Kritiken Theater
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2005-06-27:
Burgfestspiele plädieren für Zivilisierung der Religionen
Erste Abendpremiere in Mayen mit Lessings "Nathan der Weise"
 
ape. Mayen. Immer neue Ausbrüche religiös motivierter Intoleranz machen, dass dieses 222 Jahre alte Aufklärerstück nicht aus der Mode kommen will. In den vergangenen drei Jahren wurde "Nathan der Weise" an allen Theatern der näheren Umgebung gespielt. Auch die Mayener Burgfestspiele lassen es sich jetzt nicht nehmen, mit Gotthold Ephraim Lessings "dramatischem Gedicht" ihr Plädoyer für eine Zivilisierung der Religionen durch Vernunft und Menschlichkeit vorzutragen.
 
Pavel Fiebers Inszenierung gibt dem Text zu Recht den Vorzug vor Aktionsreichtum. Zwei Divan-Kissen und eine Palme reichen, um die Spielfläche vor der rückwärtigen Wand des Genoveva-Burghofes ins orientalische Jerusalem zu versetzen. Kiki de Kocks Kostüme sind heutig: Der Tempelritter trägt helle Nato-Tropenkluft, der Sultan Generalssmoking; Geschäftsanzug und Sekretärinnenkos-tüm sind auch vertreten.

Daja (Franziska Küpferle), christliche Gesellschafterin im Hause des jüdischen Geschäftsmannes Nathan, empfängt den Hausherrn mit Karabiner im Anschlag. Womit signalisiert wäre, dass die Zeiten gefährlich sind in diesem Jerusalem. Jede Inszenierung der jüngeren Zeit verwies auf die Parallelität zwischen Nah-Ost-Gegenwart und Kreuzzugsepoche, in der das Stück ursprünglich angesiedelt war. Denn nichts macht die absurde Aktualität der Thematik deutlicher als dieser historische Bogen.

Vor sparsamer Kulisse und fast ohne Requisiten sind die Schauspieler ganz auf sich gestellt. Die Regie fährt mit diesem reduzierten Kammerspielansatz hohes Risiko. Zumal ein zusammengewürfeltes Festivalensemble meist nur sehr kurze Zeit hat, sich zu finden. Es ist dann auch die überragende Klasse von Hartmut Stanke als Nathan, von der die Produktion gehalten wird. Dieser Weise ist ein rechter Spötter vor dem Herrn: Seine Belehrung kommt beiläufig, oft schelmisch daher; momenthafte Genervtheit und Hektik sind ihm bei aller grundsätzlichen Lebensgelassenheit nicht fremd; sein Reagieren auf veränderte Situationen birgt Überraschungen und Tiefe.

Letzteres lässt sich von der Art, wie hier der junge Templer auftritt, nicht sagen. Natürlich legt ihn schon das Stück als Vulkan kurz vor dem Ausbruch an. Kein Wunder, liebt der Christenkrieger doch ein Judenmädchen und fühlt sich dem Moslemsultan verpflichtet. Warum die Regie allerdings Sebastian Feicht die Rolle auf lautes Aufbrausen und Gerenne einkochen lässt, bleibt schleierhaft .

Besser gefällt die Nathan-Tochter Recha von Silke Popp. Sie deutet die Zerrissenheit zumindest an, in die ein kluges, hochgebildetes, lange behütetes 18-jähriges Mädchen unter obwaltenden Umständen geraten kann. Dennoch bleibt ihre zu künstlicher Überdrehtheit neigende Darstellung unter den Möglichkeiten der Rolle. Das gilt leider ebenso für die Sultansgeschwister (Harald Dietl und Katja Mittenzwei), denen Lessing auch eine Färbung herrschaftlicher Dekadenz, Arroganz und Geldgier anhängte, von der in Mayen wenig zu sehen ist.

Neben Stanke nutzt Udo Thomer als widerborstiger Klosterbruder das Spiel mit der Mehrschichtigkeit des Menschen. Am Ende schmeißt dieser kleine Humanist seinem inquisitorischen Christenpatriarchen die Mönchskutte vor die Füße. Er mag nicht mehr Gehilfe religionsdogmatischer Machtpolitik sein - deuten wir diesen wuchtigen Fingerzeig, der die doch etwas eindimensional geratene Inszenierung beschließt.
 
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