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2006-12-13 Buchbesprechung:
Die Gedichte des Hans-Joachim Heyse

77-jähriger Theatermacher im Ruhestand erhebt mit reimloser Lyrik noch einmal die Stimme: "Standspuren - Mayener Epigramm 2003 bis 2006"

 
ape. Es gibt Gedichte, die sind besinnlich. Es gibt auch Gedichte, die rufen zur Besinnung. Besinnlich, Besinnung – beide Wörter meinen ein Unterbrechen des bewusstlosen Flusses  der Dinge. Und doch ist das eine in seiner lieblichen Süße eher beruhigend, während das andere am tumben Menschengeist rüttelt: Komm endlich zur Besinnung!  Von letzterer Art sind die Gedichte des Hans-Joachim Heyse. „Standspuren – Mayener Epigramme 2003 bis 2006“ ist das Bändchen betitelt, in dem jetzt 38 davon veröffentlich worden sind.
 
Heyse und Gedichte? So muss fragen, wer weiß, wie sehr das Theater 53 von nunmehr 77 Lebensjahren dieses Mannes bestimmte. Regisseur, Schauspieler, Intendant, Theaterlehrer, Shakespeare-Übersetzer war er in Magdeburg, Zeitz, Eisenach, Meiningen, Bochum, Wunsiedel, Essen. 1970 bis 1981 stand er den Bühnen Bonn als Generalintendant vor. 1988 bis 2003 stand er als Leiter der Mayener Burgfestpiele für ein überörtlich beachtetes Schauspielfestival mit ernsthaftem Kunstanspruch ein.

Vorbei. In Mayen ist er geblieben, wohnt mit Blick auf seine letzte Wirkungsstätte, die Genovevaburg. Das Theater war Heyses Sprache, mit ihm konnte er aufmerksam machen,  Nachdenken einfordern, zur Besinnung rufen. Was nun, im Ruhestand? Der Theatermacher ohne seine Sprache - sprachlos? Viel hätte nicht gefehlt. Aber Heyse erkämpfte sich eine neue Ausdrucksform: das Gedicht, diesen Verwandten des klassischen Bühnenidioms.

Wie schreibt er? Reimlos, in einer Mischform aus assoziativer und argumentativer Lyrik, Blankvers bisweilen, brechtisch. Wovon schreibt er? Vom Leben. Vom eigenen, wie es war und was da manchmal war. Es sind Rückblicke, Erinnerungen, kleine Bilanzen auch, und späte Erkenntnisse eines alt gewordenen, geistreifen Mannes. Der Blick auf die drei Töchter,  Liebeserklärungen an die „Ersatzmutter“, an den Malerfreund, an den Nestor, an den Schauspielkollegen. Dazwischen der zugelaufenen Katze ein Denkmal, und dem zerborstenen Baum im Garten auch. Das sind persönliche Verse, sind es so sehr, dass sie dem Leser wie nur für ihn geschrieben vorkommen.

Heyse wäre nicht Heyse, beschränkten sich die Gedichte auf Innerlichkeit und Privatheit. Er war als Theatermacher ein Sänger der Widerständigkeit, er ist es als Dichter geblieben. Mag sein Kopfschütteln über die Irrsinne der Zeiten leise daherkommen, so klingt dem, der die Aufforderung zum Mitdenken annimmt, bald die Zornesstimme des renitenten Aufklärers im Ohr, der Gott vor seinen Parteigängern retten möchte und die Menschen vor wohlfeiler Mitmenschlichkeit ebenso wie vor wissenschaftlich-politischer Gescheitmaierei warnen.

Gereift in 77 Jahren, blickt Hans-Joachim Heyse nicht ohne Bitterkeit auf den Strom der Zeit – wissend, warum sein Ratschlag im Trubel untergehen wird: „Sie wollen immer weiter fahren, / obwohl sie anhalten könnten! // Erst später bemerkte ich, / wohin sie so ehrgeizig drängten: // Sie mussten unbedingt / die Pole-Position besetzen beim großen / Finale der Lemminge …“ . So heißt es im ersten Gedicht unter der leitmotivischen Überschrift „Beobachtungen aus der Standspur“.
Andreas Pecht

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Hans-Joachim Heyse: „Standspuren – Mayener Epigramme 2003 bis 2006“. Burg Verlag Rehau (ISBN 978-3-937344-40-9), 56 Seiten, 12,80 Euro.     
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