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2007-04-06 Kommentar/Glosse:
Suchspiele im Tariflabyrinth -
Jetzt auch noch die Krankenkassen

 
ape. Anderes war kaum zu erwarten: Irgendwann mussten auch die gesetzlichen Krankenkassen den Moden der Moderne erliegen. Dank Gesundheitsreform war das am 1. April der Fall. Noch etwas wackelig auf den Beinen bieten sie nun, wonach König Kunde heutzutage angeblich lechzt: einen Wühltisch prall voll mit unterschiedlichen Tarifen. Endlich Freiheit, Wahlfreiheit! Allein meine bisherige Krankenkasse offeriert neue Tarife im Dutzend. Die Neu-Angebote der anderen Kassen hinzugerechnet, zu denen man wechseln könnte, summieren sich die Vertragsalternativen zu Hundertschaften.

Es soll Zeitgenossen geben, die am Vergleichen von Angeboten und Preisen ähnliche Freude haben wie Kinder am Ostereier-Suchen. Anders als das traditionelle Ostervergnügen dehnt sich das moderne Suchspiel auf dem freien Markt der Tarife und Programme zum Stunden, Tage, Wochen währenden Dauerspaß. Den bereiten die Krankenkassen nicht allein, sie sind bloß jüngster Neuzugang in einer mittlerweile umfänglichen Sammlung verwandter Spiele. Wer mag – oder muss –, darf sich ebenso in das Abenteuer “Wettbewerb zwischen ….“ Telefonanbietern, Internet-Providern, Stromlieferanten, Rentenergänzungsversorgern et cetera stürzen. Besonders reizvoll ist dabei der Vergleich unvergleichbar dargestellter Leistungen sowie das Aufspüren von Fallen im Kleingedruckten. Spannung ergibt sich jeweils aus der bangen Frage: Kommt beim Anbieterwechsel in der Praxis dann auch was Brauchbares heraus?  

Bereits ein moderner Klassiker unter den Suchspielen ist die alltägliche Wahl aus 36 Fernsehkanälen im Kabel, die mit Digitalempfängern leicht zu 50, mit Schüssel zu einigen Hundert werden. Weil das Studium der Programmhefte zwecks Auffindens interessierender Sendungen länger dauern kann als der Fernsehgenuss selbst, hat das Publikum die Spielvariante des Zappens erfunden. Das macht zwar die Programme nicht besser, den TV-Abend aber lebhafter. Ein anderes unter den Wahlfreiheitsspielen ist legendär geworden: Finde in der Angebotspalette von Herrn Mehdorns Bahn AG eine gute Verbindung zu günstigem Preis am passenden Tag. Von diesem Spiel gibt es in Großbritannien schon eine Version für Fortgeschrittene: Mehrere private Bahngesellschaften befahren die gleichen Strecken und jede Bahn hat ihr eigenes Tarifsystem.

Nimmt man alle Spiele dieser Sammlung zusammen, kann deren Nutzung zum lebenslangen Vergnügen werden. Was leider nur für jene Mitmenschen gilt, die Freude an derartiger Beschäftigung haben. Andere empfinden es eher als absurd, einen wachsenden Teil ihrer Freizeit aufwenden zu sollen für die Suche – nach Wegen durch den Dschungel angeblicher Programmvielfalt und durch ein Wirrwarr vorgeblicher Spartarife. Würde man auf diese skurrile Weise vertane Zeit in Geld umrechnen: Die immerwährende Schnäppchenjagd möchte sich in den Lebensbilanzen als teures Vergnügen herausstellen. Spielen wir nun also das Trend-Spiel „Krankenkassentarife“. Wer es am Ende gewinnt oder ob überhaupt jemand irgendetwas gewinnt, ist noch offen. Dass es Zeit und Nerven kostet, steht indes schon fest.  

Andreas Pecht 
 
 
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