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2006-10-04 Porträt:
Fünf Blechbläser servieren feurige Schärfe

Musiker der Rheinischen Philharmonie  verbinden im „Shezan-Quintett“ Brass-Virtuosität mit Humor
 
ape. Was den Münchner Philharmoniken seit 1986 ihr „Blechschaden“, dem SWR-Rundfunkorchester und der Staatsphilharmonie Ludwigshafen seit 1987 das „Rennquintett“, ist dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie (SRP) in Koblenz seit 2000 das „Shezan-Quintett“: Ein Ensemble, ausschließlich aus Blechbläsern des Orchesters bestehend. Die Namen der Brass-Gruppen sind so kurios wie bisweilen auch ihre Programme und die Art ihrer Auftritte: Frech die Grenzen musikalischer Stile sprengend, oft augenzwinkernd den  Konzert-Auftritt zur Varietée-Reife treibend. Beim SRP gibt es gleich zwei Blech-Formationen: das große Rhine Philis Orchestra, das  früheren bereits vorgestellt wurde ( 2006-02-12: Rhine Philis Orchestra) und das kleine „Shezan-Quintett“, von dem hier nun die Rede ist.
 
Sinn und Hintersinn der Namensgebungen „Blechschaden“ oder „Rennquintett“ erschließen sich auf den ersten, für durchschnittlich intelligente Zeitgenossen spätestens auf den zweiten Blick. Aber "Shezan", was meint das? Schmunzelnd erinnert sich Posaunist Gerwin Steinberg an die Namensfindung. Shezan geht auf die Vorliebe eines Gründungsmitgliedes für sehr scharfes Essen zurück. Der Trompeter, der inzwischen Koblenz verlassen hat, speiste  während seines Studiums im britischen Manchester gerne in einem indischen Restaurant namens „Shezan“ – was so viel bedeutet wie feurig, scharf, peppig. Eben so wollte man sein, wurde es  und will es bleiben,  auch nach den unvermeidlichen Personalwechseln, die ein solches Ensemble im Laufe der Jahre durchmachen muss.

Eine Dame und vier Herrn, so war die „scharfe“ Brass-Truppe in Koblenz von Anfang an besetzt. Trompeterin Petra Lorenzen da Silva gehört wie Steinberg und Bassposaunist Martin Balser zur Urbesetzung. Nach zwei Abgängen kamen 2005 Trompeter Andreas Schaaf und im Frühjahr 2006 Hornist Ioan Plautz neu hinzu. Was treibt die fünf, neben ihrer durchaus arbeitsintensiven Beschäftigung als Orchestermusiker im SRP, bisweilen nicht unerhebliche Teile ihrer Freizeit in dieses Bläserquintett zu stecken? Zumal sie alle miteinander ja auch noch dem Rhine Philis Orchestra angehören. Die beiden Vertreter der Posaunenfamilie sprechen von der Freude  „an der eigenen Sandkiste“, die Trompeter vom Bedürfnis, statt der im Orchester zumeist üblichen Kleinteile mal richtige Vollpartien zu musizieren.

Für die Blechensembles in der Tradition der legendären „Canadian Brass“ ist „kreative Piraterie“, will sagen: die Aneignung von ursprünglich für ganz andere Besetzungen geschriebener Werke, schiere Selbstverständlichkeit. Die Originalliteratur für reine Blechbesetzung ist – abgesehen von Fest- und Turmmusik - nicht eben üppig gesät, Kompositionen speziell für Blechbläser-Quintett entstehen eigentlich erst mit dem 20. Jahrhundert. Also wird sowohl im E- wie im U-Musikbereich munter adaptiert und neu arrangiert. Passionierter Arrangeur bei „Shezan“ ist Martin Balser. Aus seiner Feder stammt beispielsweise eine humorige Bearbeitung von „Hofmanns Erzählungen“, die das Quintett bei den Mittelrhein Musik Momente 2002 aufführte. Im Jahr darauf steuerte die Truppe allerlei munter-humorige Variationen des Klassikers „Die Forelle“ zum Festival bei.

Überhaupt der Humor: Die kleinen Brass-Ensembles haben die Big-Band-Manier der Spaßeinlage übernommen, ausgeweitet und verfeinert. Zum virtuosen Instrumentalspiel klassischen, zeitgenössischen oder poppigen Zuschnitts treten Slapstick-, Comedy- und Kabarettelemente. Die Musiker werden auch zu Schauspielern und Clowns. Beim Shezan-Quintett ist Gerwin Steinberg treibende Kraft, wenn es um den gehobenen Unsinn geht. Alle machen mit, bringen eigene (Schnaps-)Ideen ein. Aber nicht jedem hat die Natur das gleiche Talent zur Harlekinade in die Wiege gelegt. Also gilt das Prinzip: Jeder so lustig wie er kann. Arbeit macht freilich beides reichlich, Musik und Humor. Weshalb es alle fünf bedauern, dass die erarbeiteten Programme oft nur ein einziges Mal zur Aufführung kommen. „Wir würden gerne öfter auftreten“, so Schaaf, „aber das ist logistisch und marketingmäßig schwer hinzukriegen; da bräuchte man schon wieder ein eigenes Managment.“ Stärker als mit ihren abendfüllenden Programmen, sind die fünf Bläser für stimmungsvolle Momente zur Weihnachtszeit sowie bei Repräsentations- und Festanlässen gefragt. Festliche Blechbläsermusik macht eben bei einem Staatsakt auch heute noch ordentlich was her.

Wie im gesamten Umfeld der SRP, so nimmt die Arbeit mit Kindern auch beim Shezan-Quintett eine besondere Stellung ein. 12 bis 15 Mal pro Jahr veranstalten die Bläser ihr „musikalisches Klassenzimmer“. Sie besuchen dann Grundschulen in der Region, betreiben mit den Kindern Instrumentenkunde am Originalobjekt, erzählen Blechmusikgeschichte und musizieren. Das Interesse ist groß. Die Kinder haben daran viel Spaß, unsere Bläser auch. Sie räumen allerdings ein kleines Problem ein: Die Lautstärke und vermeintliche Robustheit der Blechbläserei „putscht die Schüler auch ganz schön auf. Sie wieder runter zu kriegen, ist bei jedem Schulbesuch immer wieder eine Herausforderung.“ Der sich die „Feurigen“ immer wieder gerne stellen.  (Anlaufstelle für interessierte Lehrer: trompetra@web.de).

Am 22. April nächsten Jahres hat das Shezan-Quintett seinen Auftritt im Rahmen der Konzertreihe „Stunde der Philharmonie“ im Koblenzer Görreshaus. Auf dem „diesmal mehr seriösen“ Programm steht unter anderem Monteverdi – natürlich eigens für Blechbläser-Quintett umarrangiert. Abschließende Frage an die Fünf: Was spielen sie am liebsten, Orchester, Big Band oder Quintett? Ebenso diplomatische wie glaubhafte Antwort: „Die Mischung macht´s“.   
Andreas Pecht
 
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