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2006-07-26 Kultur:
10 Jahre Theater Konradhaus

„Gesamtkunstwerk“ in Ehrenbreitstein ist im Koblenzer Kulturleben
 inzwischen fest verankert

 
ape.Koblenz-Ehrenbreitstein. Es ging dem Theater Konradhaus im Koblenzer Stadtteil Ehrenbreitstein wie vielen anderen Projekten der freien Kulturszene:  Ein Gefühl des Mangels an kreativer Freiheit, von Fesselung künstlerischer Potenziale gab den nachherigen Machern den Anstoß zum Sprung ins kalte Wasser. Heißt in diesem Fall, Ingrid Sehorsch und Michael Hamlett stürzten sich in den 1990er-Jahren in ein finanzielles und künstlerisches Abenteuer mit durchaus ungewissem Ausgang: Erwerb und Instandsetzung einer historischen Immobilie - des  Konradhauses am Ehrenbreitsteiner Kapuzinerplatz -, darin Aufbau und Unterhalt eines privaten Off-Theaters. Eröffnung war am 15. September 1996, vor zehn Jahren also.
 
Gut 500 Besucher erlebten damals  den Start mit, was als erstes Zeichen gewertet werden durfte, dass Koblenz neben dem Stadttheater durchaus Raum für eine weitere Profibühne bieten könnte. Das Theater Konradhaus hat sein erstes Jahrzehnt nicht etwa gerade so überstanden. Vielmehr zeugen 84 Eigenproduktionen, darunter 14 Uraufführungen, von enormer Schaffenskraft. Deren Ergebnisse finden ein stetig wachsendes Publikum; für 2005 bilanziert die 99-Plätze-Spielstätte 5000 Besucher. Schon die Zahlen weisen das Konradhaus als inzwischen fest verankerten Bestandteil des örtlichen Kulturlebens aus. Ein Blick auf die Spielpläne seit 1996 verdeutlicht, dass es sich um einen Bestandteil mit Anspruch handelt.

Man macht keineswegs einen Bogen um die Theaterklassiker: Shakespeare, Moliere, Goethe, Schiller, Tschechow und Co. sind regelmäßig vertreten. Aber der Schwerpunkt ist doch in Richtung 20. Jahrhunderts und Gegenwart verschoben. Williams, Beckett, Pinter, Brecht, Frisch, Dürrenmatt, Dario Fo … umreißen (nebst Seltenheiten von Marguerite Duras oder Simone de Beauvoir) das breite Spektrum der hier intensiv gepflegten klassischen Moderne. Ähnlich stark sind Gegenwartsautoren vertreten: Enzensberger, Botho Strauß, Peter Shaffer,  Brian Friel, Igor Bauersim uvm.  Ein besonderes Kapitel stellen die Bemühungen des kleinen Theaters um das Werk des in Ehrenbreitstein geborenen Schriftstellers Joseph Breitbach (1903-1980) dar. Aufführungen seiner kaum je gespielten Stücke im Konradhaus trugen dazu bei, dass der von Breitbach gestiftete höchstdotierte deutsche Literaturpreis heute, statt in Mainz, in Koblenz verliehen wird.  

So unterscheidet sich das Konradhaus vom Stadttheater nicht nur dadurch, dass es kleiner ist, über nur spärlichere Mittel verfügt und für jede Produktion ein neues Ensemble  zusammen engagieren muss. Vielmehr hebt sich das Programmspektrum des Theaters in Ehrenbreitstein doch erheblich von dem im Koblenzer Stadtzentrum ab. Weshalb von Konkurrenz reden, Unsinn reden hieße. Es liegen sich ergänzende Angebote ans interessierte Publikum vor. Ergänzend auch im Sinne verschiedener Bühnen-Ästhetiken.  In Ehrenbreitstein verlangen schon die räumlichen und materiellen Bedingungen ein anderes, ein sparsameres, reduzierteres Inszenieren und Spielen. Das setzt Grenzen, öffnet aber auch interessante Wege zu anderen Sichtweisen und Darstellungsformen. Wäre dies nicht der Fall, Sehorsch und Hamlett hätten sich die Mühen des Konradhaus-Projektes von Anfang an sparen können: Denn beide waren damals beim Stadttheater fest angestellt.

In „ihrem“ Konradhaus kaprizierte sich der Sänger aufs Regiefach. Die ehemalige Tänzerin und Choreografin tat es ihm gleich, entfaltete zudem rege Aktivitäten als Dramatikerin. Sechs eigene Stücke hat sie in zehn Jahren auf die Bühne gebracht. Ingrid Sehorsch ist heute künstlerisches Herz, organisatorisch tragende Säule, Inhaberin und Chefin des Konradhauses. Von dem spricht sie gern als einem „Gesamtkunstwerk“. Der historischen Gebäudekomplex besteht aus drei Elementen: dem mehrgeschossigem Wohnhaus, in dem im 19. Jahrhundert preußische Festungsoffiziere logierten; in langgezogener L-Form eingeschossig angeschlossen die einstigen Stallungen für deren Rösser; und mittendrin ein wunderhübscher intimer Hofgarten, den die Hausherrin „englisch“ nennt.

Die ehemaligen Ställe sind heute das öffentliche Kernstück des Konradhauses, denn darin befinden sich ein Ballettsaal sowie das Theatercafé, das zugleich Foyer des eigentlichen Theaters ist. Dorthin geht es durch den Garten - in dem sich´s auch während der Spielpausen angenehm lustwandelt. Der Theaterraum selbst hat seine eigene Atmosphäre: Quasi angelehnt an eine offene historische Bruchsteinmauer, ausgelegt mit  Terracotta-Fließen, entsteht eine Art Theater im Gewölbe. Dieser Raum schafft immense Bühnennähe, schreit förmlich nach Spiel im kleinen Format, das wenigen Protagonisten nahe, sehr nahe tritt. Kammerformate sind denn auch stark im Spielplan vertreten.

Der Raum ist lang, aber schmal, die Bühne demgemäß klein. Dennoch gab und gibt es hier immer wieder auch Versuche mit zwar personalreduzierten, aber dennoch vergleichsweise opulenten Produktionen von Großdramen. „Maria Stuart“, „Andorra“, „Kaufmann von Venedig“ etwa machten schon der Kosten wegen aus Profis und Amateuren gemischte Ensembles notwendig. Beim Publikum besonders beliebte  Bonbons sind die Revuen. Die erste, „Zieh Dich aus Petronella“, konnte in zwei Spielzeiten 30 mal vor vollem Haus gezeigt werden. Es folgten u.a. „Das große Los“, „Die Glücksucher“ oder eine Zarah-Leander-Revue unter dem Titel „Wunderbarrr!“

Ob Kammerspiel, großes Drama oder unterhaltsame Revue, in fast allen Fällen handelt es sich um Eigenproduktionen des Konradhauses und nicht um zugekaufte Gastspiele. Es gibt einige Regisseure und Schauspieler, die sich immer wieder nach Ehrenbreitstein engagieren lassen, denn hier können sie „für kleine Gage große Kunst machen“. Ingrid Sehorsch verschweigt nicht, dass Geld in diesem Theater immer knapp ist. Aber aus sehr wenig viel machen zu wollen, scheint eine ihrer wichtigsten Arbeitsmaximen. Und offenbar funktioniert das ganz gut: „Die Kollegen ließen sich von uns begeistern, mit uns gutes Theater zu machen. Theater, das auf handwerklichen Qualitäten basiert und der Imagination freien Raum ließ.“

Auf dieser Basis gelang es Sehorsch, finanzielle Föderung von außen einzuwerben, ohne die auch das Theater Konradhaus nicht existieren könnte. Es kommt Unterstützung vom Land und vom Kultursommer, von der Koblenz-Touristik und vom städtischen Kulturamt; ein wertvoller Förderer ist der örtliche Verein „Kultur und Künste“. Davon abgesehen, dass es sich dabei nicht gerade um Millionen-Ausschüttungen handelt, bedauert Sehorsch ein bisschen die Projektbezogenheit der Zuwendungen. Für jede Produktion muss der Zuschuss neu beantragt werden – der bürokratische Aufwand ist beträchtlich, die temporären Ungewissheiten alle Jahre zerren an den Nerven, langfristige Planungen sind fast unmöglich. Das ist das ewige Leid der freien Szene. Aber man will nicht jammern am Kapuzinerplatz, sucht stattdessen nach ergänzenden Einkünften. Die Räumlichkeiten können für Feste, Feiern und Veranstaltungen gemietet werden. Das Konradhaus bietet obendrein diverse Kurse im weiten Feld von Ballett und Theater an.

Zukunftsvisionen, Frau Sehorsch? Zum Zeitpunkt unseres Gespräches brummt der Theaterchefin noch der Kopf vom Zug der Brechtschen „Mutter Courage“ über die Festung Ehrenbreitstein und das Ford Konstantin, durch die Koblenzer Altstadt und den Ortskern von Ehrenbreitstein. Im August gibt´s ein kurzes Verschnaufen, dann geht es schon hinein in die neue Spielzeit unter anderem mit dem Jugendstück „Under Cover“ und mit Goethes „Faust I“ . Was der Hausherrin allerdings langfristig auch im Kopfe steckt, sind Kooperationen mit anderen Theatern im In-, mehr noch im Ausland. Horizonte eröffnen, Möglichkeiten ausschöpfen – über das dazu notwendige Selbstbewusstsein verfügt Ingrid Sehorsch: „Wir brauchen den Vergleich mit anderen freien Theatern in den Großstädten nicht zu scheuen.“

Am 15. September wird indes erstmal der 10. Geburtstag gefeiert: Vormittags mit Festakt, am Abend mit einer letzten Aufführung der „Mutter Courage“ auf der Festung Ehrenbreitstein. Happy Birthday!
 
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