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2006-05-15 Analyse:
In der Parallelgesellschaft
der Geheimdienste

Neue Skandale belasten Demokratie in Deutschland, USA und Frankreich
 
ape. Als habe jemand den Stöpsel gezogen, stürzt derzeit eine  Nachrichtenflut von neuerlichen  Geheimdienstskandalen  über eine bald kaum mehr erstaunte Öffentlichkeit herein. Am Pranger stehen einmal mehr die Geheimpraktiken in den USA, in Deutschland und Frankreich. Schlagzeilen allein vom Samstag: „Abhör-Affäre in den USA weitet sich aus“, „Ex-Spion ist die Schlüsselfigur in Frankreichs Polit-Skandal“ und für Deutschland die – inzwischen positiv beschiedene – Frage „Hat der BND Journalisten bespitzelt und geschmiert?“. Das sind die neuen Affären aus der Halbwelt der Geheimdienste. Sie kommen zu jenen hinzu, die in den Vormonaten bekannt wurden und alle noch letztgültiger Aufklärung harren.
 
Bis dato war Aufklärung das falsche Wort – für eine Praxis, bei der vor allem gelogen, vertuscht und gemauert wird. Beispiel: Die EU verlangt von den Amerikanern Auskunft über illegale CIA-Operationen in Europa. Außer vier Kongressmitgliedern will in den USA keine Amtsperson mit den EU-Untersuchern auch nur reden. Der Rechtsberater des US-Außenministeriums erklärt lapidar: „Wir sind bedauerlicherweise zu dem Schluss gekommen, dass wir spezifische Anschuldigungen nicht kommentieren können.“

Beispiel: Zeitgleich versucht die CIA mit allen Mitteln zu verhindern, dass eine Klage des von ihr verschleppten Deutschen Khaled el-Masri vor einem US-Gericht verhandelt wird. Es könnten „Staatsgeheimnisse“ berührt werden, Dinge ans Licht kommen, die die „nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten“ gefährden.
Beispiel: Der deutsche BND hatte 2003 keine Agenten in Bagdad, hieß es offiziell auf die ersten in den Medien aufgetauchten Verdachtsmomente. Als diese sich verdichteten, entwickelte sich die  „Aufklärung“ so: Doch zwei Agenten als neutrale Beobachter vor Ort; Agenten ohne Kontakt zum US-Militär; Agenten mit losem Kontakt; sie gaben keine Infos ans US-Militär; sie gaben keine kriegswichtigen Infos.

Wer in der Geheimdiensthierarchie oder auf den verantwortlichen Politikebenen wann, wie, was angeordnet oder gewusst hat, diese Aspekte scheinen per se nach einem gezielt verwirrenden Geheimreglement organisiert. Wir erleben das – Beispiel! – eben wieder beim jüngsten hiesigen Geheimdienstskandal: Der „unehrenhaften Infiltration“ des journalistischen Berufsstandes, wie ein Sprecher der Bundesregierung den Vorgang nennt, dass vom BND  angeheuerte Spitzel  deutsche Journalisten ausspionieren.

Wer hat diese verfassungswidrige Sauerei 1996 angeordnet, wer ihre Fortsetzung – die laut „Spiegel“ bis in den Herbst 2005 andauerte –  veranlasst oder geduldet? Schmidbauer will´s nicht gewesen sein und zeigt auf Geiger. Der jedoch will Foertsch eine solche Praxis untersagt haben, weshalb Foertsch sich eine Erlaubnis an höherer Stelle besorgt haben soll. Bei wem? Hanning hat die ganze Sache dann beim Regierungswechsel von Kohl zu Rot-Grün geerbt. Und was damit gemacht? Uhrlau steht jetzt vor einem Scherbenhaufen, gesteht Fehler ein und gelobt Besserung. Das hatten wir schon – die ganze Ahnenreihe der Geheimdienst-Granden rauf und runter.

Unsere französischen Nachbarn erleben zurzeit ein ähnlich abstruses Spiel. Kleine Abwandlung im Spielaufbau: In Paris benutzen die diversen Machtzentren den Service der Schlapphüte, um sich gegenseitig schmutzig zu machen. Verglichen damit ist man bei der jüngsten Ansage von George W. Bush direkt im Bilde: Der US-Präsident bezeichnet die größte elektronische Datensammelaktion seiner Geheimdienste gegen die eigenen Bürger unverblümt als gesetzeskonform sowie als unverzichtbar für den Kampf gegen den Terror und für die nationale Sicherheit. Der neue CIA-Chef Hayden sieht in der umfassendsten Telefonüberwachung der Geschichte ein Instrument „die Freiheit des amerikanischen Volkes zu bewahren“. Sein Präsident gibt vor, dass die bürgerlichen Freiheiten „vehement geschützt“ würden.

Dass diese Aktionen überhaupt ruchbar werden, ist Bush und Co. so wenig recht wie den Geheimdiensten in Deutschland und Frankreich. Weshalb in allen Fällen zuallererst fieberhaft nach jenen undichten Stellen gesucht wird, dank derer die jeweilige Bevölkerung darüber ins Bild gesetzt werden konnte, was die staatlichen Geheimdienste im Verborgenen auf welche Weise treiben.

Alle Geheimdienste möchten möglichst wenig, am liebsten gar nicht kontrolliert werden – sowieso nicht von der Öffentlichkeit. Denn ihre Aktionswelt liegt in Grauzonen am Rande oder jenseits der normalen Gesetze und Umgangsformen. Es ist eine eigene Welt mit eigenen Regeln inmitten der Gesellschaft. Eine Parallelgesellschaft also – von der wir nie wissen können, ob sie nützt oder schadet.

Ihre Existenzberechtigung ziehen die Geheimdienste aus dem Sicherheitsbedürfnis des Staates und seiner Bürger – oder auch des Staates vor seinen Bürgern. Die Firmenbezeichnung „Staatssicherheit“ bringt dies zum Ausdruck, bezeugt zugleich die Zweischneidigkeit der Sache. Ob Alexander der Große, Julius Caesar, Kaiser Karl oder Napoleon, alle hatten sie ihre Geheimdienste – eingesetzt gegen äußere wie innere „Feinde“.
Wir haben uns trotz Gestapo und KGB daran gewöhnt, dass sie zum Staatswesen gehören wie Schule, Finanzamt und Gendarmerie. Das, obwohl der Nutzwert der immer wieder zwangsläufig in Misskredit geratenden Geheimdienste ebenso fraglich bleibt wie ihre eigentliche Unvereinbarkeit  mit dem Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie offenkundig ist.

Geheimdienste sind ihrem Wesen nach ein permanenter Sorgenfall der demokratischen Gesellschaft. Will man sie nicht abschaffen, muss man ihnen wenigstens mit besonderer Schärfe auf die Finger sehen. Was George W. Bush wohl kaum in den Sinn kommt, denn in Wahrheit will er, dass getan wird, was CIA und NSA tun. Und wie ist das bei uns, in Wahrheit?
 
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