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2007-05-06 Schauspielkritik: 
Kriegenburg trifft auf Sartre

"Die schmutzigen Hände" vom Hamburger Thalia zu Gast bei den
Maifestspielen in Wiesbaden

 
ape. Wiesbaden.  Das erste  Sprechtheater-Gastspiel bei den diesjährigen Maifestspielen Wiesbaden beginnt mit dem revolutionären Einheitsfrontlied, hinausgeschrien von Parteisoldatin Olga. Das irritierte Publikum sieht sich mit einer scheinbar verstaubten Gestrigkeit konfrontiert. Das Thalia Theater Hamburg stellt Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Jean-Paul Sartres Diskursstück „Die schmutzigen Hände“ aus dem Jahr 1948 vor. Das handelt über Moral in der Politik der Kommunistischen Partei, über die Diskrepanz zwischen hehrem Anspruch und tatsächlichem Handeln, zwischen Parteidisziplin und Menschlichkeit.

Kommunismus ist perdu, Utopien sind schlechterdings passé – was also sollen wir heute mit solch einem Stück? Kriegenburg sagte in Interview, dass die entpolitisierten Zeiten vorbei seien, weil die sozialen Entwicklungen den Einzelnen wieder zu politischer Selbstdefinition treiben. In diesem Sinne kann der Hugo im Stück (Hans Löw) als moderne Figur gesehen werden: Um mit seinem nichtsnutzigen Großbürgerdasein zu brechen, schließt er sich den Kommunisten an. Aus der kompromisslosen Tat für eine große Idee glaubt er, Bedeutung für seine Existenz ziehen zu können. Dazu Kriegenburg: „Die jungen Leute (von heute) haben auch das Dilemma, dass alles, was sie tun, unwichtig ist und von der Gesellschaft ignoriert oder vermarktet wird.“

Es geht Regisseur und Ensemble kaum um Sartres Generalabrechnung mit dem realexistierenden Stalinismus seiner Zeit. Sobald diese Elemente zu gewichtig werden, bricht die Inszenierung den Handlungsfluss. Dann wird extemporiert, improvisiert, gealbert, gekalauert. Dann mutiert auf der schrägen Parkettholzbühne mit Kronleuchter die Tragödie zeitweise zu Komödie und Farce.

Das Ensemble spielt hochkonzentriert in fabelhafter Leichtigkeit auf, spielt virtuos die Klaviatur  schauspielerischer Stile vom   Deklamationspathos über Naturalismus und Realismus, über Surrealismus und Brechtsche Verfremdungsattitude bis zu  Boulevard-Manierismus, Slapstick und Comedy. Mal wieder erfahren, was Schauspielkunst jenseits von laut und leise alles vermag, das allein machte diesen Abend schon zum Erlebnis.

Dies Spiel ist auch ein ausgelassenes Spielen teils in beinahe kindlichem Sinne. Und doch geht es im Kern um die Kräfte, die Menschen zu diesem oder jenem Denken und Handeln treiben. Hugo soll im Auftrag der Partei deren Funktionär Hoederer (Jörg Pose) wegen kompromisslerischen Taktierens gegenüber dem Feind ermorden. Doch Hoederer beeindruckt Hugo, weshalb der wieder und wieder zaudert, vom Revolver Gebrauch zu machen. Erst als er den Funktionär mit seiner Frau im Bett erwischt, drückt er ab.

Statt politisch motivierter Tat, ein schnöder Eifersuchtsmord. Das hat im Kontext der im Stück aufgeworfenen Problemstellung weder Größe noch Sinn. Hugo findet sich damit auf der gleichen Ebene wieder, die er an Hoederer kritisiert hatte: Die Reinheit der Idee wird durch profane Wirklichkeit beschmutzt. Was bleibt dann noch? Sinnlose Existenz. Damit endet der Abend doch noch bei Sartre – und landet der Zuseher bei der Erkenntnis, dass unsere Zeit zwischen Ernüchterung  und Utopie-Sehnsucht feststeckt. Andreas Pecht

 
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