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2005-05-01: Feature
"Frische Ideen" hinter den Kulissen des Stadttheaters
Die neuen Vertreter der Dramaturgen-Zunft in Koblenz:
Stefan Kroner und Heribert Germeshausen – Wer sie sind und was sie tun
 
ape. Koblenz. Das Stadttheater Koblenz hat unlängst zwei neue Dramaturgen eingestellt. Stefan Kroner und Heribert Germeshausen wurden den Namen nach schneller bekannt als je ein Koblenzer Dramaturg zuvor. Grund: Das Theatermagazin „die deutsche bühne“ brachte das Gespann im Januar mit „frischen Ideen“ am hiesigen Theater in Verbindung. Nachher staunte auch die Regionalpresse über einen für Koblenzer Verhältnisse ungewohnt innovativen Spielplan, der unter erstmaliger Mitwirkung der beiden für die kommende Saison aufgestellt worden ist. Die zwei Zugereisten bewegen was; das weiß man nun über sie, sonst allerdings herzlich wenig. Wir haben deshalb dem Schauspiel- und dem Musikdramaturgen einige Auskünfte über ihr Leben abgerungen – und die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, etwas Licht in die Frage zu bringen: Was eigentlich treiben Dramaturgen so in ihrer Dramaturgie?
 
Denn Requisite, Maske, Malersaal, Intendanz – auf solche Theaterabteilungen kann sich auch der Außenstehende einen Reim machen. Was aber ist die Dramaturgie? Mancher weiß vielleicht noch vom Deutschunterricht, dass dies Wort  die „Lehre von den  Bauformen und strukturellen Gesetzmäßigkeiten des Dramas“ bezeichnet. Aber als handelnde Abteilung des Theaters, besetzt von Leuten mit der Berufsbezeichnung Dramaturg?  Selbst langjährige Theatergänger haben nur vage Vorstellungen von dieser Einrichtung und den Aufgaben ihrer Vertreter. Treten die doch kaum ins Rampenlicht, werden vom Publikum allenfalls mal als Verfasser des Programmheftes wahrgenommen. Gleich der erste Eindruck von den Lebensläufen Kroners und Germeshausens macht zwei Eigenschaften deutlich, die wohl zum Selbstverständnis der Zunft gehören: Bedingungslose Liebe zum Theater und eine früh beginnende, langjährige Hinwendung zu den Brettern, die die Welt bedeuten.

Wie die beiden Koblenz-Neulinge da vor einem stehen, dürfte ihr Größenunterschied etwa ihrem Altersunterschied entsprechen. Der lange, in Osnabrück geborene Kroner ist 45 und fürs Schausspiel zuständig. Mehr als einen Kopf kleiner, bringt sein in Bad Münster am Stein zur Welt gekommener Kollege vom Musiktheater 33 Lebensjahre auf die Waage. Germershausen sagt von sich, er sei schon als 6-Jähriger Opernfan geworden, habe als Jugendlicher von einer Laufbahn als Opernregisseur geträumt. Problem: In der Familie lag ein  künstlerischer Beruf außerhalb des Vorstellbaren.

Ein Rheinland-Pfälzer in New York

So studierte Heribert in Passau, Heidelberg, Pittsburgh (USA) erstmal was Ordentliches:  Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Ferienjobs und Praktika führten freilich immer wieder in Opern- und Konzerthäuser, etwa in die Marketingabteilungen des Pittsburgh Symphonic Orchestra oder der New Yorker Philharmoniker. Auch deutsche Theater sind scharf auf Leute, die über Wirtschafts- und Kunstverstand gleichermaßen verfügen: Es folgten Tätigkeiten bei der Deutschen Oper Berlin und der Oper Frankfurt; seit 2004 ist Germeshausen für je zwei Sommermonate in die Dramaturgie der Salzburger Festspiele engagiert. Der junge Mann spielt Klavier und Cello, kann Partituren lesen und über Operngeschichte ebenso kundig parlieren wie über jüngste Trends in der Opernwelt. Er musiziert selten, singt nur im Bad und inszeniert nie: Germeshausen dient der Oper zwar mit Leib und Seele, ist aber so wenig wie sein Schauspiel-Kollege ein Bühnenpraktiker. Was ist er denn? Dramaturg eben.

Schauen, lesen, lernen, forschen, diskutieren, abwägen, organisieren. Schlagworte aus einem Gespräch, in dem irgendwann der Satz fällt: „Der Dramaturg ist ein Ermöglicher“. Kroner spricht ihn aus, wirft damit einen Begriff in die Runde, der Selbstverständnis und Faszination seiner Tätigkeit fassen soll. Er hatte mit 20 in Osnabrück erste Theatererfahrungen als Hospitant und Regieassistent gesammelt. 1984 setzte er sein Recht auf Kriegsdienstverweigerung durch Umzug nach Westberlin durch. Dort studierte er Theaterwissenschaften und neue deutsche Literatur, wurde permanenter Beobachter des  Theatergeschehens hüben wie drüben.  25-jährig realisierte er seine erste Regie, nahm aber rasch wieder Abschied von diesem Teil der Theaterarbeit. „Regie“, sagt er heute, „besteht zu 75 Prozent aus psychologischer Gruppenführung. Diesen Prozess kann ich begleiten - ihn zu leiten, liegt mir nicht.“

In diesem Punkt sind sich beide einig: Dramaturgie ist das, was sie machen wollen, und keine Ausweichschiene, weil´s mit der Regie nicht geklappt hätte. Kroner hat unter anderem bei Henning Rischbieter gelernt. Er hat mit dem irischen Dramatiker Brian Friel gearbeitet, über den er seine Magisterarbeit und ein Porträt in „Theater heute“ schrieb. Er wirkte als Produktionsdramaturg an vielen Theatern, darunter das Thalia oder das Berliner Renaissance, wo die Deutsche Erstaufführung von Michael Frames Stück „Demokratie“ über Brandt/Guillaume stattfand, für das Kroner zwei Jahre recherchiert hatte. Er stellte an der Seite von Bühnenbildner und Regisseur Fred Berndt über Jahre manches Projekt auf die Beine. Kroner hat stets „frei“ gearbeitet, auch als Übersetzer dramatischer Texte aus dem Englischen. Koblenz ist sein erstes „festes“ Theaterengagement – „mit 45 will man auch diese Erfahrung machen“, sagt der Mann mit dem gut schulterlangen Haar.

Sahnehäubchen im Dramaturgenleben

Dramaturgen sind „Ermöglicher“ – ihre langjährige Zusammenarbeit mit Autoren und Verlagen war beispielsweise überaus hilfreich, die Deutsche Erstaufführung von Patrick Marbers Schauspiel „Howard Katz“ 2006 ans Stadttheater Koblenz zu holen. Aufgrund ihrer  Dauerbeobachtung etwa der Opernszene rückte eine Realisierung von Jörn Arneckes Musiktheaterwerk „Das Fest im Meer“ in Koblenz als zweite Produktion nach der Uraufführung an der Hamburger Staatsoper in den Rahmen des Möglichen. „Das sind die Sahnehäubchen im Dramaturgenleben“ erklärt Germeshausen mit dem ihm eigenen verschmitzten Schmunzeln. Daneben versorgen sie Regisseure, Bühnenbildner, Darsteller mit Hintergründen über Stücke, ihr Entstehungsumfeld, ihre Rezeptionsgeschichte. Oder sie erwägen, welche Werke auf das hiesige Ensemble passen, welche Striche man vornehmen müsste, um sie ohne Substanzverluste passend zu machen.  Zugleich sind Dramaturgen die Fühler „ihres“ Hauses in der großen Theaterwelt: Was gibt es dort Interessantes, was tut sich Neues, was wäre es wert, auch daheim Niederschlag zu finden?

Kroner und Germeshausen sind weder Künstler noch Entscheider, sollen und wollen es auch gar nicht sein. Aber sie leisten eine intellektuelle wie praktische Kärrnerarbeit im Hintergrund, auf deren inspirierende und grundierende Wirkung jene Diskussionen und künstlerischen Prozesse nicht verzichten können, an deren Ende steht, was Abend für Abend auf die Bühne kommt.
 
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