Kolumne Begegnungen regional
Thema Menschen / Initiativen
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2006-05-06 Begegnung:
Beate Reifenscheid und die Moderne

Leiterin des Ludwig Museums Koblenz über internationalen und regionalen Erfolg
 
ape. Koblenz. Der Standort könnte prominenter nicht sein. Gleich neben dem Deutschen Eck beherbergt das Deutschherrenhaus eine der jüngsten Kunsteinrichtungen der Stadt Koblenz: das Ludwig Museum. Seit 14 Jahren präsentiert es in historischem Umfeld moderne Kunst - und hat es damit nicht immer leicht. Doch Museumsleiterin Beate Reifenscheid ist bei der "Begegnung"  guter Dinge.
 
Das Ludwig Museum am Deutschen Eck ein Lieblingskind der Koblenzer zu nennen, wäre wohl verfehlt. Zumindest gehen die Ansichten über das 1992 eröffnete Kunstdomizil so weit auseinander, dass selbst einige Ortspolitiker schon allen Ernstes darüber nachdachten, es lieber wieder zu schließen. "Aktuell ist das kein Thema", meint Beate Reifenscheid, seit 1997 Chefin des Hauses. "Nach so vielen Jahren nicht mehr; und jetzt, vor der Buga, sowieso nicht." Aber man weiß ja nie; weshalb sie prophylaktisch mit Verve erklärt: "Ich fände es unglaublich, ein solches Haus zu schließen. Die Stadt verfügt mit dem Museum über ein originäres Pfund. Keine der örtlichen Kultureinrichtungen hat eine so internationale Zugkraft wie das Ludwig Museum."

Reifenscheid spricht die großen Worte in größter Selbstverständlichkeit aus, lächelt dazu frisch und unbefangen. Ist"s Selbstüberschätzung, ist"s überdrehtes Werbegeklapper? Ist es nicht. Die Mutter zweier Kinder meint, was sie sagt: "Ludwig kennt man in New York, Moskau, Sydney oder Tel Aviv eher als das Koblenzer Stadttheater, die Rheinische Philharmonie oder selbst die Festung Ehrenbreitstein." Da wird nun mancher Einheimische erstaunt die Augen aufreißen und ungläubig den Kopf schütteln. Trotzdem hat die Herrin im Deutschherrenhaus vermutlich Recht. Denn mit dem Namen Ludwig verbindet sich eine der bedeutendsten Kunstsammlungen auf Erden, verteilt auf 19 Museen weltweit, von denen das Kob-lenzer eines ist. Und zusammengetragen hat die Sammlung Peter Ludwig - 1925 wo geboren? Richtig, in Koblenz.

Es mag einem gefallen oder nicht, aber man darf durchaus annehmen, dass der 1996 verstorbene Peter Ludwig auf der globalen Bühne heute ein bekannterer Koblenzer ist als Peter Altmeier oder selbst Joseph Görres. Eben wegen jener überragenden Kunstsammlung - von der 150 Dauerleihgaben zum Bestand des Museums Ludwig am Ort gehören. Der umfasst vor allem junge französische Moderne. Die nämlich ist der Spezialauftrag des Koblenzer Museums im Verbund der Ludwig-Dependancen.

Von daher, von der Gegenwartskunst, rührt allerdings wohl auch die Distanziertheit, die mancher Kob-lenzer gegenüber diesem Museum nie ganz loswurde. Fremde Ästhetik, unverständliche Chiffren, irritierende Abstraktheit, provozierende Blickwinkel: All das Unvertraute jenseits ansprechender Gegenständlichkeit macht die zeitgenössische Kunst vielen Zeitgenossen eben doch - befremdlich.

Aber: "Das Blatt hat sich gewendet", meint Beate Reifenscheid. "Die Akzeptanz selbst hier am Ort ist größer geworden, positiver." Einige Ausstellungen verzeichneten bis zu 10 000 Besucher. Die Kombination von Bekanntem mit Unbekanntem mag ihren Teil beigetragen haben. Die an diesem Wochenende abschließende Doppelpräsentation mit Starfotos von Liz Taylor und Werken des beim breiten Publikum unbekannten Künstlers Gilgian Gelzer mag als Beispiel dienen.

YVES KLEIN IM SOMMER

Im Sommer wird es eine Ausstellung mit Werken des berühmten Pop-Artisten Yves Klein geben - kombiniert mit Arbeiten seiner hier zu Lande kaum bekannten Künstler-Mutter Marie Raymond. Mama und Sprössling waren sich zu Lebzeiten zwar nicht grün, aber der Nachvollzug des künstlerischen Dialoges zwischen beiden dürfte für passionierte Kunstfreunde überaus spannend werden. So richtet sich auch diese Schau an Kenner und allgemeines Publikum gleichermaßen.

Damit beantwortet die in Bochum, Madrid und München studierte Kunsthistorikerin auch die These von Kulturdezernent Detlef Knopp, wonach das Museum sich auf Regionalversorgung konzentrieren solle, weil es ohnehin illusionär sei, es zwischen den Kunstzentren Köln/Bonn und Rhein-Main als gleichwertig etablieren zu wollen. "Er hat Recht und Unrecht", meint Reifenscheid. "Berechtigt ist der Anspruch einer Kulturversorgung für die Region", von einer Begrenzung darauf möchte sie indes nichts wissen: "Das Ludwig Museum Koblenz will und kann sich in der internationalen Kunstszene positionieren."

Das mag mit hoch spezialisierten Präsentationen funktionieren. Was aber ist mit dem vielfachen Wunsch der Hiesigen, nach Werkschauen prominenter Künstler? "Natürlich wäre es wunderbar, wir könnten mal eine große Picasso- oder Chagall-Ausstellung machen", träumt die Museumsleiterin. Womöglich wäre es im Verbund der Ludwig-Museen gar nicht so schwierig, an die Kunstwerke zu kommen. "Doch allein die Versicherungssummen machen ein solches Unternehmen für uns unbezahlbar." Es mangele eben am Mittelrhein an jenen großen Firmen, die - wie Mercedes etwa in Tübingen - mit richtig fetten Beträgen als Sponsoren in solche Projekte einsteigen.

Mit dem lieben Geld hat auch das Ludwig Museum in Koblenz seine liebe Not. Als städtische Einrichtung muss es mit knappen Mitteln haushalten; der kommunale Zuschuss betrug zuletzt 697 000 Euro. Als Teil des Ludwig-Netzwerkes kommen hinzu: ein fester Zuschuss jährlich (dessen Erhöhung um 33 Prozent auf 40 000 Euro die Ludwig-Stiftung eben zugesagt hat), gelegentliche Projektunterstützung, Leihgaben sowie "Naturalienzuwendungen" in Form von Kooperationsausstellungen mit anderen Ludwig-Museen. Der feste Ausstellungs-Etat beträgt im Jahr laut Reifenscheid 80 000 Euro, das Kernpersonal umfasst neben ihr eine kaufmännische Position, ein halbes Sekretariat und eine halbe museumspädagogische Stelle. "Mini-Budget und große Nummern, das geht halt nicht zusammen. Da gibt es Erwartungen in der Stadt, die einer Quadratur des Kreises gleichkommen." Aber sie fügt selbstbewusst hinzu: "Mit den Mitteln, die wir haben, leisten wir hier viel."

Thomas Metz, Chef des Landesmuseums auf der Festung Ehrenbreitstein, hatte bei einer anderen "Begegnung" von den gemeinsamen Interessen der hiesigen Museen gesprochen, von der Chance, zusammen Koblenz als Museumsstadt zu profilieren. Wie sieht Beate Reifenscheid das? "Genauso. Es gibt keine Konkurrenz zwischen Metz, Kramp (Mittelrhein-Museum) und mir. Die Aufteilung der Museen ist fabelhaft, weil jedes eine andere Klientel anspricht." Sie verweist auf den Werbeslogan "Stadt zum Bleiben", fände es "toll, wenn wir das hinbekämen", findet aber auch, dass Koblenz noch viel zu sehr auf Tagestouristen setzt. Menschen sollen wegen der Kultur länger in der Stadt bleiben, dazu wünscht sie sich ein touristisches "Kulturpaket" - "am Tage in die Museen, am Abend ins Theater oder Konzert".

ZU REGIONAL GEDACHT

Und noch etwas wünscht sie sich für "diese wunderbare Stadt, die ein guter Standort für Museumsarbeit ist, weil man hier alles noch nach oben entwickeln kann": Dass Kob-lenz nicht bloß auf seiner Geschichte sitzt, sondern zugleich moderne Stadt sein will, zu der auch die künstlerische Avantgarde gehört. "Es wird hier manchmal einfach noch zu regional gedacht."

Aus der Region allerdings könnte ihrem Museum eine harte Konkurrenz erwachsen: Bis dato war Koblenz der einzige Standort im nördlichen Rheinland-Pfalz mit einem Museum für moderne Kunst, demnächst kommt das neue Arp-Museum in Rolandseck hinzu. "Bis vor kurzem hatte ich doch einige Befürchtungen. Mittlerweile sehe ich das gelassener. Die Frage wird sein, was für eine Ausstellungspolitik das Arp-Museum macht. Und: Ob sich die Landesregierung ganz auf Rolandseck konzentriert und Koblenz mit dem Ludwig Museum links liegen lässt."

Was nun auch wieder nicht besonders aufregend wäre, denn wie Reifenscheid selbst sagt, köchelte schon bisher die Beziehung des Landes zum Ludwig Museum auf Sparflamme. Landeszuschüsse gab es nur selten, und der jetzt scheidende Kulturstaatssekretär "Roland Härtel besuchte das Haus im vergangenen Jahr zum ersten Mal": Anlässlich des dort abgehaltenen Auftaktempfangs zum ersten RheinVokal-Festival.

Wie gesagt: Leicht hat es Beate Reifenscheid mit ihrer modernen Kunst in dieser Stadt nicht. Aber wer sagt denn, dass diese Kunst es einem leicht machen soll. Ihr Daseinszweck ist eher das Gegenteil: die Störung des Gewöhnlichen, Gewohnten und Vertrauten. Ein Portiönchen davon kann Koblenz ganz gut vertragen - der eigenen Befindlichkeit und des Weltrufs wegen.
 
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