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2006-05-14 Ballettkritik:
Ballettmainz zieht in die Natur hinaus

Starkes Programm XXI mit Choreografien von Altmeister Martin Schläpfer
und Jungmeister Nick Hobbs
 
ape. Mainz. Die letzte Premiere der Saison beim ballettmainz war am Wochenende neuerlicher Qualitätsnachweis und Aufbruchsmoment in einem. Ballettchef Martin Schläpfer legte mit der Choreografie „ein Wald, ein See“ traumhaft verfremdete Impressionen von Naturwahrnehmung vor. Nick Hobbs, bisher Tänzer in der Compagnie, erhob mit  19 Miniaturen zu Musik von György Kurtág  Anspruch auf einen Platz in der vorderen Reihe der Jungchoreografen.
 
Silbrige, gewellte Metallrohre hängen horizontal über der Bühne. Droben sitzt eine ausgestopfte Eule. Thomas Zieglers Bühne symbolisiert Wald und See zugleich. Daraus, darunter hervor schiebt sich die 19-köpfige Compagnie. In die Szene hinein webt der Komponist/Musiker Paul Pavey akustische Phänomene, die Naturklänge, arachaische Folkloristik, Jazz-Anmutungen und elektronische Psychedelic verbinden.

Schläpfer hat eine Mischgung aus Pastorale und Schauerromantik choreografiert. Abstrakt, aber assoziationsstark treffen im Tanz Vorstellungen von der lieblichen wie  von der beängstigenden Natur aufeinander.  Bewegungsmuster aus dem Tier- und Pflanzenreich verbreiten sich. Kriechen, springen und flügelschlagen, im Wind sich wiegen, aneinander schmiegen, einander umschlingen.

Ist´s Tier oder Pflanze, Mensch oder Fantasiegestalt? Die Grenzen sind fließend. Selbst der große Kuss, die tiefste Hingabe, in die sich Marlúcia do Amaral und Jörg Weinöhl hineintanzen, kann auch als Vereinigung der Elemente gedeutet werden. Eindeutig Mensch indes ist  das Einbrechen von Ausflüglern ins Naturrefugium. Hektisch, zippelig, laut schuhplattlern sie umeinand. Wo Schläpfer witzige wird, wird er auch gallig.

Zum Ende ziehen einsame Jogger im Waldesgrün ihre Bahn. Erst einzeln verwundert innehaltend, stellen sie alsbald die Dauerhatz ein, gesellen sich in einer lang hingezogenen, meditativen Schlusssequenz zu den „anderen“. Die stehen stille wie die großen Bäume, schlagen leise Wellen auf dem See – Ruhe; wunderbar. Und ein großes Tanzerlebnis.

Was das ballettmainz anschließend unter dem Titel „Signs, Games und Messages“ (Zeichen, Spiele, Botschaften) zeigt, gibt Anlass zu den schönsten Hoffnungen. Die choreografischen Einfälle und Ausformungen von Nick Hobbs sind bereits viel mehr als bloß Talentproben. Die 19 kleinen Stückchen, fächern mal in großer Formation, mal in kleinen Gruppen oder Soli ein riesiges, vielgestaltiges, an klugen Adaptionen wie originellen Eigenerfindungen reiches Bewegungs- und Figurenrepertoire auf.

Der bisherige Tänzer und künftige „Choreographer in residence“ beim ballettmainz ist sichtlich dem neoklassischen Ballett verpflichtet, schiebt dessen Grenzen aber weit hinaus. Da hat ein leiser Schmunzelhumor seinen Platz, wenn etwa Frauen und Männer auf breiter Front mit kunstvoll persiflierten Filmposen gegeneinander antreten. Da reicht der ernste Blick bei einem hinreißenden Solo von Bogdan Nicula weit in die Tiefe der Selbstsuche. Jedes Teil ist ein Hingucker, ob nun pures Formenballett oder  kleines Geschichtchen.

Der gebürtige Londoner und einstige Rugbyspieler Nick Hobbs erhielt 1996 in Koblenz sein erstes Engagement als Tänzer. Wechselte 1999 nach Mainz. In beiden Theatern wird er kommende Saison choreografieren. Ein Glücksfall für die Tanzkunst in Rheinland-Pfalz.
 
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