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2005-11-01:
"Echale salsa!"
Kuba-Pep auf der Tanzfläche

Mit etwas Verspätung schäumt die Salsa-Welle inzwischen auch am Mittelrhein mächtig auf
 
ape. „Ein, zwei, drei,“ schnipp; „fünf ,sechs, sieben,“ schnapp. „Die – Frau - dreht“, flups; „Mann - schaut - zu“, ups. Da steht er, rote Batschkapp auf dem Kopf, inmitten eines Heeres tanzwütiger Paare. Der Tanzlehrer zählt, skandiert, singt, was nachher mit Musik zur ausgelassenen Salsa-Fete aufschäumen soll. Das Café Hahn hat zum monatlichen „Mundo Caribeno“ geladen und der Schuppen ist rappelvoll schon bei den zwei der Karibik-Fete vorgeschalteten Tanzstunden. Mädels und Damen schick herausgeputzt oder im gewohnten bauchfreien Jeanslook, Jungs und Herren im Üblichen. Vom 18-jährigen Youngster bis zum Mittfünziger machen sie munter bemüht den Crashkurs mit, um wenigsten die unverzichtbarsten Grundbegriffe fürs nachfolgende Salsa-Tanzvergnügen drauf zu bekommen.
 
„Salsa“ meint so viel wie gut gewürzte Soße. „Echale salsa!“ rief in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Publikum auf Kuba seinen Musikern gelegentlich zu. Die spanische Ermunterung bedeutet etwa:  Gebt der Sache mehr Pep! Dieser Tage versteht man hier zu Lande unter Salsa einen aus Kuba stammenden, zu entsprechender Musik gut gelaunt aus Becken und Hüfte zuckenden Tanzstil. Der ist seit Mitte der 1990er in deutschen Metropolen sehr populär, mausert sich jetzt – mit etwas Verspätung – auch am Mittelrhein zum regelrechten Hype. Die Szene hat bereits ihre festen Treffpunkte. „Mundo Caribeno“ ist einer davon, das Café Hahn baut dabei auf das Know-How der Macher der gleichnamigen Köln-Bonner Party-Reihe. Die bringen dann schon mal 50 Salsa-Freaks aus dem Rheinischen mit nach Koblenz: Nicht aus Angst vor Publikumsmangel, sondern aus Lust auf neue Leute, eine andere Szene, noch mehr schweißtreibend-lockende Beckenschwünge und noch mehr von dem, was dieses Hobby augenfällig auszeichnet – Spaß, gute Laune und Lockerheit beim Tanzen.

Ein anderer Treffpunkt ist die Fete „El Circo Latino“ jeweils am letzten Freitag eines Monats im Koblenzer Circus Maximus. Seit Oktober 2004 gehört auch das Koblenzer Cafe Caribe (Mainzerstr. 90)  zum illustren Kreis der mittelrheinischen Salsa-Etablissements. In den Ausmaßen deutlich kleiner als die beiden vorgenannten, gibt es hier mehrmals die Woche Salsa-Unterricht mit anschließender Tanz-Fete; und obendrein kochen die kubanischen Wirtsleute auch noch wie daheim. Salsa sieht einfach aus, wer aber die Polyrhythmik der Musik nicht mit der Muttermilch eingesogen hat, muss mit gewissen Anlaufschwierigkeiten rechnen. Diese Erfahrung machten alle europäischen Anfänger, ob in der Salsa-Abteilung eines Kesselheimer Tanzclubs, beim Privatunterricht in Nickenich, den 2001 erstmals eingerichteten Salsa-Kursen der VHS-Koblenz oder in der Ballettschule Steps. Wie´s ausschaut, wenn Könner am Werk sind, ist etwa bei der Charity-Gala des „Club Latino Vivo Koblenz“ am 5. November in der Rhein-Mosel-Halle zu erleben.

Wie Berti Hahn in seinem Café, so baut auch Barbara Pietjou in ihrem Steps beim Salsa-Lehren u.a. auf den Bonner Knuth Leiß – das ist der Typ mit der roten Kappe, von dem Eingangs schon die Rede war (unser Foto zeigt ihn in Aktion). Im Hahn gibt der 30-jährige den einstündigen Crashkurs, bei Steps führt er in Kursen zu sechs Abenden die Eleven systematisch dorthin, wo Abtanzen zu Tanzen-Können wird. Ist Salsa ein anstrengender Tanz?, fragen wir  Pietjou. „Je komplexer, umso anstrengender. Es gibt diesen Tanz in recht einfachen Grundversionen, man kann ihn aber auch – und da wird´s dann richtig spannend – zu einem tollen Gewebe vielfältiger Figuren entwickeln.“

Für Pietjou ist die aktuelle Salsa-Welle am Mittelrhein ein Phänomen. Schon seit 1997 bietet sie entsprechende Tanzkurse an, aber erst in den letzten zwei Jahren wurde aus mäßigem Publikumsinteresse ein regelrechter Boom. Berti Hahn erinnert sich an „seine“ Salsa-Anfänge: Das waren wöchentliche Salsa-Feten seinerzeit noch in der Blauen Biwel; zwölf Jahre liegt das zurück, begann also hier am Ort schon bevor der Karibik-Boom die Metropolen eroberte. Die Sache lief damals recht gut, blieb aber über Jahre eine Einzelerscheinung. Bis eben zur großen Salsa-Welle in jüngster Zeit. Die Wege von Moden und Trends sind bisweilen rätselhaft.

„Lernen Sie die Sünde aus Rhythmus und Leidenschaft“, heißt es auf dem Werbe-Flyer des Cafe Caribe. Tänzer Gerd beschreibt, was er und die andern da tun, etwas prosaischer als „Balztanz“. Die erotische Tönung der Salsa ist unübersehbar – zumindest bei den Tanzpaaren, die jene Beginnerphase überwunden haben, in der noch jeder Schritt bedacht, jede Schrittfolge ausgezählt werden muss. Tänzerin Miriam erklärt atemlos: „Die eigentliche Tanzlust beginnt, wenn du den Kopf nicht mehr brauchst.“ Sagt´s, schwebt ab, und lässt mit raffinierter Leibeskunst selbst dem Zuseher heiß werden. Was er sieht, erinnert an das, was er gelesen hat, über die Yuka, die von heftigem Getrommel begleitete „getanzte Liebe“. Yuka ist gewissermaßen die afro-kubanische Urgroßmutter der Salsa, ein sehr erotischer, auf negroide Fruchtbarkeitsriten zurückgehender Paartanz, in dessen Zentrum heftige Beckenbewegungen von Mann und Frau gegeneinander stehen.

Die Yuka war einer der spärlichen Glücksmomente im Leben der einst als Sklaven auf die Zuckerrohrplantagen Kubas verschleppten Afrikaner. Dort hat gewissermaßen die Salsa ihre  Ursprünge, obgleich sie genau genommen eher ein aktueller, wohlfeiler Pop-Abkömmling der kubanischen Musik- und Tanzkultur ist. Als Vater kann der Son, als Mutter die Rumba gelten, beide ihrerseits Ergebnisse der Verschmelzung afrikanischer und (kolonial-)spanischer Elemente zur Kuba-Kultur. Die kulturhistorischen Zusammenhänge sind auf den ersten Blick ganz einfach, werden bei genauerem Hinschauen aber ziemlich kompliziert. Einer der Gründe dafür: Der rege Handelsaustausch zwischen Kuba und Nordamerika schon im 19. Jahrhundert, insbesondere mit der Hafenstadt New Orleans, brachte auch einen lebhaften kulturellen Austausch mit sich. Kubanische Musik (die quasi von Natur aus immer zugleich tanzbares Lebensgefühl ist) wurde exportiert. In New Orleans brachen italienische, französische, bluesige und jazzige Einflüssen über sie herein. In veränderter Form wurde die Musik nach Kuba reimportiert und dort erneut durch die Mühlen kubanischer Innovationen gedreht.

Die heutige Salsa ist eine ziemlich wilde Mixture aus allen möglichen Stilen. Und wenn wo zum Salsa-Abend geladen wird, trifft man dort meist gleich die ganze Sippe aus Rumba, Merengue, Cha-Cha-Cha, Mambo … an. Inzwischen zerfällt Salsa auf den globalen Tanzflächen schon wieder in (mindestens) zwei Hauptrichtungen: den Cuban-Stile und den New-York-Stile. Ersterer mit musikalisch deutlicheren Rückgriffen auf die kubanische Son-Tradition und einer ausgeprägten Neigung zu runden, kreisförmigen Tanzbewegungen sowohl der einzelnen Tanzpaare wie ganzer Formationen. Demgegenüber meidet der jazzig eingefärbte New-York-Stile Kreisbewegungen eher; getanzt wird vorwiegend entlang einer gedachten geraden Linie. In der hiesigen Praxis halten es die Anfänger sichtlich ganz gern mit der New-York-Linie, die etwas mehr hilfreichen Halt gibt als die leidenschaftlich-freizügige Raumnutzung des Cuban-Stile. 

Interessiert das jemand beim praktischen Hand- und Fußgemenge auf den mittelrheinischen Tanzflächen?  Muss es nicht. Mag aber sein, dass beim Verschnaufen vielleicht der eine oder die andere doch mal einen Gedanken daran verschwendet, in wessen Fußstapfen und auf welchem historischen Parkett man gerade sein Bestes gibt. 
 
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