Kritiken Theater
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2005-07-04: Theater
Burgfestspiele servieren eine saftige Schmierenkomödie
"Raub der Sabinerinnen" offenbart seinen Wert erst auf den zweiten Blick
 
ape. Mayen. So ist es Brauch bei den Mayener Burgfestspielen: Eine Hauptproduktion ist dem ernsten Fach gewidmet, die andere dem humorigen. Auf Lessings "Nathan" folgte an diesem Wochenende im Hof der Genovevaburg die ausgiebig belachte Premiere des Schwanks "Der Raub der Sabinerinnen".
 
Man könnte das 1884 uraufgeführte Werk einfach nehmen als das, was es auf den ersten Blick zu sein scheint: ein Amüsierstück. Der Abend wäre rasch abgetan, denn es geht ja bloß um den Professor Gollwitz, der in seiner Kleinstadt nicht als Verfasser jenes Stückes bekannt werden will, das durchziehende Komödianten im hiesigen Gasthof aufführen. Das mit witzigen Anekdötchen durchsetzte Versteckspiel führt zu amüsanten Verwicklungen, wirbelt insbesondere des Professors Familienleben durcheinander.

In Mayen wird das durch lokale Bezüge aufgepeppt und saftig, mit Sinn für Pointen und komische Momente ausgeführt. Vor allem die Riege der älteren Schauspieler glänzt durch prächtige Typenzeichnungen in Boulevardmanier. An erster Stelle sei Karl Friedrich in der Rolle des penetrant sächselnden Striese genannt; er besorgte in Mayen auch die Regie. Ihm folgend Harald Heinz als stets am Rande des Nervenzusammenbruchs agierender Professor sowie als dessen kiebige Gattin Franziska Küpferle. Wir haben uns köstlich amüsiert. Fertig.

Nun hat es aber etwas Seltsames auf sich mit diesem Schwank von Franz und Paul Schönthan. Selbst große, sonst der hohen Bühnenkunst verschriebene Theater haben die "Sabinerinnen" immer wieder auf den Spielplan gesetzt. Bedeutende Schauspieler haben sich nach der Rolle des Theaterdirektors Striese gedrängt, darunter Rudolf Platte, Curt Goetz oder Gustav Knuth. Was also ist"s, das dieses Stück aus dem prallen Fundus belangloser Zeitvertreibs-Schwänke heraushebt? Es hat sich das Theater selbst zum Gegenstand erkoren.

Sonst handeln Schwänke von tatsächlichen oder vermeintlichen Fehltritten gutbürgerlicher Männer. Frivole Abenteuer sind es zumeist, die es vor misstrauischen Frauen zu verbergen gilt. Hier indes besteht des Professors Fehltritt darin, dass er in Jugendjahren ein Stück schrieb - und sich im Honoratiorenalter die Eitelkeit nicht verkneifen kann, es aufführen zu lassen. Eine römische Tragödie sollte es sein, unter Strieses Hand wird das (Mach-)Werk zur Schmierenkomödie.

Zu sehen bekommen wir vom Theater im Theater nichts. Das Geschehen im Gasthof platzt nur als immer neues Problem, schließlich als Hiobsbotschaft auf die im Burghof eingerichtete Veranda des Gollwitz-Hauses. Dort verkündet der Theatermacher die Streichung von 40 Rollen und zwei Akten. Dort kommt auf, wie Privatveranstalter Striese in der Not durch hahnebüchene Verbiegung des "Tell" oder der "Maria Stuart" zahlendes Publikum bedient. Dort wird er ins Gollwitzsche Verwirrspiel hineingezogen, erfindet dem Sohn eine Liebschaft mit einer Luisa Miller - der tragischen Frauenfigur in Schillers "Kabale und Liebe".

Karl Friedrich formt Striese in Mayen als schlitzohrigen Pragmatiker, der die große Geste nicht scheut, um mittels Lug, Trug und Banauserei sein Brettl über Wasser zu halten. Dieser Mann ist Betrüger und Kunstanarchist in einer Person. Aber: Er ist unendlich stolz darauf, ein Komödiant zu sein - und sei"s auf der Schmiere. Wobei das eigentliche Schmierentheater nicht auf der Gasthofbühne, sondern auf der Professorenveranda, also in der bürgerlichen Wirklichkeit stattfindet.
 
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