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2006-06-29 Kultur:
Georges Delnon und das Schauspiel

Ein Beitrag zur Festschrift
 "Georges Delnon - Theaterintendant Rheinland-Pfalz 1996 - 2006"

 
ape. Der Regisseur Georges Delnon und die Schauspielsparte. Glaubt man der Wahrnehmung in der überregionalen Publizistik, dann gibt es eine solche Beziehung gar nicht. Das Munzinger-Archiv beispielsweise führt ihn nur als Intendanten und Opernregisseur, die überregionale Presse weiß nichts von Sprechtheater-Einsätzen. Und doch gab es sie: dereinst in Delnons  schweizerischen Anfängerjahren, vereinzelt sogar noch in seiner rheinland-pfälzischen Zeit.
 
Am Staatstheater Mainz half er im Jahr 2000 mit einer Inszenierung der „Schneekönigin“ dem Kindermärchen am Ort wieder auf die Beine. In Koblenz hatte er ein Jahr zuvor als Gast bei  den Amateuren des örtlichen freien Jugendtheaters Alfred Jarrys Posse „König Ubu“ auf die Beine gestellt. Bloß Gelegenheitsarbeiten oder Freundschaftsdienste abseits des „richtigen Theaters“? Mag sein. Aber beide Produktionen zeigten die Handschrift eines  Regisseurs, der mit den Besonderheiten von Kinder- und Jugendtheater umgehen kann und über ein Gespür fürs Schauspiel verfügt.

Wie fein das ist, wurde an einer Inszenierung von David Mamets  „Oleanna“ 1998 in den Koblenzer Kammerspielen deutlich, einer kleinen Nebenspielstätte des Stadttheaters für weniger als 100 Zuseher. Delnon hatte sich einen erhöhten Laufsteg in den Zuschauerraum bauen lassen und darauf den Kampf Studentin gegen Professor als Prozess des Aufeinanderstreffens sich ständig umordnender psychologischer Ambivalenzen entfaltet. Den  Kammerabend sahen seinerzeit leider nur ein kleines örtliches Publikum und die Kritiker zweier Regionalzeitungen. Für die allerdings war es ein eindrückliches Sprechtheater-Erlebnis. Der Hoffnung auf mehr mochte der Regisseur jedoch nicht nachkommen.

Delnon hatte sich fürs Musiktheater entschieden. Dann eine für langjährige Beobachter der Theaterszene erstaunliche Erscheinung: Zu. „Alcina“, „Tamerlano“, „Carmen“, „Lulu“, „Saul“… zu all den Delnonschen Operninszenierungen erschienen in Koblenz, Mainz oder Schloss Engers auch eine Menge eingefleischter Schauspielfans. Hier fanden sie, was sie sonst im Musiktheater eher vermissten: Personenführung und Szenenbau, die auf Charakterspiel, auf Auslotung pyschologischer Tiefen, auf Individuen statt Typen abzielen. Delnon verlangt Sängern auch Schauspieler-Qualitäten ab, treibt so die Oper über den mehr oder minder sinnig konstruierten musikalischen Genussakt hinaus. So hat Georges Delnon, ob ihm das nun passt oder nicht, gerade mit seinem Gespür für das schauspielerische Element der Oper nicht nur in Rheinland-Pfalz manchen Impuls gegeben.

Da er selbst das Schauspiel-Regiepult mied, wurde er für das Sprechtheater mehr als Intendant, als Förderer und Ermöglicher bedeutsam. Ein Blick auf die Zahlen mag diese erhellen. Die Koblenzer und die Mainzer Zeit zusammengenommen gab es unter seiner Intendanz in der Schauspielsparte mehr als zwei Dutzend Uraufführungen und Deutschsprachige Erstaufführungen. Das ist im Bundesvergleich sehr ordentlich, für rheinland-pfälzische Verhältnisse außerordentlich. Interessanter eine andere Zahl: Mehr als 40 Schauspielregisseure hatten während zehn Delnon-Jahren die Möglichkeit, ihre Kunst zu erproben, zu entfalten, zu beweisen. Das sind viele, unüblich viele; und das war vom Chef so gewollt. Darunter Berühmtheiten wie Valentin Jeker, Johannes Lepper oder Jürgen Kruse. Darunter etliche, die nur einmal in Koblenz, vor allem aber in Mainz inszenierten. Darunter jene, die sich als regelmäßige Gäste in Mainz einen Namen machten: Christina Friedrich, Wolf Twiehaus, Walburg Schwenke oder Andreas Herrmann. Darunter schließlich die langjährigen Wegbegleiter, die schon zum Gelingen der Koblenzer Anfangszeit beitrugen wie Katja Wolff und besonders Janusz Kica. 

Mit thematischer und personeller Offenheit und Risikofreude führte Delnon das tief in Stadttheatertraditionen verwurzelte Koblenzer Publikum vorsichtig ans zeitgenössische  Bühnengeschehen heran. In Mainz setzte er die zuvor von den Schauspielleitern Anna Badora und Michael Helle eingeschlagene Innovationslinie fort. Während bei Ballett und Oper in der Landeshauptstadt zum Aufbruch in die künstlerische Bundesliga geblasen wurde, ging es beim Schauspiel vorderhand um den Erhalt der von Badora und Helle erreichten höchsten Spielklasse. Delnon baute dabei auf die renommierte Regisseurin Irmgard Lange die 2001 Schauspieldirektorin wurde. Unter ihrer und Delnons Ägide blieb das Schauspiel in Mainz ein lebendiger Kunstraum, ein Versuchslabor - das sowohl hinsichtlich des starken Aufgebotes an Stücken der Moderne, wie auch im Umgang mit den Klassikern, die in den Spielplänen stets angemessen vertreten waren.

Auch die Sprechtheater-Sparte des Mainzer Staatstheaters  ist in Rheinland-Pfalz qualitativ eine Ausnahmeerscheinung geblieben. Darüber hinaus genießt sie in der Bundesszene einen sehr guten Ruf, der vor allem vom lebhaften künstlerischen Werkstattcharakter des Mainzer Schauspiels herrührt. Hier hat Dank Georges Delnon das Autorentheater, hat der Regienachwuchs eine Heimstätte. Was schwer wiegt in schwierigen Zeiten.

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Weitere Artikel über Georges Delnon:

2006-06-02 Kultur:
Dank an Georges Delnon für
Martin Schläpfer und das ballettmainz


2004-05-04 Kultur:
Georges Delnon verlässt Mainz und
übernimmt Theater Base
 
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