Thema Gesellschaft / Zeitgeist
Thema Wissenschaft / Bildung
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2006-04-06 Analyse-Serie:
Die Weltbevölkerung muss schrumpfen

Wider die Hysterie in der deutschen Geburtendiskussion - Teil 3
 
ape. Dank Aufklärung, Verhütungsmitteln, Frauenbildung und -emanzipation hat sich das Wachstum der Weltbevölkerung inzwischen etwas verlangsamt. Ein Trend, den die UNO begrüßt – allerdings stets verbunden mit der Warnung, dass die Zuwachsraten noch immer viel  zu hoch sind.
 
Es verbreitet sich allmählich der Verdacht, dass das Wachstum der globalen Population, ihrer Wirtschaft und ihres Konsums deutlich über das Maß des Vertretbaren hinausgeht. Der Klimawandel ist nur eine der signifikantesten Folgen davon. Doch der ökonomische Mainstream betreibt Business as usual, als gelte noch immer die Berechnung des Herrn Süßmilch von 1741, wonach die „Tragfähigkeit der Erde“ 14 Millarden Menschen betrage.

Es sollen nicht die  Errungenschaften des modernen Umweltschutzes weggeredet werden. Aber es steht doch zu befürchten, dass die schönen, indes vergleichsweise bescheidenen Fortschritte ökologisch orientierter Politik und Lebensweise vom globalökonomischen Gang der Dinge platt gewalzt werden. Denn zur problematischen Expansionswirtschaft der alten Industrieländer kommt nun auch noch der  begreifbare Drang der Schwellen- und Entwicklungsländer, nach Jahrhunderten ihren Anteil am Wohlstand haben zu wollen (siehe China).

DIE DRITTE WELT ZIEHT NACH

Wer einen Blick auf und ein bisschen Verantwortungsgefühl für die Zukunft des Planeten hat, dem sollte klar sein: Im globalen Maßstab betrachtet, kann die Reduzierung der Geburtenrate als Hoffnungsschimmer gelten. Deshalb begrüßt die UNO den Geburtenrückgang in Europa und die Wirkung der Ein-Kind-Politik Chinas. Deshalb ist die Eindämmung, letztlich der Stop des globalen Bevölkerungswachstums ein zentrales Ziel der Weltorganisation.

Bei UNO,  Entwicklungshelfern und Bevölkerungswissenschaftlern gilt neben Sexualaufklärung und Verbreitung von Verhütungsmitteln die Bildungsförderung  für Frauen als wesentliches Instrument zur Senkung der Geburtenrate. Warum? Weil es einen statistischen Zusammenhang zwischen der Schulbildung der Frauen und der Zahl der Kinder gibt, die sie zur Welt bringen. Ein Beispiel für viele: In Honduras gebären Frauen ohne Schulbildung durchschnittlich 7,1 Kinder, solche mit Grundschulbildung 5,3 Kinder und Frauen mit höherer Schulbildung  2,9 Kinder. Diese  Gesetzmäßigkeit findet sich in jedem Erdteil wieder; nur dass in Afrika die Kinderzahl in allen Kategorien noch höher und in Europa insgesamt erheblich niedriger liegt. Doch generell gilt: Je höher der Bildungsgrad der Frauen, umso niedriger im Durchschnitt die Kinderzahl. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es handelt sich hier um ein statistisches Faktum, keineswegs um ein moralisches oder soziales Werturteil hinsichtlich individueller Einzelentscheidungen.

Auf breiter Front zu durchgreifender, die globale Geburtenrate messbar beeinflussender Wirkung kommt dieser Zusammenhang allerdings erst seit etwa 40 Jahren. Genauer: Seit Beginn des Siegeszuges der Antibabypille und damit der jüngsten Welle der Frauenemanzipation. Da beide, eng miteinander verwobenen, Prozesse in den Industrieländern zuerst begannen und dort am weitesten fortgeschritten sind, liegt folgerichtig die Geburtenrate dort auch am niedrigsten.

In den 1960er-Jahren bekam die Menschheit mit der Pille erstmals in ihrer Geschichte ein effektives, massentaugliches Verhütungsmittel an die Hand, das die Zeugung verhindert, ohne dazu Sexualitäts-Einschränkung oder -Verzicht zu verlangen. Und, ganz wichtig: Es war/ist ein Verhütungsmittel, das der Anwendungshoheit der Frauen untersteht; ein Verhütungsmittel, dessen Anwendung der physischen Mitwirkung des Mannes nicht mehr bedarf.

Seither gehen die Geburtenraten Zug um Zug zurück. Sollte sich diese Tendenz fortsetzen, prognostiziert die Wissenschaft einen Umkehrpunkt in der Entwicklung der Weltbevölkerung bei einem Maximum von etwa neun Milliarden Menschen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Geburtenraten nicht wieder steigen – auch in in den Industrieländern nicht. Im Grundsatz lässt sich die These formulieren: Die Zukunft der Spezies Mensch hängt wesentlich davon ab, dass sie auch global möglichst rasch in eine längere Phase negativen Wachstums, also der zahlenmäßigen Schrumpfung eintritt.

82 MILLIONEN DEUTSCHE SIND KEIN MUSS

Möglicherweise sinkt die deutsche Bevölkerung bis 2050 von 82 auf 75 Millionen. Josef Joffe erinnert in seinem „Zeit“-Artikel „Kinderschwund – Na und?“ daran, dass das immer noch 30 Millionen mehr wären als bei der zweiten Reichsgründung 1871, und fünf Millionen mehr als zum Zeitpunkt der größten Ausdehnung von Hitlers Drittem Reich 1942. Nichts spricht demnach dafür, die heutige Bevölkerungsstärke in Deutschland als Normalität, als absolute Messlatte oder als unverzichtbares Muss zu betrachten.

Dass Produktivität keine Frage der Kopf- oder Händezahl ist, lehrt uns die Arbeitsgeschichte, und lehrt uns ziemlich schmerzlich deren Gegenwart. Noch zur Mitte des 20. Jahrhunderts waren rund 50 Prozent der Deutschen Bauern nebst Angehörigen. Heute sind es noch zwei bis drei Prozent – und dennoch ist die deutsche Landwirtschaft eine der produktivsten weltweit. Gleiches gilt im Grundsatz für die Industrie: Sie Exportweltmeister – dank steigender Produktivität bei sinkenden Beschäftigtenzahlen.
Warum dann eigentlich die hiesige Kindernotstandshysterie? Wegen der Rentenkasse! Zu wenige Junge könnten zu viele Alte nicht mehr aushalten, geht die verbreitete Logik. Indes: Wir hätten diese und manch andere Diskussion gar nicht oder nur in sehr viel gelassenerer Form, stünden von unseren fünf Millionen Arbeitslosen vier Millionen steuer- und abgabenpflichtig in Lohn und Brot. Will sagen: Das Problem der Rentenkasse ist weniger ein Problem von zu geringer Kinderzahl, eher ein Problem der Beschäftigungsquote. Und das lässt sich nun mit mehr Kindern gerade nicht beseitigen!


  Zum Teil 4 hier klicken: Ohne Arbeit helfen mehr Kinder
der Rente ziemlich wenig
 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken