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2005-03-02: Reportage
Der Maestro im Jugendcamp
Goebel führt junge Musiker in Engers an das Geheimnis barocker Töne heran
 
ape. Engers. Es ist die umfangreichste Konzertreihe, die in Rheinland-Pfalz existiert: "Musik in Burgen und Schlössern". Den Auftakt zum 14. Jahrgang mit seinen 81 Konzerten quer übers Land bildeten jetzt zwei Abende mit den "Brandenburgischen Konzerten" in Schloss Engers. Wir sammelten Eindrücke beim Konzert und der vorangehenden Probenwoche. Dabei enthüllte sich der Charme des Prinzips "fördern und konzertieren", das dieser Reihe zu Grunde liegt.
 
Wer ist der Mann, der da unauffällig neben dem Cembalo sitzt? Vom Stuhl aus dirigiert er mit kleinen, aber energischen Bewegungen der Hände, mehr noch des Kopfes, wechselnde Besetzungen junger Musiker durch fünf der sechs "Brandenburgischen Konzerte" von Johann Sebastian Bach.

Wenn die 23- bis 29-jährigen Stipendiaten der Villa Musica strahlend den im Diana-Saal von Schloss Engers immer wieder reichlich gespendeten Applaus entgegen nehmen, scheint den 1952 in Siegen geborenen Senior der Runde das nichts anzugehen. Er erhebt sich nur, um vor dem nächsten Einsatz Notenständer umzuräumen. Erst ganz am Ende gesellt der Lehrer sich zu seinen Schülern: Reinhard Goebel, Deutschlands prominentester Vertreter barocken Musizierens, beendet mit einem Lächeln das Schlusskonzert einer Arbeitswoche, während der er 17 Talenten sein Verständnis von Barockmusik beibrachte.

Es wird bis August noch viele Auftritte anderer Villa-Musica-Stipendiaten und -Dozenten in Rheinland-Pfalz geben. Denn der Charme der Reihe "Musik in Burgen und Schlössern" besteht darin, dass die Mehrzahl der Konzerte Ausfluss sind von Förderseminaren der Kammermusikakademie für herausragende junge Nachwuchsmusiker. Herausragend? Man kann den Lebensläufen der 17 Goebel-Seminaristen entnehmen, dass hier keine Hobby-Musikanten versammelt sind. Wichtiger noch: Im Konzert wird die Klasse dieser jungen Leute hörbar. Beim Probenbesuch durften wir sie auch hautnah erleben.

Das können die nicht können! So der Ausruf bei der Anfahrt auf Engers, derweil aus dem CD-Player das dritte Brandenburgische in der legendären 80er-Jahre-Einspielung von Goebel mit seinem eigenen Ensemble Musica Antiqua Köln drängt, treibt, rast. "Avanti Dilettanti" ruft nachher im Übungssaal der für sein sonst bisweilen grantiges Auftreten berüchtigte Barock-"Star" humorig den Streichern zu.

Einsatz zum zweiten Satz des dritten Brandenburgischen - und dem Besucher fällt die Kinnlade herunter: Die können das, und wie die das können! Jene Schroffheit, vor allem jenes irrwitzige Tempo, mit denen Goebel vor 20 Jahren begann, uns die wahre Dramatik unverfälschter Barockmusik nahe zu bringen, lösen bei den jungen Leuten weder Befremden aus, noch schaffen sie größere spieltechnische Probleme.

Der Probeneindruck bestätigt sich am Ende der Woche bei der Rundfunkübertragung des ersten wie dem Miterleben des zweiten Konzertabends: Goebel hat hier Musici von hohen Graden beisammen, die gefordert werden wollen, die schnell begreifen, mit denen er professionelle Feinarbeit betreiben kann. "Ihr müsst die Töne enger nehmen, engerser also, denn wir sind ja in Engers" hatte er gewitzelt.

Drei Tage später taucht eben dieses "engerser" als fabelhafte dynamische Dichte wieder auf. "Das Continuo muss wie Sekt klingen, klingt aber wie Bier", hatte er den Cellisten kritisiert. Im Konzert dann tatsächlich keine Spur mehr von "Flatschigkeit", das Cello marschiert mit entschlossenem, aber leichtem Schritt seine Strecke ab - es perlt. Und ständig verlangte der Geiger Goebel von den Geigen: "Ihr müsst führen", "nur keine falsche Bescheidenheit", "lass es doch mal richtig röhren". So wird Musizieren zur Charakterbildung - müssen, dürfen, können auch schüchterne Mädchen oder Jungs wechselweise die erste Geige spielen.

Goebel ist ein nervöses Arbeitstier, er spricht seine zwischen Witz und Intellektualität changierenden Sätze furchtbar schnell, haspelt oft Unvollständiges. Wenn er sich dem Trompeter aus Japan oder der Viola-Spielerin aus Moskau verbal nicht verständlich machen kann, singt, trommelt, gestikuliert er, greift zur Geige oder ins Cembalo. Nach ein paar Tagen freudiger Schwerstarbeit hat sich im Engerser "Jugendcamp" eine ganz eigene Verständigungsweise entwickelt. An dieser Atmosphäre hat auch der Bärbeißer seinen Spaß - und aus dieser Atmosphäre erwächst, was das Publikum zum Auftakt von "Musik in Burgen und Schlössern" hören durfte: Kunst, so hochrangig wie frisch.
 
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