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2006-07-24 Kultur:
RheinVokal könnte noch zulegen

Faszinierendes Schlusskonzert in Maria Laach und eine Festivalbilanz
 
ape. Mittelrhein. Solche Abende wie der "Pater Noster" betitelte in Maria Laach sind für das Festival RheinVokal unverzichtbar, will es seinem Ziel näher kommen. Das da wäre: Sich als originäre Qualitätsmarke mit dem Schwerpunkt "Singstimme" in der Premiumliga der Musikfestivals zu etablieren. Das jetzige Abschlusskonzert des von Land/Villa-Musica, SWR und sechs mittelrheinischen Kommunen gemeinsam getragenen Festivals wurde von erstklassigen Musikern bestritten und schlug zugleich einen innovativen Weg ein.
 
Mit den Windsbachern trat in der Abteikirche einer der zurzeit besten Knabenchöre Deutschlands auf - und zwar gemeinsam mit Babette Haag, international herausragende Solistin auf Marimbaphon und Vibraphon. Diese Konstellation ist ungewöhnlich. Das Miteinander von Chor und Perkussionssolistin stellt quasi ein Konzertexperiment dar. Die Wirkungen sind verblüffend, aber einnehmend.

Erik Saties Klavierstück "Gymnopédie" steht am Anfang und am Ende des Programms. Hier freilich geboten in einer Bearbeitung für vierstimmigen Chor und Vibraphon. Und siehe, die beiden so verschiedenen Klangcharaktere verstehen sich prächtig. Hier die zarten Sphärentöne, die Haag ihren Metallplatten entlockt. Da der auf leiseste, fast nur gehauchte Vokalisen zurückgenommene Chor. Die Musik schwebt als feines Klanggespinst im Raum.

Zwischen Saties Eckpunkten verfolgen der 75-köpfige Chor und die Schlagwerkkünstlerin im Wechsel überwiegend das je eigene Metier. Bachs Cellosuite Nr. 4 für Marimbaphon bearbeitet: Babette Haags virtuoser Umgang mit vier Klöppeln wird deutlich. Schlagen, stoßen, stechen, streichen, reiben, drehen, abziehen... - die Fülle der spieltechnischen Varianten für das "Riesenxylofon" machen Staunen. Die entstehenden Klangphänomene nicht minder: Schnelle Schlagwirbel erzeugen in einem Stück namens "Little Prayer" ruhig daherschwebende Töne, die in den Tiefen nach Orgel, in den Höhen beinahe nach Glasharmonika klingen. Interessant, wundersam schön.

Nicht minder bemerkenswert, was der Chor leistet bei geistlichen Werken von Schütz über Mendelssohn, Bruckner und Brahms bis zu Zeitgenossen wie Miskinis oder Kreutz. Die chorische Disziplin vom Sopran-Sextaner bis zum Bass-Abiturienten ist bemerkenswert. An Karl-Friedrich Beringers genauem und ausdrucksintensivem Dirigat hängen aller Sänger Augen. Prima der Stimmausgleich; selten eine solche "Sprechtechnik" gesehen; überragend die dramatische Farbigkeit der dynamischen Ausgestaltung.

Großer Vortrag, innovatives Konzertkonzept und prall gefülltes Haus: Was für den Abschlussabend in Maria Laach gilt, hätten sich die Veranstalter sicher für alle 20 Konzerte zwischen Bingen und Bad Neuenahr-Ahrweiler gewünscht. Aber dafür reichte es, trotz im Gros hochklassiger Konzerte, nicht überall. Wurden für die letztjährige Jungfernsaison des Festivals 5000 Besucher angegeben, so dieses Jahr nur 3500. Die Anfangsneugierde ist aufgebraucht, König Fußball hat wohl auch Interessen abgelenkt.

Nach dem jetzt beendeten zweiten RheinVokal-Jahrgang lautet die Frage: Was lässt sich verbessern? Eine Anregung von Kritikerseite geht so: Den akustischen Bedingungen der jeweiligen Konzertstätten sollte bei Künstlerzuordnung und Programmauswahl sorgfältiger Rechnung getragen werden. Denn die Basiliken in Koblenz und Andernach klingen völlig anders als etwa die Abtei Rommersdorf, Schloss Engers oder St. Severus in Boppard.

Da RheinVokal einen Exzellenzanspruch erhebt, muss auch bei der Raumdisposition die Akustik abgewogen und die künstlerische Qualität die erste Geige spielen. Will sagen: Das richtige Ensemble soll im akustisch passenden Saal auftreten und  ein für die Bedingungen der Lokalität geeignetes Programm musizieren. Das war heuer nicht in jedem Fall so. Bei den  Rundfunkübetragungen schminkt die Technik manche Über- oder Unterakustik weg. Und natürlich ist die große Rundfunkpräsenz ein wesentliches Pfund dieses Festivals. Für dessen Ruf und dessen Vitalität als Kunstereignis ist auf Dauer allerdings die Qualität des Liveerlebnisses vor Ort entscheidend. 
 
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