Thema Kultur
Thema Menschen / Initiativen
homezur Startseite eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor Seitenübersicht • sitemap • Plan du siteÜbersicht sitemap Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken

2007-02-26: Gastbeitrag von map
Der lange Weg zum Rockstar

Nachwuchsbands gibt es in der Region viele –
Rheinland-pfälzische LAG Rock und Pop hilft und fördert
 
map. Rheinland-Pfalz. Tokio Hotel liefert den Soundtrack zur Pubertät, die Killerpilze könnten bestens für Pickelcreme Werbung machen und Silbermond oder Juli bieten das Lied zum ersten Liebeskummer: Mit 13 bis 19 Jahren sind nicht nur die Mitglieder von berühmten deutschen Bands so jung wie nie, auch deren Fans haben gerade erst Benjamin Blümchen aus dem Kassettenfach ihres Rekorders rausgeholt. Casting Shows produzieren ein One-Hit-Wonder nach dem anderen und zwischen all dem geben fast jährlich alternde Rocker wie die Großväter von den Rollingstones ihre traditionelle Abschiedstournee. Das Musikgeschäft ist unübersichtlich geworden - auch im Großraum Koblenz. Einer, der den Überblick behält ist Markus Graf von der Landesarbeitsgemeinschaft Rock und Pop. Graf behauptet: Rund um Koblenz gibt es eine relativ große Bandszene. Ein Gespräch über Musikstile, Casting Shows und Spitzenförderung in Rheinland-Pfalz.
 
Im Büro der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Rock und Pop in Koblenz hängen viele Plakate an der Wand: Junge rockende Menschen dokumentieren ein Stück Musikgeschichte der Region. Doch von einer vergangenen Episode spricht Markus Graf von der LAG Rock und Pop nicht. Die Bandszene lebt in Rheinland-Pfalz, ist sich der 36-Jährige sicher. Doch verklären will er nichts. Graf weiß, dass nicht viele Musiker bundesweit oder gar international die Hallen füllen können. Dennoch: Auch die typische Kellerband hat ihre Daseinsberechtigung. Und wie bei Tokio Hotel oder den Killerpilzen geht es in Rheinland-Pfalz früh los. „Die jüngsten Bands hier sind noch schulpflichtig“, erklärt Graf. Und neben den vielen Gruppen, die die LAG kennt, gibt es natürlich noch viele andere außerhalb der Scheinwerfer. Graf: „Etliche Bands haben nur Spaß am Musikmachen und werden nie die großen Bühnen erblicken.“ Macht auch nichts, das ist ein Teil Rock 'n' Roll.

Für alle rheinland-pfälzischen Nachwuchsmusiker, die eben nicht gerade Geige oder klassisches Klavier spielen möchten, ist die LAG Rock und Pop da. 1994 wurde sie gegründet, nötiges Geld erhält sie zu 80 Prozent vom Land Rheinland-Pfalz und zu 20 Prozent von Sponsoren. Das Motto ist ebenfalls eindeutig: Die LAG berät und fördert Menschen, die Spaß an der Rock- und Popmusik haben. Aber: „Pop-Musik-Förderung spielt noch immer eine untergeordnete Rolle“, bedauert Markus Graf. Dabei ist es doch genau dieser Musikstil, der die meisten jungen Menschen begeistert. Darum ist Rock- und Pop-Arbeit immer auch ein Stück Jugendkulturarbeit.
 
Nun sitzen die meisten jungen Bands also irgendwo im Hunsrück, Westerwald oder in der Eifel in der heimischen Garage, haben vielleicht schon in dem einen oder anderen Jugendzentrum gespielt, halten sich für halbwegs begabt - und wissen dann meist nicht weiter. Genau an diesem Punkt hilft die LAG, unterstützt bei den ersten Aufnahmen von Tonträgern, vermittelt Kontakte und gibt vor allem nützliche Tipps. „Wir müssen damit kein Geld verdienen“, nennt Graf einen Vorteil der LAG Rock und Pop. Darum unterstützen sie ohne kommerzielles Eigeninteresse. Die LAG betreut beispielsweise talentierte Bands längerfristig, vermittelt Auftritte und sorgt dafür, dass der Musikernachwuchs unter menschenwürdigen Bedingungen spielen darf. Und trotzdem betreibt die Landesarbeitsgemeinschaft auch eine Spitzenförderung. Nicht alle kommen in den Genuss einer längern Unterstützung, jeder bekommt jedoch Rat. So gibt es beispielsweise Workshops für Musiker, die zwischen Amateur und Profi stehen.
 
An dieser Stelle sind es in der Regel ganz einfache bürokratische Probleme, die angegangen werden müssen. Management-Techniken, Steuererklärungen oder Fördermöglichkeiten werden zum Thema. „Wenn irgendwas auf der Seele brennt, versuchen wir zu helfen“, erläutert Markus Graf das Konzept. Dabei gibt sich die LAG Rock und Pop nach außen hin so unbürokratisch wie möglich. Alle Mitarbeiter kommen selbst aus der Musik und haben die Höhen und Tiefen der regionalen Musikszene hautnah miterlebt. Diese authentische Besetzung ist gut, denn bei allem Rock' n' Roll ist so mancher Rocker schon heftig auf die Nase gefallen, wenn er seine Ausbildung an den Nagel gehängt hat und nur noch von der Musik leben wollte. Das Profi-Musiker-Leben funktioniert nur schwer, ohne geregelten Job. „Manche sollten das bürgerliche Leben nicht ganz vernachlässigen“, sagt Markus Graf schon mal dem ein oder anderen, bei dem das Talent nicht ganz so ausgeprägt ist. Doch auch mit Können alleine ist die große Karriere heute selten geworden. Die Ursache dafür liegt laut Graf bei der Musikindustrie. Die präsentiere sich zunehmend als geschlossene Gesellschaft und sei nicht bereit, angemessen in Nachwuchsförderung zu investieren. Markus Grafs Erfahrungen zeigen, dass die großen Musikunternehmen am kurzfristigen Geld interessiert sind. „Eigentlich müssten die Plattenfirmen zunächst für die Grundsicherung des Nachwuchses aufkommen“, weiß Graf. Aber: Die meisten wollten heute erst ein fertiges Album von der Band, bevor sie überhaupt Geld in die Hand nehmen.
 
Der Weg zum Superstar ist gar nicht so leicht, auch wenn das TV einen anderen Eindruck vermittelt. Aber genau da liegt der Unterschied zwischen sinnvoller Nachwuchsförderung und schalem Massengeschmack. Der LAG geht es um Menschen, die gerne Musik machen. Nicht um solche, die schnell berühmt werden wollen. Da wundert es nicht, dass Markus Graf „Deutschland sucht den Superstar“ und Co. keine guten Noten bescheinigt. „Wie dort mit den Leuten umgegangen wird, halte ich teilweise für menschenverachtend“, ist sein Urteil. Doch so ganz kann die LAG Rock und Pop auch nicht auf Casting-Elemente verzichten. Das medienwirksame Zugpferd der rheinland-pfälzischen Rock- und Popförderung ist nämlich der jährliche Newcomer- Wettbewerb „Rockbuster“. Fünf regionale Bands treten beim Finale in der Lahnsteiner Stadthalle gegeneinander an und stellen sich einer Fachjury. Dem Sieger winken Förderpreise.

Doch der Weg nach Lahnstein ist nicht leicht. Bei fünf Vorentscheiden werden die Finalisten ermittelt. Bewerben für das Procedere kann sich zunächst mal jede Band aus Rheinland-Pfalz die eigenes Songmaterial spielt und die Teilnahmevoraussetzungen erfüllt. Ausgewählt werden sie dann nach einem Kriterienkatalog, der etwa Gesang, Spieltechnik und Live-Präsentation bewertet. Entstanden ist der „Rock Buster“ übrigens aus dem „Landesnachwuchs-Festival für Rock und Pop“, das die Koblenzer Musikerinitiative von 1986 bis 1994, zuletzt sogar in der Sporthalle Oberwerth in Koblenz, organisierte.
 
Doch in Zukunft will sich die LAG Rock und Pop nicht nur auf den großen Wettbewerb konzentrieren. Freiräume zur individuellen Förderungen sollen geschaffen werden. Trotzdem ist der „Rockbuster“ das Ohr an der regionalen Bandszene. Während der Vorbereitung erfährt Markus Graf, welche Stilrichtungen gerade so auf dem Vormarsch sind. Seine Einschätzung ist allerdings eher ernüchternd: Viel Neues wächst da nicht heran. „Wirklich neue und bahnbrechende Musiktrends sehe ich nicht.“ bilanziert er. Eine Vielzahl der Musiker kommt aus dem Bereich Punk-Rock und ebenfalls unübersehbar ist die Hinwendung und Entdeckung der Vergangenheit unter dem Schlagwort „Retro“. „Letztlich wird fast nur noch mit Coverbands Geld verdient“, sagt Graf und sieht eine Ursache im Publikum. „Viele Konsumenten schwören nur auf das, was sie schon kennen“, bedauert der Szenekenner manches Mal. „Die Zuhörer sind wenig innovativ“. Da nutzt dann das leidenschaftlichste Rocken nicht viel, wenn das Publikum ausbleibt. Aber so ist es wahrscheinlich am Anfang sogar Tokio Hotel und Silbermond gegangen...
 
Marco Pecht

---------------------------------------------------------
Infos im Internet über LAG Rock und Pop: www.rockbuster.de

 
Diesen Artikel weiterempfehlen was ist Ihnen dieser Artikel
und www.pecht.info wert?
 
eMail an Autor • eMail to author • contact auteureMail an den Autor
eMail an webmaster • eMail to webmaster • contact webmastereMail an webmaster Seitenanfang • go top • aller en-hautan den Anfang Seite drucken • site print • imprimer siteArtikel drucken