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2007-04-23 Schauspielkritik: 
Medea zwischen Blutritual und Ehekrach

Annegret Ritzel inszenierte Grillparzers "Das goldene Vließ" in Koblenz
als düstere Pathos-Tragödie ohne rechte Mitte

 
ape. Koblenz. Vielleicht ist es der Intendantin des Koblenzer Theaters nicht bewusst.  Aber Annegret Ritzel hat Franz Grillparzers Verarbeitung des antiken Medea-Stoffes als Versuch in Szene gesetzt, Anna Badoras Mainzer Deutung von 1992 mit der Wiener  Interpretation von Hans Neuenfels 1994 zu verknüpfen. Badora hob damals auf das aktuelle Problemfeld von Migration und Fremdenfeindlichkeit ab, Neuenfels auf ein  Beziehungsdrama.

Das wenig überzeugende Ergebnis ist auf den ersten Blick eine düstere Tragödie – resultierend aus der Begegnung zweier sich fremder Kulturen. Die gipfelt in der Fluch-bladenen Ehe der barbarischen Kolcher-Prinzessin Medea mit dem zivilisierten Griechen-Prinzen Jason. Madeleine Niesche und Miguel Abrantes Ostrowski spielen sich in diesen Hauptrollen mit hochdramatischem Pathos die Seele aus dem Leib. Wofür es bei der mäßig besuchten Premiere freundlichen Beifall gibt.

Auf den zweiten Blick indes offenbart sich, warum das ganze Furorspiel um Fluch und Rache, Liebe und Hass einen doch ziemlich unberührt lässt: Die Inszenierung von „Medea (Das goldene Vließ)“ erschöpft sich in effekthascherischer Äußerlichkeit,  verheddert sich unentschlossen zwischen den Deutungen, mündet in eine Konfusion der Themenschwerpunkte, Sichtweisen und theatralischen Stile.

Die Figuren sind fertig, sobald sie die Bühne betreten. Ob Jason die Medea liebt, als er sie bei ihrem Blutritual auf nacktem Oberleib erstmals sieht, oder ob er sie später hasst, weil sie seiner griechischen Karriere im Wege steht – einen wirklichen Unterschied in der Psychologie der Figur macht das hier nicht.  Ob Medea mit ihrem königlichen Barbaren-Vater hadert oder mit ihrem Schicksal als kulturell missachtete und vom Gatten verstoßene Exilantin im Griechensalon – sie bleibt die immergleiche Megäre zwischen Leid und Tobsucht.

Im theaterwissenschaftlichen Disput könnte man überlegen, ob die psychologische Unwandelbarkeit der beiden eine gewollten Nähe zum antiken Spielstil ausdrücken soll. Dort waren die Protagonisten nur maskierte Transporteure göttlicher Schicksalsfügung. Dagegen spricht in Koblenz jedoch die weitgehend naturalistische Spielweise. Die nun findet, nicht erst an diesem Abend, quer durch das Ensemble (einzige Ausnahme: die zum Saisonende Koblenz verlassende Judith Richter als formidabel ambivalente Kreusa) ihre Grenzen in einem recht schmalen Korridor der Ausdrucksformen.

Laut und leise, langsam und schnell: Der richtige Einsatz  dieser Mittel beim Sprechen ist Voraussetzung für die Kunst, ist noch nicht die Kunst selbst.  Das Koblenzer Schauspiel kommt zu oft über die Voraussetzungen kaum hinaus – wobei im aktuellen Fall manche Betonung und Wirkpause ganz unbegreiflich bleibt und das Schnellsprechnuscheln der jungen Männer nur noch ärgert. Statt Befragung und Erforschung menschlicher Tiefe und Ambivalenz prägt ein sehr schlichter Erzählgestus das Spiel: Seht her, dies tue ich und genauso bin ich!

Für andere Bedeutungsebenen wird der Zuseher auf Kostüme und Kulisse verwiesen. Siegfried E. Mayer schuf drei Spielräume. Fürs Barbarenland erst eine mit rotem Sand bedeckte Leere um einen grauen Monolithen. Die Leere wird nachher von finsteren Mauern umsperrt. Der plakative Kontrast dazu ist Kreons Griechenpalast als vornehmer Jugendstilsalon.

Der politische Teil von Ritzels Interpretation stützt sich ganz auf Gera Grafs Kostüme.  Griechenkrieger in heutig-westlichen Wüsten-Uniformen nebst Maschinenpistole. Die Kolcher hingegen im Kaftan, die Dienstfrauen in Burka-Kluften. Medea trägt erst ein zerschlissenes Ballkleid (?), dazu Kopftuch und Sarazenenschwert. Ihrem miesen Gatten tritt sie nachher im Kampfanzug als kindsmordende Terrorfurie entgegen.  Da winken die Zaunpfähle.

Andreas Pecht
 
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