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2007-04-26a Kultur: 
Rebellen, Reformer, Revolutionäre

Kultursommer Rheinland-Pfalz: Das etwas andere Festival startet am 5./6. Mai in Andernach am Rhein

 
ape. Sommerzeit ist in Rheinland-Pfalz Kultursommer-Zeit. Das nicht nur in dem Allerweltssinn, dass im Sommer auch Kultur stattfindet. Der Begriff „Kultursommer“ verbindet sich in unserem Bundesland mit einer sehr speziellen, in Deutschland fast einmaligen Erscheinung: Die vielfältigen Kulturaktivitäten zwischen Mai und Oktober im ganzen Land erhalten ein gemeinsames institutionelles Dach – den „Kultursommer Rheinland-Pfalz“ eben.
 
Dieser "Kultursommer" ist formal ein eingetragener Verein, de facto ein Kind der Landesregierung mit jetzt Kulturministerin Doris Ahnen und Kulturstaatssekretär Joachim Hofmann-Göttig im Vereinsvorstand. Nun sagt die Organisationstruktur wenig über Wert und Wirkung der Einrichtung für das Kulturleben, beantwortet auch nicht die sogar in diesem 16. Jahrgang noch immer auftauchende Frage, was der „Kultursommer“ eigentlich sei.

Journalisten mit ihrer Vorliebe für kurze und griffige Formeln sprechen gern vom „Landesfestival“. Jürgen Hardeck, künstlerischer Geschäftsführer des Kultursommers, hat sich an diesen Begriff gewöhnt, ohne jedoch wirklich glücklich damit zu sein. Denn ein Festival im herkömmlichen Sinn sei der Kultursommer Rheinland-Pfalz gerade nicht, erklärt er im Gespräch. Als 1992 die damalige Kulturministerin Rose Götte ihn ins Leben rief, gab sie die Formel von der „Bürgerbewegung für Kultur“ aus. Darin schwingt dreierlei mit. Erstens, dass es dabei um Mitwirkung vieler Landeskinder geht, es sich nicht um eine von oben  verordnete und von außen organisierte Veranstaltung handelt. Zweitens, dass es keine statische Unternehmung ist, sondern eine, für die steter Wandel Normalität darstellt. Drittens steckt in der Formel die alte Maxime „Kultur für alle“ drin, die auch die Künste außerhalb der etablierten Kulturtempel und –strömungen umfasst. 

Erwartungen, der Kultursommer möge aus aller Welt einfach diverse Stars herbeikarren,  erwartungsvolles Publikum damit beglücken und fertig, solche Erwartungen verkennen Aufgabe und Anliegen dieses „Landesfestivals“ völlig. 220 Projekte mit rund 1500 Veranstaltungen umfasst das Programm 2007, aber nur ganz wenige davon stellt der Kultursommer in eigener Verantwortung auf die Beine. In den allermeisten Fällen ist der in Mainz ansässige Verein fördernder Kooperationspartner von veranstaltenden Kommunen und Institutionen im Land, von Initiativen und Gruppen aus der freien Szene. Etwa neun Millionen Euro stehen dafür in diesem Jahr zur Verfügung.

„Das kulturpolitische Konzept des Kultursommers wurde speziell für das Flächenland Rheinland-Pfalz entwickelt“ erklärt Hardeck und spricht damit auf die überproportional starke Förderung von Kulturveranstaltungen in kleineren Gemeinden und auf dem Land an. Dorthin Kultur bringen und dortige Kultur unterstützen, sie auch über den Ort hinaus sichtbar machen, das ist einer der Zwecke des Kultursommers. Kulturelle Initiativen bündeln, koordinieren, vernetzen ein anderer. Wechselwirkungen, die sind Hardeck wichtig: „Wir greifen Anregungen aus der Kulturszene auf, geben unsererseits Anregungen hinein.“ Wie das beispielsweise mit dem jährlich wechselnden Kultursommer-Motto geschieht. Für 2007 heißt es „Rebellen, Reformer, Revolutionäre“, will die Kulturschaffenden und Kulturveranstalter animieren, nachzudenken über die Bedeutung mehr oder minder berühmter Querköpfe, mehr oder minder radikaler Querköpfigkeit für Entwicklung und Sein dieses Landes und seiner Menschen.

Freude, Spaß, Unterhaltung sind eine Seite der Kultur und also auch des Kultursommers. Bliebe es dabei, von Kunst könnte kaum die Rede sein. Denn die beginnt so richtig erst jenseits des Entertainments, beginnt beim Reflektieren, Nachdenken, Analysieren und Neubilden von Formen und Inhalten. Dass das weder knochentrocken noch spaßfeindlich sein muss, wurde und wird im Kultursommer immer wieder bewiesen.  „Manchmal aber“, sagt Hardeck nachdenklich, „tun sich Kulturveranstalter inzwischen schwer, ihre Aufmerksamkeit über die allzu enge Marketingdenke hinaus mal wieder auf Inhalte zu richten.“ Insofern sei, meint er dann mit augenzwinkerndem Verweis auf das diesjährige Motto, der Kultursommer „die institutionalisierte Revolution“.

Am 5./6. Mai startet der rheinland-pfälzische Kultursommer 2007 mit einem großen Bürgerfest in Andernach. Das allerdings wird kein x-beliebiges Fest, sondern knüpft unter dem Motto „Rebellen, Reformer, Revolutionäre“ an mannigfache Traditionslinien gar nicht obrigkeitshöriger Querköpfigkeit im Land an. Wenn „Neues Glas aus alten Scherben“ und hernach Konstantin Wecker auf die Bühne kommen, schlagen sie die Brücke zu rebellischen Rhein-Poeten wie Heinrich Heine oder Ferdinand Freiligrath sowie zur großen politischen Liedermacher-Zeit auf Burg Waldeck im Hunsrück. Wenn 13 Straßentheater-Gruppen in Andernach ihre erstaunliche wie verstörende Kunst entfalten, schlagen sie die Brücke zum Agitprop-Theater der frühen Arbeiterbewegung und der theatralischen Renitenz unter französischen Studenten anno 1968. Eine eigene Show zu Ehren des in Andernach geborenen Underdog-Schiftstellers Charles Bukowski spricht für sich, wie auch viele überraschende Plakate in der Bäckerjungen-Stadt für sich sprechen werden: Sie halten Weisheiten über Rebellion und Revolution ins Volk, die örtlichen Kulturmachern und Honoratioren auf Anfrage jüngst aus dem Gedächtnis purzelten.

Was gibt es Neues heuer im Kultursommer, fragen wir dessen Chef. Für einige Beispiele nur ist hier Platz. Aus dem früheren Projekt „Singendes Rheinland-Pfalz“ wurde der „Vokalstern“, der verstärkt herausragende Ensembles der Sparte Sangeskunst auf Landestour schickt. Der Gedanke dahinter: Etwas mehr Spitzenförderung, mehr hochrangige Konzerte, „beides aber immer verbunden mit dem Anliegen, dass die reiche Amateur-Chorszene des Landes daraus Anregungen gewinnt.“ In Hachenburg wird ein Filmfestival des neuen deutschen Kinos aus der Taufe gehoben. Simmern im Hunsrück widmet dem berühmtesten Sohn der Stadt seine neuen Schinderhannes-Festspiele. Ein neues Festival gibt es auch in Kaub am Rhein: Mit den Blücher-Tagen erinnert das Städtchen an jenen Jahreswechsel 1813/14 als hier mit der Übersetzung von Blüchers Armee einen Augenblick lang Weltgeschichte geschrieben wurde.

Neuheiten hier, Bewährtes da. In Koblenz etwa Horizonte- und Gauklerfestival,  Jugendtheaterfestival impulsiv oder ein Sommerkunstcamp der JukuWe. Den Rhein entlang Mittelrhein Musik Momente oder RheinVokal, an der Mosel die 20. Moselfestwochen. An der Lahn Kunstaktion „Die Russen kommen“, Lahneck Live, Bluesfestival Lahnstein. In der Eifel Burgfestspiele Mayen oder Krimifestival „Tatort Eifel“. Und so weiter und so fort. Ein Kultursommer, der mehr sein will, als bloß ein Sommer voller Kultur.

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Das Gesamtprogramm im Überblick: www.kultursommer.de      
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