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Kritiken Theater
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2005-12-10: Theater
Raunzender, stolzer Liliom
Das Wiesbadener Staatstheater inszeniert Molnárs Stück sehr verdichtet
 
ape. Wiesbaden. "Liliom", Titelfigur aus Franz Molnárs gleichnamiger "Vorstadtlegende", ist ein rechter Kerl. Ist Karussell-Ausrufer auf dem Rummel. Jessica Steinke hat in ihrer Inszenierung für das Staatstheater Wiesbaden den Typ gelassen, wie ihn das Stück vorstellt: Uwe Kraus spielt ihn als wuchtig-rauen Proleten, der eigene Zartgefühle nicht erträgt und zu Gewalt neigt, sobald sie ihn anwandeln. Liliom ist, wie er ist - eine ihrer selbst nicht mächtige Naturkraft.
 
Liliom redet schon bei Molnár knapp. Bei Steinke raunzt er bloß noch. Er ist, was er ist - und die Dinge sind, wie sie sind. Auf 80 Minuten werden sie in Wiesbaden verdichtet. So kurz gab"s "Liliom" nie. Und weniger Ausstaffierung sah man auch noch nicht: Die Rampe schräg ansteigend, ein bisschen weißes und rosa Licht im leeren Raum, das Übrige macht die Schauspielkunst. Diese Reduzierung ist Steinkes Methode, das bald 100 Jahre alte Stück verkitschender Gefährdung durch moralisierende Lehrmeisterei zu entziehen. Die wohnt dem ursprünglich als Milieudrama angelegten Stück nämlich inne. Diese Inszenierung interessiert sich vor allem für ein großes Rätsel: Wieso hängt sich die junge Frau Julie an einen Mann, der ihr so grob kommt wie Liliom? Einen, der sie kommandiert und schlägt. Einen, der sich zwar ihretwegen von Karussell-Besitzerin Muskat (stark: Monika Kroll) hi-nauswerfen lässt, dann aber sein Brot nicht als Hausmeister verdienen will. "Ich bin, was ich bin" - und Hausmeister-Sein gehört dazu nicht.

Hier wirkt das Geheimnis der Liebe, obgleich von Liebe nie die Rede ist. In Lilioms Sprachschatz kommt das Wort nicht vor. Julie trägt es zwar im wehen Herzen, bringt es aber nicht einmal als Selbsteingeständnis über die Lippen. Anna-Maria Kuricovás Spiel macht das Rätsel der Liebe noch rätselhafter. Denn ihre Julie ist weder ein unterwürfiges Heimchen noch doof. Sie demonstriert stillen Stolz, selbstverständliche Widerständigkeit - und bleibt doch bei dem schrecklichen Mann. Das wäre unerträglich, gäbe es nicht Einblicke in die furchtbare Alternative: die kleinbürgerliche Norm-Ehe von Julies Freundin Marie (Stefanie Hellmann) mit Wolf (Benjamin Krämer-Jenster). Gäbe es da nicht ebenso Momente, während derer jene tiefen Empfindungen aufscheinen, die in Lilioms grober Kruste eingekerkert sind: unendliche innere Bewegtheit, als er von seiner Vaterschaft erfährt; empfindsamer Widerwille gegen einen Raubmord, den sein übler Kumpan Fiscur (Hanns Jörg Krumpholz) ihm aufschwatzt; die Seele überfüllende Sehnsucht, als Liliom im Augenblick verzweifelten Selbstmordes "Julie" ruft.

Steinkes Inszenierung bleibt kurz angebunden, beobachtend, kühl im Ausdruck. Eigentümlicherweise können wir gerade deshalb den dargestellten Menschen und Mechanismen ihres Miteinander näher treten als bei manch gefühlig auftrumpfender Tragödie.
 
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