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2004-10-08 Literaturszene:
Heimatliche Inseln in der großen Bücherwelt

Rascher Zug über die Frankfurter Buchmesse: Von kooperierenden Rheinland-Pfälzern und derangierten Kritikern
 
ape. Frankfurt. Selbstredend: Am Abend tun die Füße weh und es raucht das Hirn. Das sind die ganz normalen Folgeerscheinungen eines jeden Besuches auf der Frankfurter Buchmesse. Dazu dieser Eindruck: So viel Gedränge wie heuer war nie. Und die gewagte Schlussfolgerung: Bei derart verbreiteter, Leibesqual und Ruheentbehrung auf sich nehmender Liebe zum Buch, kann es um die Welt gar so schlecht nicht bestellt sein.
 
Die Buchmesse 2004 präsentiert: 350 000 Bücher insgesamt, davon 104 000 Neuerscheinungen, davon wiederum die Mehrheit Krimis. Letztere Angabe ist im Gegensatz zu den beiden ersteren Zahlen nicht verbürgt. Aber die unübersehbare Flut kriminalistischer Schreibergüsse legt solchen Verdacht nahe. Bestätigung findet er selbst im Rund rheinland-pfälzischer Verlage. Genauer: Im Viereck, genannt Verlagskarree Rheinland-Pfalz, zu dem sich zwölf kleinere Verlage schon vor drei Jahren zusammenschlossen - um im Großaufgebot bei der Buchmesse nicht unterzugehen, um auch nachher am Markt besser wahrgenommen zu werden.

Zwölf von 300 Verlagen, die es in Rheinland-Pfalz geben soll. Manche bleiben lieber für sich, Schott aus Mainz etwa, einer der ganz großen Musikverlage in Europa und sicher der größte rheinland-pfälzische Verlag überhaupt. In dieser Nach-Pisa-Zeit legt er den Schwerpunkt auf Musikliteratur und musikalische Lernhilfen für Kinder. Oder Philipp von Zabern, ebenfalls in Mainz ansässig. Dessen faszinierendes Programm über Archäologie und Kulturgeschichte weist den Band "Gesichter des Orients - 10 000 Jahre Kunst und Kultur aus Jordanien" als Neuheit aus, das Katalogbuch zur Koblenz-Bingener Doppelausstellung "Die Loreley" als wichtiges Standardwerk.

Von den wenigen ganz großen Häusern zu den ganz kleinen. Manche der heimatlichen Verlage sind so klein, dass sie zwar im Ausstellerverzeichnis noch genannt werden, vor Ort indes gar nicht auffindbar sind. Diesem Schicksal entgehen der Vallendarer Patris-Verlag oder der Ars liturgica Kunstverlag Maria Laach durch Messestand-Kooperationen mit anderen Häusern aus der kirchlichen Verlagsszene. Wie auch immer man allerdings zählt, mehr als drei Dutzend rheinland-pfälzische Verlage findet man auf der Messe nicht. Weshalb beim gelegentlichen Spruch vom Literaturland Rheinland-Pfalz wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens ist.

Zurück zu den Zwölfen vom Verlagskarree - und damit auch zurück zur Krimischwemme. Denn eine Ecke der Gemeinschaftspräsentation ist ganz und gar der Verbrechenssparte gewidmet. Karree-Koordinator Heinz-Peter Baecker, selbst Krimischreiber beim Kontrastverlag Pfalzfeld, nennt den Anlass: Er und seine "SoKo" wollen 2006 die Criminale, Deutschlands wichtigtes Krimiautoren-Festival, nach Koblenz holen.

Baecker selbst ist mit zwei Genre-Titeln vertreten, der jüngste heißt "Das Fleisch-Kartell", ein EU-Thriller auf Tatsachenbasis. Der Simmerner Pandion-Verlag schickt mit "Hunsrück Airport" eine auf dem Hahn einbetonierte Leiche in den Krimiring, pflegt daneben sein heimatliterarisches Programmsegment: "Mühlenkinder" erzählt die Geschichte einer Hunsrücker Bauernfamilie, beginnend 1890.

"éditions trèves" aus Trier feiert auf dieser Messe den 20. Geburtstag ihrer Krimireihe, und der Rhein-Mosel-Verlag aus Alf bringt einen neuen Krimischmunzler des Satirikers Hubert vom Venn heraus. Der fragt "Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?" und handelt vom Mord an einem Politiker, der mit einer Liste Freies Rheinland für die rheinische Republik bei den NRW-Landtagswahlen satte zweistellige Ergebnisse einzufahren droht. Neu im Verbund ist ist der Verlag Eifelkrone aus Neroth mit Lese- und Hörstoff für Kinder. Natürlich gehört auch hier ein Krimi zum Programm: "Die Meisterschnüffler" ist ein Eifel-Krimi für Kleine, munter erzählt, mit alternativen Entwicklungsmöglichkeiten.

Nicht, dass die rheinland-pfälzische Karree-Gemeinschaft übertrieben krimilastig wäre. Daneben gibt´s Lesestoff über Hund und Katz, heimische Kräuter, heimische Künstler, heimische Landschaften nebst Lesetipps zu allerhand Lebenslagen. Wer's genauer wissen will, klicke sich im Internet durchs Gemeinschaftsportal zu den Verlagsprogrammen:

www.verlags-karree.de

Vom Heimatgebiet hinaus in die große Bücherwelt - das sind vom Karree-Stand A103 in Halle 4.1 keine zehn Schritte in den Nachbarflur. Dort beginnen die Residenzen der großen deutschen Publikumsverlage, verteilt auf die Messehallen 4 und 3.

Auf dem raschen Rundgang bisweilen seltsame Begegnungen mit Promis: Großkritiker Helmuth Karasek sichtlich derangiert wohl von diversen Empfängen am Vorabend. Friedrich Merz sichtlich gut gelaunt und propper bei der Präsentation seines Modern-Times-Buches "Nur wer sich ändert wird bestehen". Martin Walser mit dem neuen "Zeit"-Chef Giovanni di Lorenzo im Gespräch. BAP-Sänger Wolfgang Niedecken bei Verhandlungen über einen Auftritt demnächst in Koblenz. . .

Wasserpfeife raucht niemand, obwohl das arabische Utensil in diesem arabischen Messejahr reichlich vertreten ist.
Andreas Pecht
 
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