Kritiken Theater
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2006-05-19 Theaterkritik:
Besonders boshafter "Theatermacher"

Thomas Bernhards Stück in zum Wirtshaussaal umgebauten Kammerspielen Koblenz
 
ape. Koblenz. Sind das die Kammerspiele des Stadttheaters Koblenz oder ist's ein heruntergekommener Wirtshaussaal? Beides. Premiere hatte jetzt in ungewöhnlichem Ambiente Thomas Bernhards Komödie "Der Theatermacher" - eine gallige Generalabrechnung mit Protagonisten, Liebhabern und Verächtern der Bühnenkunst gleichermaßen.
 
 Besucher, die mögen, kriegen Bier im Steinkrug. Das gehört zur Inszenierung. Das Getränk erweist sich als nützlich. Denn in den Kammerspielen wird die Luft bekanntlich schnell schlecht und sehr warm. Diesmal gibt"s obendrein den Staub jahrelanger Vernachlässigung in die Kehle. Was ebenfalls zur Inszenierung gehört; wie auch der nach zweieinhalb Stunden auf Bierbänken oder ollen Wirtshausstühlen platt gesessene Hintern.

Theater ist Leben, Leben Theater - wir hocken im von Staubweben überwucherten Dorfsaal des "Schwarzen Hirschen" im 280-Seelen-Ort Utzbach. Zu dem hat Jürgen Zott die kleine Koblenzer Spielstätte umgemodelt. Zuschauerraum und Bühne sind eins, Dorfsaal halt. Eine fabelhafte Raumlösung. Utzbach und sein Wirtshaus, in diese pittoreske Trostlosigkeit verschlägt Thomas Bernhards Stück "Der Theatermacher" von 1985 die schauspielernde Vagantenfamilie Bruscon. Das Kaff liegt irgendwo in Österreich. Wie Titeldarsteller Olaf Schaeffer "Utzbach" ausspricht, könnte es sonstwo in kunstfeindlicher Provinz liegen, etwa am Zusammenfluss von Rhein und Mosel.

Den nun Empörten zum Trost: Für Bernhard ist Utzbach überall, vornehmlich im ehemals Hitlerschen Deutschraum. Wie sagt doch Bruscon, dieser mit seiner selbst gebastelten Weltkomödie über die Dörfer tingelnde Theatermacher, Staatsschauspieler, Hysteriker, Hypochonder, Familientyrann, Beckmesser, Alleswisser, größenwahnsinnig-egomanische Dilettant? Noch an den größten Staatstheatern werde heute gesprochen, "dass es einer Sau graust". Überhaupt sei das Land völlig "verludert", von "Dummköpfen und Idioten" bevölkert, von "Fremdenfeindlichkeit und Kunsthass" durchsetzt.

95 Prozent des herrlichen Textes entfallen auf die Titelrolle. Die gerät unter Adewale Teodros Adebisis Regie und in Schaeffers fulminantem Spiel viel bösartiger, als andernorts gesehen. Der Figur wurde in Koblenz jeder Rest von liebenswertem Wanderschmieren-Prinzipal ausgetrieben. Was in der hier verfolgten Konsequenz schlüssig ist und derart durchaus dem großen sauertöpfisch-genial-bissigen Grantler Bernhard angemessen. Der Abend provoziert einerseits Schmunzeln reichlich, andererseits das Bedürfnis, dem miesen Schinder von Theatermacher handgreiflich Einhalt gebieten zu wollen.

Schnaufend, schwitzend bejammert Bruscon die Zumutungen seines Lebens: Hohe Kunst in solchen Dreckslöchern neben Schweineställen aufführen zu müssen. Er, der "größte Staatsschauspieler aller Zeiten", umgeben von lauter "Antitalenten". Er meint die ganze Theaterzunft, vorneweg die eigene elende Truppe aus Tochter Sarah (Julia Prochnow, die als Dummheitsausdruck nur übertriebenes Schniefen einsetzt), Sohn und Gattin. Ihr Leben auf minimalen Ausdruck reduziert, leiden Markus Angenvorth und Tatjana Hölbing unter dem Tyrannen.

Mit unbewegter Miene lässt Bernd Rieser als Wirt die Tiraden des Theatermachers an sich abperlen - denn der schwätzt viel, meint wenig und tut nichts. Das ist hier sehr schön gespielt, vernachlässigt aber leider einen wichtigen Aspekt der Wirtsfigur: die untergründige Faszination, die das Theater auf diesen einfachen Menschen ausübt.

Theater sei eine einzige große Lüge zetert Bruscon. Wenn, trotz kleiner Einschränkungen, so passabel gelogen wird wie jetzt in den Koblenzer Kammerspielen, soll's uns recht sein.
 
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