiden Bedürfnissen in einem Rutsch nachkommen. Und Rheinland-Pfalz hat dann ein richtiges Problem: Es verliert mit Delnon seinen zurzeit effektivsten Motor für überregional beachtete Bühnenkunst.
 
Kein rheinland-pfälzischer Bühnenchef könnte, würde ein Angebot des Theaters Basel ausschlagen. Das schweizerische Dreispartenhaus gehört nach Größe und künstlerischem Gewicht zur Spitzengruppe der Theater im deutschsprachigen Raum. Auch wenn das Staatstheater Mainz unter der Ägide des heute 46-jährigen gebürtigen Schweizers Georges Delnon in den Kreis der überregionalen Bühnen aufgestiegen ist, so spielt Basel doch noch in einer höheren Liga: in der ersten - dort, wo Martin Schläpfers ballettmainz und einige Mainzer Opernproduktionen bereits angekommen sind.

Von daher ist Delnons Entscheidung, mit der Saison 2006/2007 in Basel als Intendant anzufangen, nachvollziehbar. Angesichts von sieben Spielzeiten, die er bis dahin die Mainzer Theatergeschicke gelenkt haben wird, entspricht der Wechsel den Normalitäten im Intendantenkarussell. Was nichts daran ändert, dass sein vorzeitiger Ausstieg aus dem Vertrag (in Mainz bis 2010 abgeschlossen) für das Mainzer Theater jetzt so schmerzhaft ist, wie er es 1999 für das Koblenzer war. Damals erlag er nach nur drei Spielzeiten der Lockung kräftigerer Finanzausstattung und besserer künstlerischer Möglichkeiten in der Landeshauptstadt.

Beiden Städten verhalf er mit einem Händchen für gute Regisseure und Akteure sowie für spannungsreiche Spielpläne zwischen Klassik, klassischer und aktueller Moderne zu gar nicht so kleinen "Theaterwundern". Beiderorts setzte er nicht zuletzt durch seine eigenen Inszenierungen teils völlig neue Maßstäbe. Erinnert sei an seinen Koblenzer Regie-Einstand im Januar 1997 mit der Händel-Oper "Alcina" oder seinen Abschied vom Rhein-Mosel-Eck mit Händels "Tamerlano" im Mai 1999.

INNOVATIVER KÜNSTLER

Erinnert sei an seine erste Mainzer Regie vier Monate später: Alban Bergs Oper "Lulu" als furioses, denaturalisiertes und doch erschütterndes Seelenspiel auf der Interimsbühne in der Phönixhalle. Genannt sei auch seine hochdramatische, in allen Feuilletons und vom Publikum gefeierte Einrichtung des Händel- Oratoriums "Saul" anlässlich der Wiedereröffnung des großen Mainzer Hauses 2001.

Die inszenatorische Eigenart des studierten Kunsthistorikers und Musikwissenschaftlers liegt jenseits des leidigen Streits musealer Klassikerpflege versus modernistischer Provokation. Delnon gehört zur kleinen Gruppe der Regisseure, bei denen in der Oper innovativer Umgang mit Handlung, Charakterzeichnung und psychologischer Spannung gleichgewichtig neben der Musik stehen. Nach inhaltlich-ästhetischer Bedeutung ausgeklügelte Lichtregie und interpretatorisch bedeutsame Symboliken bis hinunter zum kleinsten der sparsam eingesetzten Requisiten, das sind seine Instrumente für ebenso das Herz ergreifende wie das Hirn fordernde Inszenierungen. Wenn Effekte, dann sind sie für ihn nie kulinarischer Selbstzweck, sondern stets Mittel, im Stück behandelten oder latent wirksamen menschlichen Gründen, Abgründen, Triebkräften nachzuforschen.

VON KOBLENZ NACH MAINZ

Diese Eigenarten waren 1996 für die damalige Koblenzer Kulturdezernentin Ingrid Bátori der Auslöser, den noch wenig bekannten Delnon als Intendant ans Stadttheater zu engagieren. Das riss er mit anspruchsvoller Bühnenkunst aus dem selbstgenügsamen Lokaldasein, machte neue Zuschauerkreise neugierig und interessierte sogar auswärtige Kritiker für das Geschehen. Bald hatte auch die seinerzeitige rheinland-pfälzische Kulturministerin Rose Götte guten Grund, den erfolgreichen Theatermann nach Mainz zu wünschen und Mitte 1999 zu holen. Das dortige Staatstheater entwickelte er seither mit der ihm eigenen leise-charmanten Durchsetzungkraft zur einzigen Kunsteinrichtung des Landes von nationaler Ausstrahlung.

Zehn Jahre wird Georges Delnon am Ende seiner Mainzer Amtszeit dann in Rheinland-Pfalz gewirkt, und das kulturelle Selbstbewusstsein des Landes verändert haben. Denn er und die Seinen konnten beweisen, dass anspruchsvolle, im überregionalen Vergleich "wettbewerbsfähige" Kunst hierorts machbar ist, und dass sie auch bei den hier ansässigen Menschen ihr Publikum findet. Mehr noch: Delnons Arbeit zeigt (noch zwei Spielzeiten lang), dass mit der Höhe der Kunst die Kunstsinnigkeit des Publikums wächst.

Nun bedauern auch Kulturministerium und Mainzer Kommunalpolitiker seinen baldigen Weggang nach Basel. Doch schwer gemacht haben sie ihm diese Entscheidung mit ihrem endlosen Spar-Hickhack und zuletzt der Orchesterreform nicht gerade. Bleibt zu hoffen, dass Ingrid Bátori unrecht behält mit ihrer gestern ausgebrachten Prognose für die Zeit nach Delnon: "Rheinland-Pfalz auf dem Weg zurück in die Mittelmäßigkeit".


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Siehe auch ape-Artikel vom Mai 2004 über Delnons Wechselpläne nach Basel und seine Arbeit in Rheinland-Pfalz:
2004-05-04 Kultur:
Georges Delnon verlässt Mainz und
übernimmt Theater Basel


 
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