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2007-01-07 Schauspielkritik:
"Der Parasit" im Staatsdienst

Dieter Boyer schuf für Staatstheater Mainz eine solide Inszenierung des selten aufgeführten Lustspiels von Friedrich Schiller
 
ape. Mainz. Das Lustspiel „Der Parasit“ von 1803 eine Rarität zu nennen, wäre  wohl übertrieben. In den 1980ern noch ganz gerne gespielt, verschwand die Schillersche Übersetzung und Bearbeitung der Vorlage von Louis-Benoit Picard hernach indes weitgehend von den Spielplänen. Grund dafür, vielleicht: Gewogen und zu leicht befunden.  Am Staatstheater Mainz hat  jetzt der junge Regisseur Dieter Boyer die Geschichte von Aufstieg und Fall des intriganten Karrieristen Selicour in Szene gesetzt. Beim Premierenpublikum im Kleinen Haus kamen die 90 amüsanten Minuten sehr gut an.
 
Erster Auftritt von Selicour: Zlatko Maltar  rauscht auf die Bühne, Swing in den Armen, Schwung in den Hüften, Richling-Grinsen im Gesicht. Achtung, hier komm ich, meint das und soll einen einnehmenden Gewinnertypen vorstellen. So einen strahlemännlichen Yuppie-Fuzzi, der  mit raffinierter Selbstverkaufe all seine Unfähigkeiten überspielt und sich die Karriereleiter hinauf gaunert. Ausgestochen, ausgenutzt bleiben Kollegen, Freunde, Verwandte auf der Strecke. So war es damals, so ist es erst recht heute. „Kriecht, schmeichelt, macht den Krummbuckel! Das ist der Weg zum Glück und zur Ehre!“ Derart bringt  der von Selicour auf die Straße gesetzte La Roche (Andreas Mach) das System hierarchischer Machtgefüge auf den Punkt.

Der Stoff ist voll bitterer Wahrheiten. Die werden hier zugespitzt bilanziert in dem das Happy-end kommentierenden, ans Publikum gerichteten Schlusssatz: „Machen sie sich keine Sorgen, die Gerechtigkeit ist nur auf der Bühne.“ Da hat der Bösewicht eben alles  verloren, was er sich zuvor durch den Klau von anderer Leute Leistung erschlichen hatte: Minister Narbonnes Vertrauen, dessen ihm versprochene Tochter (Tatjana Kästel), die Anbetung von deren Großmutter (Monika Dortschy) und seine beruflichen Glanzaussichten.

Hugo Gretler hat auf die Mainzer Bühne einen  Guckkasten gestellt, der erst  Narbonnes Amts-, hernach dessen Privatreich andeutet. Die Kulisse unterstreicht, was auch die Spielweise der Protagonisten unmissverständlich lässt: Dies ist ein Spiel, ein Gleichnis, eine Parabel. Ein komisches Zerrbild der Wirklichkeit – ihr aber gerade deshalb gerecht werdend.  Thomas Marx gibt die Karrikatur eines Ministers: Eine Mixture aus staatstragender Autorität und herablassender Jovialität. Man kennt den Typus am Regierungssitz Mainz. Als  Gegenstück zu Selicour  formt Marcus Mislin den ehrlichen, braven, bescheidenen Staatsdiener Firmin.   Dessen Sohn wird bei Daniel Seniuk eine Type, die  weinerlich nach Papa greint, ihn aber auch gerne zu mehr Ehrgeiz anstacheln würde.

Dieter Boyers Inszenierung erliegt nicht der Lockung, das Stück durch boulevardeskes Tempospiel zur krachledernen  Schmonzette aufmotzen zu wollen. Auch mag er der Neigung vieler junger Theatermacher zum Comedy-Instrumentarium nicht folgen. Das ist recht so, wenngleich das Bemühen um humorig-hintersinnige Gediegenheit die ein oder andere betuliche Strecke verursacht. Dennoch: Eine solide Produktion eines solide geistvollen Stückes. Mehr Schiller hat dieses Schiller-Stück nunmal nicht.
Andreas Pecht
 
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