Kritiken Theater
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2005-09-24: Theater
Mehr Liebe als Kabale in Bonn
Später Beitrag zum Schiller-Jahr des jungen Regisseurs Matthias Kaschig
 
ape. Bonn. Zwar richtet sich die Aufmerksamkeit zusehends auf Mozart und 2006 als dessen 250. Geburtsjahr. Doch noch ist Schiller-Jahr. Zu diesem leisten nun die Bühnen Bonn mit "Kabale und Liebe" einen späten Beitrag. Der junge Regisseur Matthias Kaschig verfährt mit dem "bürgerlichen Trauerspiel" von 1784, wie es in den vergangenen Jahren mehrfach zu erleben und zu kritisieren war: Die Kabale, also die politische Intrige, interessiert nicht, das Augenmerk ruht ganz auf der Liebe, der scheiternden.
 
Gar nichts gegen modernisierende Transkriptionen und Deutungen. Wenn Ferdinand und Luise auf der Godesberger Schauspielbühne zur Rockmusik ausgelassen tändeln, sind das keineswegs die schlechtesten Szenen. Dennoch wird die Inszenierung von einem eigentümlichen Phänomen überschattet: Trotz fast dreistündiger Dauer wirkt sie über weite Strecken gehetzt, die Handlung schier unverständlich, zumindest nicht harmonisch entwickelt. Das rührt von der Vernachlässigung der politischen Dimension in Schillers auf dialektische Wechselwirkungen angelegtem Werk.

Der Klassengegensatz zwischen bürgerlicher Musikerstochter Luise Miller und adligem Präsidentensohn Ferdinand etwa. Im Bühnenbild von Stefan Mayer und im Rahmenspiel gibt es ihn noch: Die Welt der Großkopferten besteht aus einem Morast, über dem Laufstege zahllose Türen miteinander verbinden. Drunten im Morast hausen die Millers in einem kleinen, bei Bedarf aus dem Bühnenkeller hochfahrenden Glaskabuff. Morast dient als Symbol für Verkommenheit beiderseits. Vater und Mutter Miller werden von Rolf Mautz und Susanne Bredehöft als verlebte Proll-Typen dargestellt. Den Präsidenten von Walter gibt Stefan Preiss als Vertreter rüder Dekadenz, der "flatterhafte Pariserinnen" zu Tode benutzt.

Doch im intimen Zusammenspiel des jungen Paares findet sich davon kein Widerhall. Braucht"s auch nicht, könnte man einwenden, Liebe soll hier ja gerade alle Klassenschranken überwinden. Der Witz an Schillers Stück ist aber, dass die von Ferdinand aus Natur und göttlichem Willen begründete Liebe letztlich gegen machtpolitische Ranküne und Klassengegensatz nicht ankommt. Darin eben besteht das "Trauerspiel", dessen menschlicher Treibsatz der Präsidentensekretär Wurm ist, eine zwischen den Klassen gefährdete Figur, die Roland Riebeling recht treffend als frustrierten Jammerling und intriganten Drecksack zugleich spielt.

Kurzes Liebesschwärmen, dann bloß noch düstere Ahnungen und krankhafte Eifersucht, viel mehr lässt sich der Bonner Darstellung über die Liebesproblematik kaum entnehmen. Bei Jonas Grubers Ferdinand geht diese Verengung auf gefühlsduselige Affekte noch hin. Bei Luise nicht mehr, denn in diesem Mädchen hat Schiller Herzensschwere und Welterkenntnis zusammengeführt. Wenn gewollt, hätte Verena Bukal diese Ambivalenz bestimmt fabelhaft spielen können.
 
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