Kritiken Theater
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2006-09-07 Schauspielkritik:
Als die Amerikaner Remagen erreichten

Uraufführung im Schlosstheater Neuwied: Berühmte Romanvorlage wurde Dokumentationsspiel "Die Brücke"
 
ape. Neuwied. Uniformen, Waffen, Volksempfänger, Feldtelefon, Blechgeschirr... - alles original. Die Staffage von Sylvia Rüger und Rolf Cofflets Tunnel-Gefechtsstand-Bühne unterstreicht von Anfang an den dokumentarischen Anspruch des Stückes "Die Brücke". Mit der Uraufführung dieser Bühnenbearbeitung des Romans "Die Brücke von Remagen" eröffnete die Landesbühne Rheinland-Pfalz am Schlosstheater Neuwied jetzt die Theatersaison 06/07 in der Großregion.
 
Intendant Walter Ullrich hat die Dramatisierung des Buches von Rolf Palm besorgt und auch Regie geführt. Ullrich weiß um die Fallen, in die selbst eine gut gemeinte theatrale Verarbeitung von Heimatgeschichte tappen kann. Vor allem, wenn es sich um Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg handelt. Gefreiten-Nostalgie, Ursachenblindheit, pittoreske Fall-Verzählches lauern da. Die Neuwieder Kompaktdarstellung der Ereignisse vom 7. März 1945 geht solchen Gefahren sorgsam aus dem Weg.

Die Geschichte von der ausgebliebenen Verteidigung und der missglückten Sprengung der Remagener Rheinbrücke beginnt im Theater mit einem langen, leisen Monolog des US-Leutnants Timmermann (René Oltmanns). Beim Blick von der Höhe auf die Brücke, die er noch am selben Tag erobert, erklärt er die militärische Lage. Und erzählt von sich - dem US-Soldaten, Sohn eines im Ersten Weltkrieg aus der deutschen Armee desertierten Mannes.

Diese Figur ist die einzige im Stück mit einer individuellen Geschichte, und die führt sogleich einen Antikriegs-Grundton in die Inszenierung ein. Mit der fast wie eine Lesung klingenden Eingangsszene hält Ullrich auch die Verbindung zur Literatur, dämpft zugleich eventuelle Erwartungen auf kriegerisches Aktionstheater. Freilich, nachher kracht es auch ein bisschen, tobt allerhand Wehrmachtspersonal zumeist kopflos über die Bühne. Das rührt vom Format "gespielte Dokumentation" her, die im Fernsehen zurzeit groß in Mode ist, am Theater aber eher selten vorkommt.

"Die Brücke" ist Doku und Lehrstück in einem. Dass Großdeutschland im Frühjahr '45 vom Endsieg weiter entfernt ist als je, macht das Stück mit vielerlei Fakten deutlich, die alle auf eines hinauslaufen: Der Führer hat abgewirtschaftet, die Wehrmacht befindet sich in Auflösung. Für die Mehrheit der Menschen in Gefechtsstand und Tunnel an der Remagener Brücke heißt das vor allem: die letzten Tage überleben. Diesem gesunden Menschenverstand stellt das Stück Unbelehrbare gegenüber: einen fanatischen Hitlerjungen, einen Kampfkommandanten, der bis zuletzt von einer deutschen Gegenoffensive fantasiert, sich aber schließlich mit 'nem Fahrrad verdrückt.

Timmermann ist der einzige Charakter im Spiel. Alle übrigen der mehr als zwei Dutzend Mitspieler sind Typen: vom weinerlichen Buben über den rheinischen Gemüts-Feldwebel bis zum überforderten Etappen-Hauptmann. Mehr Einzelpsychologie braucht dies Doku-Theater nicht, um auf einfache und sehr direkte Art zu erzählen, was es erzählen will. Weshalb es auch wenig Sinn macht, das Projekt "Die Brücke" nach kunstästhetischen Maßstäben beurteilen zu wollen. Am Ende steht, diesmal heimatgeschichtlich unterstrichen, die Botschaft: Von diesem Land sind zwei Weltkriege ausgegangen, einen dritten darf es nicht geben.    Andreas Pecht
 
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