Thema Gesellschaft / Zeitgeist
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2005-06-18: Feuilleton
Muss es denn unbedingt ein Marathon sein?
Statt Tortur vielleicht lieber eine Wander-Tour - Auch für den Sport gilt: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied
 
ape. Sie werden gefeiert als Helden unserer Tage: Normalbürger, ältere zumal, die es von 0 auf 42 schaffen. Sie kämpfen sich über harte Trainingsmonate vom Wohnzimmersessel zum Zieleinlauf des Marathons. Muss der Gelegenheits-Radler oder der Spaß-Jogger angesichts solcher Leistungen sich nun wie ein schlappes Weichei vorkommen?
 
Sie werden gefeiert als Helden unserer Tage: Normalbürger, ältere zumal, die es von 0 auf 42 schaffen. Sie kämpfen sich über harte Trainingsmonate vom Wohnzimmersessel zum Zieleinlauf des Marathons. Muss der Gelegenheits-Radler oder der Spaß-Jogger angesichts solcher Leistungen sich wie ein Weichei vorkommen?
Das historische Vorbild für den Marathonlauf war ein militärisches Unternehmen und ging ziemlich übel aus: Der Melder, der im Jahr 490 v. Chr. die Kunde vom Sieg des griechischen Heeres über die Perser von Marathon nach Athen trug, fiel am Ende seines dienstlichen Langstreckenlaufes tot um. Der Mann war demnach schlecht trainiert. Oder er hatte sein Leistungsvermögen über- und die Strecke unterschätzt. Vermutlich waren ihm im Siegestaumel auch die Warnzeichen seines Körpers gleichgültig gewesen. Kurzum, der antike Kurier hat wohl alles falsch gemacht, was auch ein moderner Marathonläufer falsch machen könnte.
Hut ab vor der Leistung

Wie"s richtig geht, wie auch noch Senioren die olympische Strecke von 42 Kilometern ablaufen können, das war und ist in jüngerer Zeit Gegenstand zahlloser Reportagen in allen möglichen Medien. Hut ab vor den Leistungen, die sich mancher Langstrecken-Neuling da abringt. Aber muss ich das zum Lebensglück haben? Muss ich mir als 50-, 60- oder gar 70-Jähriger noch solche Torturen aufbürden? Muss ich nicht.
"Freizeitsport soll in erster Linie Spaß machen", heißt es auf der Homepage des Deutschen Sportbundes in der Unterabteilung "Richtig fit ab 50". Na also. Wenn die Marathonler Freude daran haben, den inneren Schweinehund Mores zu lehren und über ihr Alltags-Ich hinauszuwachsen, dann können Doris, Gerhard und Wolfgang auch nicht falsch liegen: Die Dame geht regelmäßig zum Tanzen; der eine Herr schwingt sich ein oder zwei Mal die Woche für reichlich 25 Kilometer aufs Rad; der andere zieht hie und da morgens im Schwimmbad seine Bahnen.

Ein jeder mag auf eigene Weise glücklich werden - dieser bei extremen, jener bei gemäßigten Herausforderungen. Eines immerhin ist allen gemeinsam: Spaß an sportiver Betätigung (hoffentlich). Und den teilen sie mit Millionen anderen mehr oder minder, so oder so Aktiven. 27,5 Millionen Mitglieder zählen allein die im Deutschen Sportbund zusammengeschlossenen Sportvereine. Den größten Mitgliederzuwachs dort verzeichnet in den letzten Jahren die Sparte der über 60-Jährigen. Ungezählt sind, die sich obendrein ganz privat in Fitness-Centern, Bädern oder in Wald und Flur den schweißtreibenden Vergnügungen hingeben. Ob der Gesundheits-, der Geselligkeits- oder der Spaßgedanke die Triebfeder ist, spielt letztlich keine Rolle. Im Freizeitsport gilt beinahe ungetrübt, was im übrigen Leben auf mancherlei Hürden stößt: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Dazu gehört gelegentlich auch die Freiheit, es einfach mal zu lassen und, statt die Turnschuhe zu schnüren, in die Pantoffeln zu schlupfen.

An dieser Stelle kommen dem angehenden oder passionierten Marathonläufer allerdings Bedenken. Wie viel Freiheit kann er seinem Trainingsprogramm zumuten, ohne das hoch gesteckte Ziel zu gefährden? Da geht es dem Läufer ähnlich wie der Tennisspielerin oder dem Golfer, die mit aller Gewalt ihre Vereinsmeisterschaften gewinnen wollen: Je ehrgeiziger die Ziele, desto rigoroser muss das Training durch- und angezogen werden. Bis zu jenem Punkt, wo plötzlich die unschöne Alternative im Raum steht: Will ich Spaß haben oder will ich siegen?

Hier nun scheiden sich die Geister. Für den einen ist Sport ohne Siegeswille oder zumindest Streben nach persönlichen Rekorden gar kein richtiger Sport, nicht mal Freizeitsport. Dem andern ist das Trimm-Dich, das eigene sportive Tun nach Lust und Laune purer Selbstzweck. Letzterer läuft weder gegen die Uhr, noch gegen "Wettbewerber". Und schöne Ballwechsel bei fleißiger Beinarbeit und flüssiger Schlagtechnik sind ihm auf dem Tennisplatz allemal lieber als verbissene Schnippel- und Schmetterschlachten.

Kein Privileg der Jugend

Nicht, dass sportiver Ehrgeiz ein Privileg bloß jugendlichen Sturm und Drangs wäre. Doch mit der Reife des Alters tritt Kampfeslust und das Sich-Messen-Wollen eher in die zweite Reihe der Motivationsgründe. Zwar soll es, so die Fachleute, kaum eine Sportart geben, die bei angemessenem Training nicht ebenfalls von Senioren ausgeübt werden könnte. Und die machen teils ja auch regen Gebrauch davon, siehe Marathon. Dennoch sind Schwimmen, Rad fahren, Wandern mit und ohne Stöcke (Walking/Nordic Walking), leichtes Jogging die Favoriten beim Gros der älteren Aktiven. Sportliche Betätigungen also, die nicht von Hause aus vorwiegend dem Wettstreit verschrieben sind. Die obendrein den Vorteil haben, dass jeder selbst sie ganz umstandslos fürs persönliche Wohlempfinden dienstbar machen kann.

Das ist Ihnen zu lasch, zu wenig Herausforderung, zu wenig Kampf? Wie Sie mögen. Aber seien Sie so gut und denken Sie bei Ihrer Art der Sportausübung an das Schicksal jenes unglücklichen antiken Kuriers: Nur eine Stunde langsamer, und er hätte von seinem Feierabend ordentlich was gehabt - hätte wohlbehalten an den dionysischen Lustbarkeiten zum Kriegsende teilnehmen können.  
 
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