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2006-03-08:
Als der Weltkrieg nach Hause kam

Einige Anmerkungen zum ZDF-Zweiteiler „Dresden“

 
ape. In der Nacht des 13. Februar 1945 legten britische Bomber Dresden in Schutt und Asche. Das ZDF hat die historischen Ereignisse zum Anlass für einen TV-Spielfilm genommen – „die teuerste deutsche Fernsehproduktion aller Zeiten“. Jeweils rund 12 Millionen Zuschauer haben den Zweiteiler  gesehen. „Dresden“, bloß ein wohlfeiler Quotenrenner oder die sinnvolle Aufbereitung der Schrecken des Krieges mit den Mitteln des Fernsehfilms?
 
„Diese verdammten Amerikaner, dieser verdammte Krieg.“  Mit diesem zweigeteilten Satz umreißt Krankenschwester Anna gleich zu Anfang des 180-minütigen Fernsehfilms „Dresden“ eines der Grundprobleme in der deutschen Wahrnehmung des „Bombenkrieges“ der Aliierten gegen die Städte im Nazi-Reich. Die junge Frau assistierte gerade stundenlang bei  Operationen elend zugerichteter Bombenopfer. Besagter Satz fällt in der Pause danach und beim Blick auf Rauchsäulen am Horizont.

Februar 1945, der Zweite Weltkrieg neigt sich dem Ende zu: Er ist zurückgekehrt an seinen Ursprungsort – die letzten Schlachten werden auf deutschem Boden und in deutschen Städten geschlagen. Der Himmel darüber gehört den alliierten Fliegern, sie lassen Tod und Verderben unterschiedslos auf Soldaten und Zivilisten herabregnen. Ihr Ziel: Deutschland mit allen Mitteln zur Kapitulation zwingen, den Krieg möglichst schnell beenden. Obwohl das nur noch eine Frage von Wochen, vielleicht Tagen ist, schwadroniert die NS-Propaganda weiter vom Endsieg, werden Raketenwaffen auf London abgefeuert.

„Diese verdammten Amerikaner, dieser verdammte Krieg.“ Felicitas Woll lässt ihre Anna den zweiten Teil des Satzes wie eine Korrektur des ersten sprechen. Und sie gibt damit einen Tenor vor, den der Film als ganzes dann auch durchhält: Was die Bomber anrichten, ist entsetzlich, aber schuld sind nicht die Flieger. Schuld ist das Räderwerk des Krieges, und das wurde von Nazi-Deutschland in Gang gesetzt. Der Bombardierung des mit Flüchtlingen vollgestopften Dresdens fallen einige zehntausend Menschen zum Opfer - ein taktischer Schachzug im alliierten Generalstabsplan.

Der wiederholte Kameraschwenk ins britische Bomberkommando zeigt nachdenkliche Offiziere, die ahnen, was sie anrichten, dennoch als Rädchen im Räderwerk der Kriegsmaschine funktionieren. Oben in der Luft üben die Flieger ihr Kriegshandwerk aus. Die Wirkung ihres Tuns auf die Menschen unten bleibt ihnen damals ebenso abstrakt wie heute dem Hightech-Schützen beim Angriffsflug auf Bagdad. Wenn die Kriegsmaschine läuft, sind „Verluste“ nur mehr oder minder treffend kalkulierte statistische Größen – in jedem Krieg.

Es ist vielleicht der interessanteste Aspekt dieses Films, dass er einen britischen Bomberpiloten ins Zielgebiet britischer Bomber versetzt: John Light muss als Robert unmittelbar erleben, was seine „Zunft“ in Dresden mit Menschen macht. Der Krieger wird zum Opfer inmitten zahlloser anderer Opfer, der Feuersturm macht keine Unterschiede zwischen Freund und Feind. Deshalb auch wurden Dresden und Hiroshima zum Symbol für die Schrecken des modernen Krieges und nicht zum dauerhaften Pranger gegen die Feinde von damals.

Es sind vor allem die letzten 45 Minuten des TV-.Zweiteilers „Dresden“, die seine Wirkung ausmachen, auch und gerade für die Nachkiegsgeborenen. In den Augenblicken, da alles Vertraute verbrennt, jede Verlässlichkeit sich auflöst, man Luft nicht mehr atmen, Erde nicht mehr betreten kann und Leid zum letzten Gefühl wird, das einen noch mit dem Leben verbindet, in diesen Augenblicken beginnt für den Zuseher das Begreifen dessen, was Menschsein ausmacht. Und plötzlich kommt einem wieder zu Bewusstsein, was sich in den Jahrzehnten seit 1945 Zug um Zug abgestumpft hat: Dass Krieg, jeder Krieg, seinem Wesen nach ein Verbrechen gegen die  Menschlichkeit ist.

Dazu trägt das Übrige dieses Films eher wenig bei. Freilich, es handelt sich um einen Spielfilm, mithin ist eine Spielhandlung legitim. Die fällt hier im Kern allerdings sehr melodramatisch aus, überschreitet häufig die Grenze zum televisionären Kitsch. Der Regie-Gedanke liegt auf der Hand: Je näher der Zuseher den handelnden Personen anfangs kommt, umso größer die Betroffenheit bei den nachherigen Ereignissen. Die Rechnung geht nur bei wenigen Protagonisten auf. Etwa bei Maria (Marie Bäumer), die zu ihrem jüdischen Ehemann (Kai Wiesinger) hält. Oder bei Anna, solange Felicitas Woll sie als nach Lebensfreude gierende junge Frau spielen darf, und nicht die in überirdischer Liebe Entflammte geben muss. Weniger Love, weniger Crime, weniger Novela wäre mehr gewesen.

Was die politischen Dimensionen angeht, agiert „Dresden“ allerdings klüger als etwa der Kinofilm „Der Untergang“ über die letzten Tage in Hitlers Führerbunker. Die Kriegsschuldfrage ist eindeutig beantwortet, die „Endlösung“ thematisiert, die NS-Brutalität gegen das eigene Volk ebenso dingfest gemacht wie der wahnwitzige Durchhaltewille bei Teilen des selbigen. Und zu keinem Zeitpunkt kann der Verdacht aufkommen, der Film rechne die Bombentoten von Dresden gegen die Millionen Opfer des Nazi-Regimes auf. In dieser Hinsicht ist „Dresden“ historisch ausgewogen – und der Streifen deshalb letztlich doch jenem Anliegen dienlich, das der Pastor der Frauenkirche im Gegenwarts-Epilog mehrsprachig formuliert: „Friede sei mit euch.“        
 
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