Kritiken Theater
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2006-02-06 Theater:
Mainzer "Dreigroschenoper" harmlos
Irmgard Lange inszenierte den populären Klassiker im 50. Todesjahr von Bert Brecht
 
ape. Mainz. Mozart, Mozart über alles. Und an den armen Bertolt Brecht denkt mal wieder keiner? Doch. Nach dem Schauspiel Bonn vor zwei Wochen, erinnert nun auch das Staatstheater Mainz an den deutschen Dramatiker und Dichter. Am 14. August jährt sich dessen Todestag zum 50. Mal. Wie Bonn, so geht auch Mainz mit Brechts berühmtestem und populärstem Werk ins Gedenkjahr: der "Dreigroschenoper".
 
"Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" Das ist für Mackie Messer keine Fragen, denn ihm hängt der Strick schon am Kragen, weil er als kleiner Gauner tat, was die großen Gangster geschäftlich tun. Am Ende wird Irmgard Langes Inszenierung der "Dreigroschenoper" am Staatstheater Mainz dann doch noch politisch: Indem sie ganz nah am Brechtschen Text bleibt und die an diesem Abend reichlich strapazierte Varietékalauerei einfach mal sein lässt.

Zu spät. Weshalb Mainz leider auf den Genuss einer veritablen Kontroverse verzichten muss, wie sie in Folge von Thirza Brunckens Einrichtung des gleichen Stückes derzeit die Theaterfreunde in Bonn erregt. Im Rheinland ward der Versuch unternommen, dem Haifisch wieder antikapitalistische Zähne einzusetzen, die ihm über die Jahrzehnte unter den Beifallsstürmen des bürgerlichen Publikums ausgefallen waren. Brunckens Aktualisierung der "Dreigroschenoper" als Gegenwarts-Comic mit modernem Klon-Personal bei entseelter Karaoke-Fete in überbevölkerter Wohnschachtelgroßstadt kam beim Bonner Publikum hart an.

In Mainz hingegen dürfen sich die Zuseher über einen netten Abend freuen, über einen interessanten Bühnenbau, szenischen Einfallsreichtum und etliche fabelhafte Spiel- und Singleistungen. Nicht belasten müssen sie sich mit ästhetischem Befremden und unberechenbarem Nachdenken darüber, ob nicht die Brechtsche Moritat noch mit der eigenen Lebenswirklichkeit zu schaffen hat.

Irmgard Lange hat sich erklärter Maßen mehr für "das Vitale, das Ironische" des Werkes interessiert als für seine politische Dimension. Das sieht man: Äußere Form erdrückt, was spannender Inhalt hätte sein können - mit Verlaub: bei Brecht noch immer sein muss.

Dabei kennt Lange ihren Brecht gut. Das zeigt schon die Bühnenanlage von Frank Hänig: Eine von Gossen gesäumte Straßenfläche zwischen beidseitigen Zuschauerpodesten. Das ist "London", wird ausgerufen, auf den Boden projiziert. Wer"s nicht glaubt, dem hilft Bühnenregen und der mit einem Mininebelwerfer hantierende Moritatensänger (Ladislaus Löliger) auf die Sprünge. Der Abend steht getreulich zu Brechts V-Effekt, Verfremdungstechnik, Antiillusionismus. Kein schöner Schein nirgends. An der Wäscheleine über der Bühne baumeln Bettlerkluften. Macheath" Mannen rüpeln entnaturalisiert im Mafia-Look umher. Dazu gibt"s Bratwurscht und spielt der Kanaldeckel Drehbühne. Daneben steckt im Asphalt ein Trampolin - das macht den, der darüber geht, komisch.

Nachher wird als Stadtgefängnis ein Raubtierlaufkäfig herabgelassen, montiert aus metallenen Bettrosten. Eine tolle Idee, einer von vielen wunderbar launigen Verweisen auf - Launigkeit und ehemalige Dreigroschenseligkeit. Anbei jede Menge Vitalität beim Personal. Ewig laut und mannhaft schäumend der Gangsterboss (Götz Schulte) nebst Bande. Die Herren leiden allesamt an der Show-Krankheit: Mehr scheinen als sein, das aber mit Verve. Dazu tritt Inka Löwendorf als zwar kreischig nervende Göre Polly, freilich ausgestattet mit umwerfendem Sexappeal und den Brecht/Weillschen Songs als passend stimmrohes Medium dienend. Fast Gleiches lässt sich von Tatjana Kästel in der Rolle der Lucy sagen.

Ausdrückliche Anerkennung verdienen drei Veteranen des Ensembles. Stephan Bieker gibt einen formidablen Polizeichef Brown. Die alte Bettlerkönigin Peachum wird bei Stefanie Kampe zur fabelhaft verlodderten Schürzenfurie, ihr Gatte Jonathan gewinnt bei Michael Günther die Statur eines coolen Börsenmaklers. Zu laut, zu aufgesetzt, zu eindimensional sind sie alle, folgen darin aber sichtlich dem Inszenierungsansatz.

Leise Momente diktieren die auch in ihren Tiefendimensionen unverwüstlichen Songs. Leise Momente kommen in Mainz mit den Huren auf die Bühne: Mit den Verwüstungen an den Leibern der älteren, mit dem in Lederstraps verschnürten Sehnen der noch nicht verbrauchten Spelunken-Jenny (stark: Ramona Nagler). Eine hübsche "Dreigroschenoper", und so harmlos.
 
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