Kolumne Begegnungen regional
Thema Menschen / Initiativen
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2006-06-06 Begegnungen:
Dieter Servatius und die Jugend

Der 69-jährige über Jugendtheater, Kulturfabrik und persönliche Altersgrenzen

 
ape.Koblenz. Mit 69 Jahren ist Dieter Servatius einer der ältesten Kulturaktiven in Koblenz. Und doch hat er sich mit Leib und Seele der Kulturarbeit mit und für die junge Generation verschrieben.  Bei der zehnten "Begegnung" sprach ich mit dem pensionierten Gymnasiallehrer über dessen anhaltende Passion: Koblenzer Jugendtheater und Kulturfabrik.
 
"Man soll mit 70 kein Jugendtheater mehr leiten", sagt Dieter Servatius, Geschäftsführer der Kulturfabrik GmbH und Vorsitzender des Vereinsvorstandes beim Koblenzer Jugendtheater. Servatius ist Jahrgang 1937 - und tut im Moment noch mit Verve, was er nach eigenem Bekunden in längstens einem Jahr nicht mehr sollte: Die Fäden des Koblenzer Jugendtheaters in Händen halten. Wird er sie abgeben können? Wenn"s nach ihm ginge: kein Problem. Oder nur ein kleines, wie vor vier Jahren sein Abschied vom Berufsleben als Lehrer nach gut drei Jahrzehnten am Koblenzer Max-von-Laue-Gymnasium. Da kam er sich ein bisschen verloren vor. Das Ehrenamt bei Kufa/Jugendtheater brachte ihn rasch wieder auf Trab.

Man soll mit 70 kein Jugendtheater mehr leiten. Die eigentliche Frage ist, ob sich jemand findet, der das Amt von Servatius übernimmt. Am liebsten hätte er jemanden aus der jungen Generation, der mit dem Jugendtheater groß geworden ist. Verjüngung aus den eigenen Wurzeln heraus - wie sie im anfangs betagten Vorstand jetzt prima klappt: Fünf neue Vorständler sind in jüngster Zeit eingetreten, allesamt inzwischen "erwachsene", ehemalige Jugendtheaterakteure.

Der Vorstand ist eine Sache; die Nachfolge von Servatius eine ganz andere. Der Senior sucht, aber fündig wurde er noch nicht: "Es ist schwierig, denn jüngere Leute müssen zunächst ihr eigenes Berufsleben ins Reine bringen, bevor sie eine so zeitaufwändige ehrenamtliche Aufgabe übernehmen können." Man soll mit 70 kein ... Wenn"s denn aber doch noch ein bisschen sein muss ... Und sogleich landet unser Gespräch im aktuellen Geschehen des kleinen Jubeljahres: Das Jugendtheater hat heuer 15 Geburtstage auf dem Buckel.

Diese "Begegnung" ist die erste, die nicht im Büro meines Gegenübers stattfindet. Wir sitzen im gastronomischen Bereich der Kufa. Denn im Büro des Hauses führen junge Leute ihr eigenes Regiment. Wie bei Berti Hahn oder Thomas Metz könnte man das als "produktives Chaos" bezeichnen. Servatius mag es dem Besucher dennoch "nicht zumuten". Vielleicht hat das mit altersbedingt unterschiedlichen Ordnungsmaßstäben zu tun. Woraus sich eine Frage ergibt: Noch werden Jugendtheater und Kufa getragen, gesponsert, geleitet von einem honorigen Club überwiegend älterer Herrschaften. Die jugendlichen Nutzer sind also abhängig vom Einvernehmen mit Menschen ihrer Eltern- und Großelterngeneration. Ist das nicht eine etwas schräge Konstruktion?

Servatius schmunzelt, denn das erinnert ihn an die Frotzelei eines Vertreters der ersten, heute auch schon ergrauten Kufa-Generation: "Was wollt ihr alten Herren die Kufa übernehmen?!" Das war, als vor zehn Jahren 19 Koblenzer Bürger die GmbH gründeten, um das Kulturzentrum vor dem Aus zu retten - und dem Jugendtheater ein Domizil zu verschaffen. Die Vorstellung, die Gesellschafter würden nun ständig den Jugendlichen auf der Nase herumtanzen, der Kufa Programme und Benimm vorschreiben, sei völlig abwegig, so Servatius. "Die Gesellschafter schauen, dass das Fundament steht und ob die Sache funktioniert. Ansonsten lassen sie den Dingen ihren Lauf." Eingreifen würden sie wohl nur, "wenn hier alles über die Stränge schlüge". Was bislang nicht der Fall war und absehbar wohl auch nicht sein wird.

EIN AUTORITÄRER KNOCHEN?

Da steht Servatius vor? Ist er ein autoritärer Knochen? "Ich bin Lehrer gewesen", erwidert er vieldeutig. Die Frage geht weiter an die kurz vorbeischauende Inga Diederichs, seit kurzem hauptamtliche Managerin in der Kufa. Die 24-Jährige lacht, als habe jemand einen schlechten Witz gemacht. Der pensionierte Pädagoge schiebt dann doch nach: "Manchmal muss man schon zeigen, wo"s lang geht." Wie auch immer, die Tatsachen sprechen für sich: Die Kufa lebt trotz manchen Grabgesangs auch nach 25 Jahren noch; das Koblenzer Jugendtheater ist nach 15 Jahren ein nicht mehr wegzudenkender Kulturfaktor in Stadt und Region. Das verlangt Geduld und Beharrlichkeit, Motivationskraft und Durchsetzungsfähigkeit, das verlangt vor allem Liebe zur Sache und zu denjenigen, die sie machen. Die Grundsätze humanistischer Pädagogik lassen grüßen.

Dreht sich die "Begegnung" um den eigenen Laden, ist Servatius ein ergiebiger Gesprächspartner. Will man ihn als Kulturkritiker in den Zeugenstand rufen, wird seine Rede etwas diplomatie-lastig. Nein, er habe an nichts und niemanden in dieser Stadt etwas auszusetzen. (Hoppla, da wäre er der Erste.) "In den letzten Jahren hat das Koblenzer Kulturleben einen enormen Sprung gemacht", sagt er und verweist auf das Stadttheater unter Georges Delnon, aber auch unter Annegret Ritzel, auf das rege Museums- und Konzertleben am Ort. Er lobt die Bemühungen diverser Institutionen in Sachen Kinder- und Jugendarbeit, unterstreicht die große Bedeutung des Café Hahn.

KUFA: NUR JUGENDTHEATER?

Kleine Provokationen bringen allzu harmlos verlaufende "Begegnungen" in Schwung: Es gab mehrfach Kritik, die Kufa sei gar kein soziokulturelles Zentrum mehr, sondern bloß noch Jugendtheaterdomizil?! Die das sagen, bekommen von Servatius nun was zu hören. Erstens: "Was ist denn von Jugendlichen selbst organisiertes, selbst gespieltes, immer auch pädagogisch begleitetes Jugendtheater anderes als soziokulturelle Arbeit im ureigentlichen Sinn?" Zweitens: "Sind denn Schul- und Jugendtheatertreffen, kulturelle Behindertenarbeit mit Jugendlichen, Video-Film-Tage, die Kufa-Reihen "Kids in der Kufa", "Familienfrühstück" und "Nachtcafé", Kinderkonzerte der Philharmonie oder die mietfreie Öffnung der Kufa für Aids-Initiative und andere Projekte in der Stadt keine soziokulturelle Arbeit?"

Drittens: Ja, Kabarett und Kleinkunst seien in der Kufa weniger geworden, diese Szene habe sich über die Jahre deutlich aufs Café Hahn verlagert. "Da hat Berti Hahn - mit dem wir im Übrigen bestens auskommen - die besseren Kontakte." Man wolle diesen Teil des Kulturspektrums zwar auch in der Kufa weiter pflegen, müsse aber sorgsam auswählen. Schon des finanziellen Risikos wegen: Nur mäßig gefülltes Haus selbst bei "Stachelschweinen" oder auch "Kom(m)ödchen" haut mächtig ins Kontor. Servatius setzt einen wuchtigen Schlusspunkt zur Kritik von wegen die Kufa sei kein soziokulturelles Zentrum mehr: "Bei unserem Antritt 1996 dominierten hier Kleinkunst und eine Art Clubbetrieb. Erst durch uns wurde wieder eine systematische soziokulturelle Arbeit entwickelt."

Eine Arbeit, die jetzt auch neue Wege beschreitet. Wege, die schon unter dem Leitmotiv "Vernetzung" standen, bevor der jüngst inthronisierte Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig in unserer Zeitung Vernetzung als Maxime für die Landeskultur ausgab. Zu nennen wäre vorneweg eine verstärkte Kooperation zwischen Jugend- und Stadttheater. Die konnte, so sehe ich es, Kulturdezernent Detlef Knopp Anfang des Jahres eben noch vermitteln, bevor Servatius und Annegret Ritzel sich über vom Stadttheater angekündigte eigene Jugendprojekte in die Haare kriegten. Servatius erklärt es so: "Warum sollte das Stadttheater dasselbe machen wie das Jugendtheater? Darüber haben wir ein sehr positives Gespräch mit sehr positiven Ergebnissen geführt."

Die da wären: "Figaros Hochzeit" - eine "Vernetz- ungs"-Produktion von Jugendtheater, RLP-Jugendsinfonieorchester, Musikgymnasium Montabaur, Rheinischer Philharmonie und Musikschule Koblenz - wird im Herbst sechs mal im Stadttheater aufgeführt. Für die Spielzeit 07/08 ist laut Servatius eine gemeinsame Musical-Produktion vorgesehen, unter Regie und im Abo des Stadttheaters. Verabredet wurden Austausche derart, dass das Jugendtheater Jugendproduktionen im Stadttheater zeigt, gleichzeitig das Stadttheater die Kufa bespielt.

Servatius versteht die beiden Institutionen als natürliche Verbündete: "Eines unserer Ziele beim Jugendtheater war immer: Jugendliche - seien es Akteure oder Zuschauer - fürs Theater zu begeistern." Querverbindungen haben Tradition. Stadttheaterprofis wirkten vielfach als Gäste beim Jugendtheater mit: Anthony Taylor seit Jahren regelmäßig; Molitorizs, Delnon, jüngst Claudia Felke führten Regie. Theaterprojekte werden auch künftig einen Schwerpunkt der soziokulturellen Arbeit in der Kufa ausmachen. Im dritten Stock wird eine kleine Studiobühne ausgebaut, um die Anzahl von Kindertheaterproduktionen und von jugendlich-kritischen Experimentalinszenierungen erhöhen zu können.

"Man soll mit 70 kein Jugendtheater mehr leiten." Okay. Aber was ist mit der Leitung der Kufa-GmbH? Die will er ausüben, "bis die programmatische Umstrukturierung der Kufa in ruhiges Gewässer eingefahren und eine geeignete Nachfolge gefunden ist." Da bleibt wohl noch eine Weile Unruhe im Ruhestand des Dieter Servatius.
 
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