Thema Kultur
Thema Menschen / Initiativen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2006-02-17:
"Denk ich an Deutschland in der Nacht"
Vor 150 Jahren starb der deutsche Dichter, Reiseschriftsteller, Journalist und Feuilletonist Heinrich Heine im französischen Exil
 
ape. Deutschland und seine Dichter. Verteufelung, Vergötterung und Vergessen liegen eng beieinander. Im Fall Heinrich Heines währte die Verteufelung länger als bei fast jedem anderen unserer Dichter. Keiner wurde so lange mit solch einem Hass verfolgt wie der Düsseldorfer Jude. Heute vor 150 Jahren starb der Verfasser von "Die Lore-Ley" und "Die schlesischen Weber".
 
Das Ausmaß der Anfeindungen, die der vermutlich 1797 geborene Heinrich Heine zu Lebzeiten und danach in Deutschland erfuhr, steht in direktem Bezug zur enormen Bedeutung, die das Schaffen dieses Schriftstellers nicht allein für die Literatur hatte. Deutlich wird das am Umgang der Deutschen mit seinem berühmtesten und gerade fürs nördliche Rheinland-Pfalz bis heute so gewichtigen Gedicht "Die Lore-Ley".

"Ich weiß nicht was soll es bedeuten..." - die später von Friedrich Silcher vertonten Verse hatte Heine 1823 verfasst. Bald in ungezählten Übersetzungen auch weltweit verbreitet, fand das Gedicht schnell Eingang ins Schatzkästlein deutscher Populärdichtung. Selbst die Nazis wagten nicht, es aus den Schulbüchern zu entfernen. Eines jedoch taten sie: Sie beraubten die Verse ihres Dichters und vermerkten unter dem Loreleylied "Verfasser unbekannt". Hass, Ressentiments und auch behördliche Nachstellung verfolgten Heinrich Heine zeitlebens, und sie wirkten lange nach, sehr lange. Vier seiner Werke landeten auf dem vatikanischen Index; erst 1967 hob Papst Paul VI. das Leseverbot für Katholiken auf.

Bezeichnender noch ist, dass in Düsseldorf über mehr als 20 Jahre ein bitterer Streit darum geführt wurde, ob die dortige Universität nach dem wohl bekanntesten Sohn der Stadt benannt werden darf. Die Namensgebung war 1968 beantragt worden - erst 1980 gaben sich die konservativen Gegner einer solchen Benennung geschlagen. Seither gibt es in Düsseldorf eine Heinrich-Heine-Universität.

Nachhaltige Feindschaften

Womit hat sich dieser Dichter, Reiseschriftsteller, Feuilletonist und Journalist solch ausgreifende und nachhaltige Feindschaften zugezogen? Da kommt allerlei zusammen. Vorneweg seine Geburtsherkunft als (deutscher) Jude; ursprünglich hieß er Harry Heine. Der Knabe wuchs in einem assimilierten jüdischen Elternhaus auf, konnte dank der Wirkkraft des napoleonischen Code Civil und später (1812) des preußischen Emanzipationsedikts auch als Jude das Düsseldorfer Lyzeum besuchen. Doch die Anerkennung der Juden als gleichberechtigte Bürger war eine wackelige Angelegenheit: Die Rechte wurden jeweils bald wieder eingeschränkt.

1822 schließt Preußen Juden von allen Lehrämtern aus - der in Bonn, Göttingen und Berlin Jura studierende Heine weiß nicht, wie es beruflich weitergehen soll. Weshalb Harry 1825 kurz vor der Erlangung seiner Doktorwürde zum Protestantismus konvertiert und sich auf den Namen Christoph Johann Heinrich Heine taufen lässt. Das "Entreebillett zur europäischen Kultur", wie Heine den Taufschein nennt, nützt ihm allerdings nichts: Staat und Gesellschaft mochten auch den konvertierten Juden nicht die Leiter hinauf lassen.

Heine bleibt ein Ausgestoßener und entschließt sich, seinen Lebensunterhalt als freier Schriftsteller zu verdienen. Ein für damalige Verhältnisse recht ausgefallenes Unterfangen. Aber der Jungautor hatte schon in den 1820er-Jahren ganz ordentlich reüssiert. Seine frühen Gedichte kommen mit ihrem romantischen, teils volksliedhaften Ton gut an. 1827 gibt er sein berühmt gewordenes "Buch der Lieder" heraus, "die Bibel aller enttäuschten Liebhaber" wie die "Tageszeitung" (TAZ) unlängst süffisant-treffend beschrieb. Bereits in diesem frühen Stadium macht sich eine Heinesche Eigenart bemerkbar, die nachher manchen seiner Zeitgenossen zur Weißglut bringen soll: So sehr der Dichter sich auch im wertherschen Leidensgestus vergeblicher oder enttäuschter Liebe ergeht, ironische Brechungen sind vielfach nicht weit.

Mit spitzer Feder, frechem, oft frivolem Mundwerk wird Heine zum Überwinder der Romantik. Er selbst nennt sich einen "entlaufenen Romantiker". Das Literarische Quartett, neulich zu seinen Ehren im ZDF, stellte fest, Heine habe "den deutschen Idealismus und die Romantik dekonstruiert". Was ebenso richtig ist, wie es aus der Zeitentwicklung heraus zwangsläufig war: Denn im Gefolge von Herzens-, Natur- und Erhabenheitslyrik machte sich zusehends breit, was für einen weltoffenen Geist wie Heine so unerträglich war, dass er zeitlebens dagegen polemisierte: Blut- und Bodenpoesie, Deutschtümelei, Fremdenhass. "Ich spreche von der Partei der so genannten Repräsentanten der Nationalität in Deutschland, von jenen falschen Patrioten, deren Vaterlandsliebe in nichts anderem besteht als in einer idiotischen Abneigung gegen das Fremde."

Wo die Burschenschaften die deutsche Nation besingen, vernehmen Heinrich Heine und Kollegen wie Ludwig Börne, Georg Büchner, Georg Herwegh oder Ferdinand Freiligrath zurecht bereits Nationalchauvinismus, Übermenschengetöse und auch Kriegsgetrommel. Heine schrieb: "...auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Hass des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wusste als Bücher zu verbrennen!"

Heine zieht ungeniert vom Leder, als Dichter, als Reiseschriftsteller, als Journalist gleichermaßen. Ein ums andere Mal hat der längst über die deutschsprachigen Lande hinaus bekannte Schreiber die preußische Zensur am Halse. Er wird daheim angefeindet als Jude, Nestbeschmutzer, Fremdling, Franzosenfreund, Schänder der deutschen Sprache. Die Angriffe sind scharf, des Schriftstellers Reaktionen nicht minder: "Wenn man so viele Herrlichkeiten bei Fremden sieht, gehört wirklich eine ungeheure Dosis Patriotismus dazu, sich immer noch einzubilden: das Vortrefflichste und Köstlichste, was die Erde trägt, sei ein - Deutscher!"

1831, nach Ausbruch der Juli-Revolution in Frankreich, siedelt Heine - der Bedrängnis daheim überdrüssig - fürs erste nach Paris um. Die Stadt wird ihm endgültig zum Exil, als seine Werke 1833 erst in Preußen, 1835 in allen Staaten des Deutschen Bundes verboten werden. Die Trennung von der Heimat belastet ihn bis zu seinem Tod schwer. Denn mindestens ebenso groß wie die Liebe zu den Frauen ist Heines Liebe zu Deutschland: "Ich liebe sogar im Grunde das Deutsche mehr als alles auf der Welt, ich habe meine Lust und Freude daran, und meine Brust ist ein Archiv deutschen Gefühls." Aber dieses Gefühl hat mit Freiheit und Weltoffenheit, mit aufgeklärtem Geist und Humanismus, mit Schönheit und Genussfähigkeit zu tun, nicht mit Knechtung, Untertanentum, Ordnungsfanatismus oder völkischer Nationalarroganz. Es ist gerade diese Liebe zu Deutschland, die des Dichters Kampf gegen tumben Nationalismus motiviert.

Um den Schlaf gebracht ...

Heinrich Heine erkennt im "Teutomanismus" früh den Schoß, der nachher die schrecklichsten Monster gebiert. Er fürchtet von Paris aus um sein Land; fürchtet um die Mutter in der Heimat: "Denk' ich an Deutschland in der Nacht, / Dann bin ich um den Schlaf gebracht. / Ich kann nicht mehr die Augen schließen / und meine heißen Tränen fließen." beginnen die "Nachtgedanken" von 1843. Seine Schreibe wird von Jahr zu Jahr politischer. Seine Dichtung nimmt sich der sozialen Frage an, streitet gegen Feudalismus und für die Republik. Heine trifft Friedrich Engels, schreibt auch für die Zeitung von Karl Marx. Er sympathisiert mit dem Marxismus und ängstigt sich sogleich davor.

Doch so ernst seine Anliegen sind, so heftig seine Gesellschafts- und Geisteskritik auch ausfällt, nie verliert der Schriftsteller den leichten, spöttischen Zungenschlag, seinen brillanten Witz, seine unvergleichliche Ironie. Es ist schon der Ton selbst, der Front macht gegen das Pathos deutscher Unkultur, der freilich auch genüsslich stichelt gegen die Schwere und den Ernst deutscher Kultur von Goethe bis Hölderlin. Den Ton behält Heine, trotzt damit dem Krankheitselend, das ihn in Paris sein ganzes letztes Lebensjahrzehnt plagt, ihn in "die Matratzengruft" zwingt. Am 17. Februar 1856 stirbt Heinrich Heine in Paris. Er stirbt nicht einsam, nicht vergessen, sondern berühmt, geachtet, geliebt - und von den deutschesten Deutschen mit brennendem Hass verfolgt.
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken