Kritiken Theater
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2007-03-12 Ballettkritik: 
Ein großer, kontrastreicher Ballettabend

 Premieren-Jubel im Koblenzer Stadttheater für Uraufführungen von Nick Hobbs und Anthony Taylor

 
ape. Koblenz.
Die herausragenden Bühnenleistungen liefert derzeit in Rheinland-Pfalz die Tanz-Sparte. Wie vor einer Woche das ballettmainz der Theatersaison im Land den bisherigen Höhepunkt bescherte, so setzt jetzt die Koblenzer Ballettcompagnie der Spielzeit am örtlichen Stadttheater das Glanzlicht. Dort schloss die Premiere des jüngsten, zweiteiligen Tanzabends mit endlosem Beifall - und mit einer Verbeugung des Ballettchefs Anthony Taylor vor dem bald 30 Jahre jüngeren Gastchoreografen Nick Hobbs für dessen zuvor uraufgeführte Choreografie "musings and misadventures".

Diese "Grübeleien und produktiven Missgeschicke" sind die erste Auswärtsarbeit von Hobbs, seit der vormalige Tänzer Hauschoreograf beim ballettmainz geworden ist. Das starke, teils Schmunzeln machende, teils tief berührende Debüt zu Benjamin Brittens Frank-Bridge-Variationen stellt Tanzkunst einer Art vor, wie sie ähnlich in Koblenz zuletzt vor zehn Jahren bei einer Gastarbeit von Martin Schläpfer zu sehen war.

Mal "nur" Musik in tänzerischen Ausdruck übertragend, mal menschlichen Ängsten und Hoffnungen nachspürend, entfaltet die Compagnie hierorts ganz ungewohnte Ausdrucksweisen. An die Stelle klassischer Grazie tritt lebendige Leiblichkeit. Schmiegen, Sich-Winden, Trippeln, Krümmen, Rollen; tanzen, ringen, tändeln auf einem Bein, im Sitzen, im Liegen, bald in dynamischer Streckung, bald mit geknickten Gliedmaßen, verdehten Torsi: Figuren nicht aus dem Lehrbuch, sondern aus dem Körpergefühl junger Menschen kunstvoll hergeleitet.

Das Tempo der Formationen ist atemberaubend, die Dichte oft schwieriger Elemente ebenso. Das Gegeneinander und Ineinander von Kraft und Zartheit fasziniert. Worum geht es hier? Erzählt wird nichts, ausgedrückt viel - meist die Schönheit des Tanzes selbst, in einigen Momenten die Angst vor dem Verlassenwerden, am Ende die völlige Hingabe an eine bodenlose Liebe.

Dies Ende ist auch Höhepunkt des Abends: Ein Pas de deux in der Innigkeit, wie Danny Whiley und Irina Golovatskaia es tanzen, war auf dieser Bühne noch nie zu sehen. Fast alle Tänzer fanden in dem so ungewohnten Stil zu großen Momenten: Nick Hobbs hat es fertiggebracht, dass man für die halbe Stunde seiner Choreografie eine völlig verwandelte Koblenzer Compagnie sieht. Und was man da sieht, würde man gerne öfter sehen.

Der Abend stellt zwei ganz verschiedene Ballettstile nebeneinander. Anthony Taylors Beitrag unter dem Titel "Zwielicht" greift intensiv auf das Schritt- und Posenrepertoire des traditionellen Handlungsballetts zurück. Dass er nach 25 Jahren am Koblenzer Theater dennoch weiter auch für ihn neue Figuren ausprobiert, ist bewundernswert. Taylor verzichtet diesmal auf eine durchgängige Story, doch sind die neun Szenen von "Zwielicht" quasi kleine Erzählungen. Darunter Anlehnungen an Szenen aus "Faust" und Wagner-Opern, oder tänzerische Impressionen zu Musik von Schumann und Mahler.

"Zwielicht" beginnt mit einem Miniprolog, bei dem ein Kristalllüster via Schubkarre entsorgt wird. Was meinen könnte: Heute kein Ausstattungs-Tinnef an dieser Stelle, sondern des Lebens Ernst. Gleich darauf projeziert die in Businessanzüge gesteckte Compagnie mit einer dynamischen Formation zu zeitgenössischer Musik die seelenlose Hektik der Moderne ins kaltweiße Bühnenlicht.

Aus der Masse schälen sich Einzelne heraus. Deren Suchen nach Halt, Trost, Sinn, Nähe, Glück wird im weiteren Verlauf von Taylors Choreografie als Variationenspiel auf Grundbefindlichkeiten der Romantik aufgefächert. So unsere Interpretation von "Zwielicht", in dem ein Männer-Pas-de-deux mit Ross McDermott und Campbell Watt besonders beeindruckte.

Das Theater Koblenz hat einen Ballettabend der Kontraste. Ein großer Abend. Anschauen!

Andreas Pecht

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Mehr über Nick Hobbs:

2007-01-27 Künstlerporträt:
Erst Rugby-Spieler, dann Balletttänzer,
jetzt Choreograf: Nick Hobbs

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