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2006-09-25 Gastbeitrag von map:
Tradition aus Ton trifft Kunst der Moderne im Keramikmuseum
Höhr-Grenzhausen
 

Kannenbäckerland ist ein  Zentrum der Keramikszene -
Museum von europäischer Bedeutung
     
map. Höhr-Grenzhausen. Der Besucher betritt ein helles Foyer: Kalender, Geschirr, Regenschirme und andere Souvenirs prägen den flüchtigen Eindruck. Doch geht der Blick nach links, eröffnen sich dem Betrachter die ersten keramischen Werke. Es ist ein unscheinbares Gebäude im Höhr-Grenzhausener Stadtteil Grenzhausen, dass das Keramikmuseum Westerwald beherbergt. Im Stil der 1980er- Jahre präsentiert sich die Architektur. Im Inneren des Hauses Lindenstraße 13 hingegen verbergen sich auf 1500 Quadratmetern Ausstellungsfläche Schätze aus Ton. Verschiedene, meist verwinkelte Ebenen halten stets Neues bereit. Und das ist fast Programm, denn Keramik lässt sich in keine Schublade pressen. Hier dient der Ton als Material für verfremdete Körper, schlichte Skulpturen oder gewagte Büsten. Dort formt der lehmige Schatz aus der Westerwälder Erde Vasen, grau-blaues Geschirr oder gar technische Wunderwerke für die Raumfahrt. Es ist ein großer Bogen, den das Keramikmuseum Westerwald schlagen muss. Das weiß auch Museumsleiterin Monika Gass, die seit nunmehr knapp fünf Jahren der führende Kopf der Einrichtung ist.
  
Wenn sie über Keramik spricht, gerät sie schnell ins Schwärmen: „Ton besitzt eine Plastizität, die sich scheinbar dem Willen des Benutzers fügt“, erzählt sie und ist mitten drin in ihrem Spezialgebiet Keramik. Klar, dass die Museumsleiterin besonders froh ist, in Höhr-Grenzhausen arbeiten zu dürfen. Denn: Nicht nur das Keramikmuseum genießt weltweit einen hervorragenden Ruf. Auch die Region an sich ist bekannt für Ton und Keramik. Doch wie heißt es so schön, der Prophet gilt im eigenen Lande nichts. Ganz mag das auf das Keramikmuseum nicht zu treffen, ein wenig passt das Sprichwort aber doch. Lange galt schweres Steinzeug mit grau-blauer Lasur als das Höchste im Kannenbäckerland, lange wurde billig, schnell und auf Masse orientiert produziert. Das hatte auch für das Museum folgen: Bierkrüge und grau-blaues Geschirr standen über allem, der Blick auf die Kunst wurde verstellt. Dabei ist keramische Kunst keine neue Erfindung. „Die ersten Artefakte waren künstlerischer Art“, erklärt Monika Gass und wirbt engagiert für ihr Museum. „Das Haus ist eine Drehscheibe, die internationalen Rang hat“, betont sie. Das Fachpublikum aus aller Welt nutzt nicht nur die Ausstellung, sondern auch die Bibliothek und das reichhaltige Depot des Museums.
 
Zudem ist für Keramiker Höhr-Grenzhausen immer eine Reise wert. Nirgends liegen Kunst, Wissenschaft und traditionelle Fertigung so nah beieinander. „Wir sitzen hier eben auf dem Ton“, weiß Monika Gass und vernetzt das Keramikmuseum immer wieder mit verschiedenen Institutionen. Studenten der Fachhochschule, des Forschungsinstituts, der Fachschule Keramik oder des Instituts für künstlerische Keramik und Glas (allesamt in Höhr-Grenzhausen daheim) haben freien Eintritt, können Depot und Literatur nutzen. Regelmäßig bereichern auch Arbeiten der Studenten die Ausstellungen, sorgen manchesmal für Diskussion über Kunst in der traditionellen Keramik. „Die Branche ist ein rotierendes System. Da ist so viel Potenzial drin“, freut sich Monika Gass, studierte Kunsthistorikerin, Keramikerin und Pädagogin, gerade darüber. Genauso, wie sich die Branche – manchmal beschwerlich – wandelt, hat sich auch das Keramikmuseum Westerwald verändert. 1982 wurde das Gebäude in Höhr-Grenzhausen fertig und der Zweck der Einrichtung formuliert. Das staatliche Museum sollte für den Westerwaldkreis die grau-blaue Geschichte dokumentieren. Monika Gass studierte damals unter anderem an der freien Kunsthochschule in Kassel und erinnert sich: „Wir Studenten waren damals froh über ein solches Museum und kannte Höhr-Grenzhausen natürlich.“
 
Aber die Zeiten haben sich geändert, Ausstellungen sind längst keine Selbstläufer mehr. Mittlerweile werden die festen Ausstellungsbereiche historische Keramik, Keramik der 50er- bis 80er-Jahre, zeitgenössische und technische Keramik immer wieder verändert und ergänzt. Bunte Gartenzwerge kamen jüngst für einige Zeit hinzu und entwickelten sich zum Publikumsrenner. Aber besonders die wechselnden Ausstellungen können sich sehen lassen und unterstreichen den internationalen Ruf des Museums. Jüngst wurden Werke von deutschen Künstlern gezeigt, die Mitglied in der „Académie Internationale de la Céramique“ sind. Die europäische Keramikszene versammelte sich zur Ausstellungseröffnung in Höhr-Grenzhausen, ein weiterer Ritterschlag für das Museum. „In unserem Museum ausgestellt zu haben, ist heute ein internationales Prädikat“, ist Leiterin Gass stolz.
 
In der internationalen Keramikszene ist das Westerwälder Museum längst angekommen. Doch zu Hause gibt es noch die ein oder andere Baustelle. Das ist durchaus wörtlich zu nehmen und macht die Museumsleiterin sogar sehr glücklich. Ein Anbau, finanziert durch Landesmittel, Sponsoren und den Westerwaldkreis, soll nämlich noch dieses Jahr fertig werden und den chronischen Platzmangel beenden. Das Depot bekommt beispielsweise wieder etwas mehr Luft. „Keramik lässt sich so schlecht stopfen“, schmunzelt Monika Gass und erklärt: Mit dem 3,5 Millionen Euro teuren Anbau entsteht mehr Lagerraum für wertvolle Exponate, ein großer Konferenz- und Seminarraum, Ausstellungsfläche für die technische Keramik und endlich eine adäquate Bleibe für die Museumspädagogik.

Der offene Charakter des Hauses wird unterstrichen. Denn schon jetzt können Unternehmen oder Institute Kongresse im Keramikmuseum ausrichten, künftig mit etwas mehr Komfort. Aber der Anbau unterstreicht auch ein weiteres Standbein, das in modernen Museen unverzichtbar ist: die Museumspädagogik. Diese liegt der Erziehungswissenschaftlerin Monika Gass naturgemäß am Herzen, trotz aller bisherigen Erfolge gibt es aber Probleme genug. Das finanzielle Budget ist knapp und seit das Museum Teil der Museen im Westerwald GmbH ist, wird es mit den regelmäßigen Fördermitteln vom Land schwierig. In der Praxis heißt das, dass eine festangestellte Kraft für die Museumspädagogik bisher fehlt. Trotzdem wird eine Menge angeboten. „Da sind wir immer noch ganz gut vertreten“, sagt Monika Gass.
 
Gemeinsam mit der ganzen Familie können neue Materialien ausprobiert werden, manchesmal wird sogar im Museum übernachtet oder Kindergeburtstag gefeiert. Die Kinder sind dann nicht nur passive Besucher, sondern aktive Töpfer, Archäologen oder Designer. Das Konzept geht auf. „Museumspädagogik ist nicht nur für die Bildungsarbeit gut, sondern auch eine Einnahmequelle für das Museum“, erklärt die Chefin. Zudem wird dafür gesorgt, dass auch künftig die Besucher nicht ausgehen. Dieses Problem stellt sich derzeit übrigens noch nicht. Gerade im Herbst und Frühjahr ist in Höhr-Grenzhausen Museumssaison, Busse aus aller Welt bevölkern den Parkplatz des Museums. Denn auch der Tourismus ist ein Faktor im Kannenbäckerland, hauptsächlich wegen der Keramik. Damit ist das Museum in der Linderstraße das Aushängeschild für mindestens zwei Branchen: der Keramikszene und des Tourismus. Da kommt die bauliche Erweiterung des Gebäudes nur Recht und dokumentiert, dass Keramik kein Relikt aus längst vergangenen Zeiten ist.
Marco Pecht
 
Infos im Internet: www.keramikmuseum.de
 
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