Kritiken Theater
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2006-01-23 Kritik:
Geklonter Mackie Messer als
Karaoke-Superstar
Thirza Bruncken gibt  "Dreigroschenoper" in Bonn sozialkritische Agressivität zurück
 
ape. Bonn.  Es gibt in der Theatergeschichte kaum ein Werk, das so sehr gegen die Intentionen seines Autors begriffen wurde wie die „Dreigroschenoper“. Bert Brecht versuchte mehrmals durch Nachbearbeitungen seinem   Werk jene sozialkritische Schärfe wiederzugeben, die es in seiner  unendlichen Erfolgsgeschichte unter den Beifallsstürmen des bürgerlichen Publikums verloren hatte. Vergeblich, die Songs sind Evergreens, das Werk ist zum pittoresken Gauner-Musical verkommen. Thirza Bruncken versucht es nun mit einer  Inszenierung für die  Bühnen Bonn aus dem Gefälligkeitssumpf zu ziehen und wieder mit „agressiver Kraft“ zu füllen.

Die Regisseurin überträgt Brechts urbane Milieuzeichnung ins Heute. Ausstatter Christoph Ernst stellt ihr ein mehrere Stockwerke hohes Labyrinth aus Wohnschachteln und kollektiven Schlafkojen auf die Drehbühne. Das ist: ein japanischer  Metropolen-Realität entlehnter Albtraum, zusammengezimmert aus schwedischen Holzfertigteilen. Darin hausen Männer, die mit schwarzem Wuschelkopf aus einer Klonlinie zu stammen scheinen. Darin pflegen Frauen, was die Moderne für Weiblichkeit hält: erotischen Body, erotisches Outfit, erotisches Stehen, Gehen,  Hinlegen zum Karnickelsport.

Alle träumen sie davon, die berühmte „Dreigroschenoper“ aufzuführen. Sie spielen Gauner, Bettler, Huren. Macheath (Yorck Dippe) heiratet Polly, fraternisiert mit dem Polizeichef (Raphael Rubino), wird auf Betreiben des Bettlerkönigs Peachum (Günter Alt) dennoch fast gehenkt ... Die alte Story wird auch in den Godesberger Kammerspielen erzählt  –  eine weiß befrackte Combo lässt Kurt Weills legendäre Musik dazu schnarren.
Doch die Inszenierung verweigert den  Dreigroschen-Nostalgiespaß. Wiederholt stürzt eines der Mädels in eine Art Telefonzelle, in der es ruckend-zuckend zum Pop-Playback ein paar Sekunden in ein Mikro grölt:  Einsames Karaoke-Vergnügen als Kommunikationsersatz.

Überhaupt  erinnert, was auf der Bühne geschieht, bisweilen stark an eine Karaoke-Party.  Jeder trägt ein fettes Handmikrofon bei sich. Kommt es zum Einsatz, mimen die Sänger, was in heutzutage einschlägigen Wettbewerben eben so gemimt wird: Ich bin ein Superstar.

Spannend, wie die Brecht-Weill-Songs hier neuerlichen Versuchen wohlfeiler Erniedrigung widerstehen. Die wunderbare Patrycia Ziolkowska mag zum Lied der „Seeräuber-Jenny“ sich noch so sehr als Rockstar gerieren, ihre Polly  bleibt Jenny  – die lässt Köpfe rollen, nicht Bohlens triumphieren. Das sind dann die Momente, in denen ur-brechtsche Boshaftigkeit wirkt: Das Bemühen der Spieler um modische Trendtreue fährt einfach gegen die Wand.

Zurück bleiben Protagonisten, denen die Regie kaum Raum für Individualität lässt. Logisch, stirbt in dieser, unserer Wohnschachtelwelt doch Indiviualität gerade aus. Ersatz bietet die Nachahmung medial vorgestanzter Figuren – wie sie etwa jene japanischen Manga-Comics bevölkern, die wiederholt über die Szene flimmern. Dies denkend, verschwinden viele der Fragezeichen, die Thirza Bruncken auch provoziert. Von der gewohnten „Dreigroschenoper“ bleibt wenig. Tückischen Brecht- Blick auf die elende Seite unserer Zeit gibt´s diesmal hingegen  viel.
 
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