Kritiken Theater
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2006-04-23 Musiktheater:
Eine bunte Epochen-Show im "Ballhaus"
Zeitreise-Revue mit Unterhaltungwert, aber ohne Kunstwert am Stadttheater Koblenz
 
ape. Koblenz. Nach der jüngsten Premiere am Stadttheater Koblenz befragt, was denn „Das Ballhaus“ für ein Stück sei, kommt man in Erklärungsnöte. Das Programmheft nennt es „Schauspiel“, obwohl kein einziges Wort gesprochen wird. Eine Oper ist es auch nicht, dafür reicht der Schängel-Klatschmarsch einer kurzzeitig hereinbrechenden Narrenschar nicht hin. Hauptausdrucksmittel während des Abends sind zwar Tanz und Pantomime;  weil aber gut die Hälfte der Akteure Schauspieler und keine Tänzer sind, mag man auch von Ballett nicht sprechen. Was bleibt da  noch zur Klärung? Tanztheater, Musical, Revue, Show.
 
Wortklauberei? Mitnichten, denn aus dem Begriff ergeben sich Maßstäbe der Beurteilung. Nennt man das Koblenzer „Ballhaus“ eine Zeitreise-Show, ist es von passabler Kurzweiligkeit. Spricht man von Tanztheater, ist es ein Fiasko. Will sagen: Der Abend hat einen  recht hohen Unterhaltungswert, aber einen sehr niedrigen Kunstwert. Mag sein, dass von dieser Diskrepanz der Meinungsunterschied zwischen jubelnder Mehrheit und enttäuschter Minderheit der Premierenbesucher herrührt.

Karel Spanhak hat als Bühne einen historisierenden Tanzpalast gebaut, der über eine große Freitreppe betreten wird. Bar und Café-Tische an den Seiten, dazwischen die freie Tanzfläche. Dort entfaltet sich das 20. Jahrhundert als chronologische Episoden-Revue. Die ist wortlos, spricht in Musiken, Tänzen, Situationen vom Wechsel derselben. Spricht mit einer sogar in Koblenz nie dagewesenen Kostüm- und Umkleideorgie (Gera Graf) über  Modegeschichte vom Gehrock zum Anzug zur Uniform zur Hippiekluft zum Yuppie-Smoking, vom wilhelminischen Witwenkleid zum Petticoat zum Minirock zum Businesskostüm.

Nett. So nett wie der nostalgische Blick auf die Gesellschaftstänze von ehedem bis heute, nebst Wiederbegegnung mit den jeweiligen Musikmoden. Was uns aber mehr interessiert, ist das Miteinander der Menschen im Wandel der Zeiten. Regisseur Werner Trizschler hatte das wohl auch im Sinn –  gemäß dem Vorbild des Théâtre du Campagnol sowie des Filmes „Le Bal“ (1983) von Ettore Scola.

Leider driftet die Inszenierung bald von den Vorbildern weg – und ersäuft die eigenen, anfangs durchaus erkennbaren, Ansätze für ein lebendiges Beziehungskaleidoskop aus Gesten, Blicken, Andeutungen. Worin? In plakativem Manierismus, der statt Charakteren Archetypen vorführt, der keine Beobachtungen anstellt und nichts fragt, sondern vorgefasste Erwartungen mit landläufigen Stereotypen bedient.
 
Es sind viele Faktoren, die  dazu führen. Darunter ganz praktisch die Gleichmacherei von tänzerisch dilettierenden Schauspielern mit Ballettprofis. Auch Anthony  Taylor kann nicht zusammenwachsen lassen, was nicht zusammen gehört. Ehrenwert Tritzschlers Bemühen um politische Korrektheit. Aber NaziTerror und Weltkriegs-Leid bleiben dabei ebenso äußerliche Marken wie nachher die in dicken Qualmschwaden eher müde abgehenden Hippie- und Disco-Happenings.

Zwei Akteure seien aus dem 25-köpfigen Ensemble herausgehoben, weil sie es schaffen, ihr ureigenes  Ausdrucksvermögen zumindest zeitweise als hintergründige Kunst gegen die wuchernde Show-Ästhetik zu behaupten: Die Tänzerin Irina Golovatskaia und der Narr im Stück, Schauspieler Bernd Rieser.
 
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