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2006-09-17 Schauspielkritik:
Arthur Schnitzlers Komödie "Professor Bernhardi" in heute angemessenem Ernst

Annegret Ritzel inszenierte dem Stadttheater Koblenz eine handwerklich sehr gute, aber altbackene Umsetzung
 
ape. Koblenz. Das Stadttheater Koblenz legt mit Arthur Schnitzlers Komödie „Professor Bernhardi“ einen sehr ernsten, nachdenklichen Saisonstart hin. Komödie und sehr ernst? Was Schnitzler um 1910 als Charakterkomödie über die ärztliche und politische Hautevolee Wiens seiner Zeit geschrieben hatte, ist seit dem Dritten Reich nur schwer als Humorstück spielbar. Noch mehr Ernst wird dem Werkverständnis heute aufgezwängt durch die Wiederkehr des Religiösen als eines dominanten Faktors im Weltgeschehen. Insofern ist Annegret Ritzels Entscheidung, nicht komisch zu inszenieren, völlig in Ordnung.
 
„Professor Bernhardi“ bevölkert die Bühne mit lauter Männern:  dem Ärztekollegium einer  elitären, privaten Poliklinik, die zugleich Forschungs- und Lehrinstitut ist. Zwischen 18 Professores und Doctores nur eine Frau, die Krankenschwester Ludmilla (Judith Richter). Sie holt den Pfarrer, damit er einer Todkranken die Sterbesakramente spende. Da die  Patientin sich jedoch euphorisch auf dem Weg der Heilung wähnt, verwehrt Klinikchef Bernhardi dem Geistlichen den Zutritt: Der Arzt will der Sterbenden die schreckliche Wahrheit ersparen und ihr so einen sanften Tod ermöglichen. Während Pfarrer und Arzt noch disputieren, stirbt sie.

Vor dem Zwischenfall ist das Kollegium Ort von (durchaus einkürzbaren) Eifersüchteleien und selbstsüchtigen Intrigen. Danach verwandelt es sich in ein Schlachtfeld. Dort kochen Deutschnationale und Klerikale ihr politisches und karrieristisches Süppchen, indem sie religiöse Ressentiments wider den Liberalen und Juden Bernhardi anheizen.
 
Ritzel hat sich für ein eng am Text bleibendes, formal konservatives, fast naturalistisches Spiel entschieden. Dem mag der Gedanke zugrunde liegen, dass so das in Koblenz noch nie gezeigte Stück am besten kennenzulernen sei. Ansonsten vertraut die Regisseurin wohl darauf, dass Text und Handlung  ihre Relevanz von alleine beweisen. Den Zuseher, der Theater als Anregung zum Weiterdenken versteht, vermöchte in der Tat „Professor Bernhardi“ ähnlich zu bewegen wie Lessings „Nathan“.
Insofern könnte diese Inszenierung durchaus als  Stellungsnahme des Koblenzer Theaters zur Gegenwart verstanden werden. Muss es aber nicht, so demonstrativ historisierend  fallen Kostüme (Claus Doubeck), Bühnenbild (Siegfried E. Mayer) und  Spielweise des gesamten Ensembles aus.

Das ist alles handwerklich gut bis sehr gut gemacht. Dirk Diekmann als Bernhardi ein glaubwürdiger, intensiver Gerechter, der auch ungenießbar sein kann. Soeren Langfeld als  Ebenwald teuflischer Intrigant im Gewand dessen, der nur das Beste für die Klinik will. Olaf Schaeffer als Muster eines raffiniert seinen Eigennutz hinter Gemeinnutzstreben verbergenden  Politikers. Das ganze, zurecht ausgiebig beklatschte, Ensemble ist prima eingestellt   auf dreieinhalb Stunden aufregenden Schnitzler – wie von ehedem.
Andreas Pecht
 
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