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2007-04-20d Kulturgeschichte:
Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal

Teil 4 der Artikel-Reihe über das UNESCO-Welterbe in Rheinland-Pfalz
 
„Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, / Daß ich so traurig bin; / Ein Märchen aus uralten Zeiten / Das geht mir nicht aus dem Sinn….“

Diese Dichterworte fallen dem Reisenden oft zuerst ein, wenn er sich dem Rhein nähert. Mit ihnen beginnt Heinrich Heines Loreley-Gedicht, das in der Vertonung von Friedrich Silcher zum weltweit bekanntesten deutschen Lied nach „Stille Nacht“ wurde. Der Mythos von der schönen, aber gefährlichen Rhein-Nixe verbindet sich mit der Vorstellung von steilen Ufern an reißendem Strom, über dem Burgen ohne Zahl an alte Zeiten erinnern.

Unser Bild von der Rhein-Landschaft zwischen Bingen im Süden und Koblenz im Norden setzt sich zusammen aus Natur, Historie, Kultur und – Sehnsucht. Rund 40 Burgen säumen den 65 Kilometer langen Canyon, den der Strom ins Rheinische Schiefergebirge gegraben hat. Seit dem  8. Jahrhundert wird hier auf terrassierten Steilhängen Wein angebaut. Seit der Antike  war dieses Tal die Engstelle des bedeutendsten Verbindungsweges zwischen Süd- und Nordeuropa, der zugleich eine schicksalhafte West-Ost-Grenze im Zentrum des Kontinents darstellte.

Aber nicht nur aus diesen Gründen wurde das Obere Mittelrheintal 2002 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Ebenso wichtig für die Bedeutung der Landschaft als Erbe der Menschheit ist ihre ideelle und psychologische Dimension. Denn am Rhein will man empfinden. Deutsche Romantiker und englische Bildungsreisende, Dichter, Maler, Musiker, entdeckten das Tal im späten 18. und im 19. Jahrhundert als Ort ihrer Sehnsüchte nach einer mit urwüchsiger Natur und verklärter Vergangenheit verbundenen, besseren Welt.

Friedrich Schlegel, Clemens Brentano, Achim von Arnim und andere Dichter deutscher Zunge gossen ihre Eindrücke vom Rhein in eine Literatur der inneren Bewegtheit. Lord Byron machte den Mittelrhein schriftstellerisch in England bekannt. Die so genannte Rheinromantik war geboren. Sie verzehrte sich nicht länger nach dem süß-lieblichen  Arkadien eines Goethe, sondern schwärmte von der „rauhen und wilden“ Rheinlandschaft mit einsamen, verwunschenen  Burgruinen auf steiler Bergeshöh’. Maler nahmen die neue Geistesströmung auf. Die bekanntesten Genre-Vertreter waren der Deutsche Christian Georg Schütz und der Engländer William Turner.

In ihren bei den Zeitgenossen überaus populären Bildern wurden die Felsen noch schroffer, standen die Burgen noch höher, floss der Rhein noch reißender, schmiegten sich die Örtchen noch enger auf die schmalen Uferstreifen, als es ohnehin der Fall war. Mit der Rheinromantik schaffte sich ein Zeitgeist Ausdruck, der nach einem Gegenpol zur Entzauberung der Welt durch Aufklärung und Industrialisierung suchte. Diese Bedeutung ist dem Rheintal bis heute geblieben. Und sie überdeckt inzwischen die Rolle als „deutscher Schicksalsfluss“, die dem Rhein in tumben Erbfeindschaften und schrecklichen Kriegen aufgezwungen wurde.
        
Schon die Römer hatten Strom und Tal als Grenzlinie und Verkehrsweg genutzt. Die meisten der 40 Burgen zwischen Bingen und Koblenz entstanden zwischen dem 12. und frühen 14. Jahrhundert – vornehmlich zum Zwecke lukrativer Zolleintreibung bei den üppig strömenden Reisenden und Händlern. Viele der Gemäuer wurden jedoch bald wieder aufgegeben: Zu unpraktisch war ihre Lage auf mittlerer Höhe für die Geschäfte am Talgrund. Das Aufkommen weit tragender Schusswaffen stellte zudem ihre wehrtechnische Tauglichkeit in Frage.

Der Dreißigjährige Krieg wütete auch am Rhein furchtbar. Was von den mittelalterlichen Burgen danach noch übrig war, fiel überwiegend den späteren Auseinandersetzungen mit den Franzosen zum Opfer. Als nach der Rhein-Überquerung von Feldmarschall Blücher 1814 in Kaub und dem Sieg über Napoleon das Rheinland preußisch wurde, bestand die Burgenlandschaft fast nur noch aus Ruinen. Mehr brauchte es in dieser einmaligen Flusslandschaft allerdings auch nicht, um die frühen Rheinromantiker zu berauschen.

Unter preußischer Herrschaft wurden im 19. Jahrhundert viele der Burgen wieder aufgebaut. So erstand eine kulturlandschaftlichte Perle, die heute zwar etwas anders aussieht als vor 200 Jahren. Geblieben freilich ist dem Oberen Mittelrheintal sein Wesen als Sehnsuchts-Ort, der mit seiner realen wie emotionalen Schönheit heutige Menschen aus aller Welt ebenso in den Bann zieht, wie er es damals mit rheinromantisch gestimmten Reisenden tat.

In Koblenz thront auf der Höhe des rechten Rhein-Ufers die Festung Ehrenbreitstein. Dort berühren sich nach jüngsten Forschungen die beiden UNESCO-Welterbestätten Oberes Mittelrheintal und Obergermanisch-raetischer Limes. 2005 zum vierten Welterbe in Rheinland-Pfalz erklärt, führt uns der Limes noch einmal zurück zu den antiken Wurzeln der Region – und zu den Alpträumen der Honoratioren im alten Rom.
Andreas Pecht

Weiter zu Teil 5 und Schluss
∇ Teil 5: Der obergermanisch-raetische Limes

--------------------------------------------------------- Um die fünfteilige Artikel-Reihe über die Welterbestätten
der UNESCO in Rheinland-Pfalz  von Anfang zu lesen, klicken Sie bitte hier  
∇ Teil 1: Das UNESCO-Welterbe in Rheinland-Pfalz (Überblick)          
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