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2005-05-09: Kommentar
Keine inhaltsleere Ikone
 
ape. Ach Gott, der Schiller mit seinem Pathos von Vernunft, Freiheit und dem durch Kunst zu bessernden Menschen! Der Seufzer ist schnell getan, 200 Jahre nach Ableben des Dichters, Dramatikers, Historikers und Philosophen. Denn fremd klingt seine Sprache heute, weit abseits aller gegenwärtigen Erfordernisse erscheinen seine Gedanken. Das junge 21. Jahrhundert ist fertig mit Schiller - es zieht an seinen schöngeistigen Rändern allenfalls noch artig den Hut vor vergangener Größe. Bisweilen blättert auch einer der neuen Werte-Sucher im gewaltigen Nachlass. Mit mäßigem Erfolg: Die Religionen allesamt waren Friedrich zeitlebens suspekt, und Patriotismus hielt er für eine unschöne Kinderkrankheit. Ihm ging es um die Befreiung der Menschheit, nicht um Gott, schon gar nicht um die Nation. Wie es nachher gelingen konnte, ihn deutschnational zu vereinnahmen, bleibt ein Rätsel.
 
Rätselhaft ist auch die Gleichgültigkeit der Moderne gegenüber der geistigen Substanz des Schiller-Oeuvres. Sinnfällig wurde das soeben in Martin Weinharts TV-Film "Schiller", der einen durchgeknallten Superstar in Szene setzte, ohne sich auch nur einen Deut dafür zu interessieren, was den Burschen zum Superstar machte. Rabiate Demontage unwahrer Giganten-Zeichnung - wie sie vor vielen Jahren auch der Film "Amadeus" hinsichtlich Mozarts betrieb - kann helfen, die Mauern aus Verklärung zu schleifen, die den aufrechten Zugang zum eigentlichen Werk mehr hindern als fördern. Wird jedoch das inhaltsleer verstaubte Denkmal durch eine ebenso inhaltsleere, bloß dem Gegenwartsgeschmack gefälligere Ikone ersetzt, sind wir keinen Schritt weiter auf dem Weg zu einer angemessenen Werk-Aneignung im Sinne lebendiger Kulturpflege.

Pflege meint auch: aufs heutige Leben beziehen. Im Falle Schillers gerät ins Staunen, wer interessiert hinschaut. Ob Gentechnik- oder Bildungs-Debatte, ob Glaubens-Renaissance oder Sinnfrage hinsichtlich der Schrecknisse in Natur und Umwelt, ob Streit um gewaltsamen Demokratie-Export oder die Bewertung neuester Hirnforschung - all diese Themen waren auch schon Schillers Themen. Tiefes Misstrauen erfüllte ihn gegen jedwede Behauptung, dieses oder jenes Verhältnis sei naturgegeben oder gottgewollt und deshalb unabänderlich. Menschliche Lebenswirklichkeit ist, nach Schiller, Produkt menschlicher Vorstellung, also kann freier Menschenwille sie auch ändern. Damit es dabei vernünftig zugeht, hoffte Schiller auf die Zivilisierung, die Reifung des Menschen zu selbstbestimmter Freiheit durch die Kunst. Man mag das angesichts heutiger Realitäten für einen naiven Traum von vorgestern halten. Was freilich mehr gegen die Realitäten spricht. Und die sind, um bei Schiller zu bleiben, Ergebnis unserer Vorstellungen - deshalb durchaus änderbar.
 
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