Kritiken Theater
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2007-06-03 Schauspielkritik:
Saftiges Spiel um Dörfler-Fehde

David Mouchtar-Samorai inszenierte Goldonis "Krach in Giozza" am Theater Bonn
 
ape. Bonn/Bad Godesberg. „La baruffe chiozzotta“ betitelte Carlo Goldoni  1762 eine seiner Komödien. Zu Deutsch heißt das wahlweise „viel Lärm“, „Streitereien“ oder „Krach“ im Fischerdorf Chiozza. Frank Günther hat sich bei seiner Neuübersetzung jetzt für das Theater Bonn nicht nur im Titel an die deftigere Variante gehalten: Bei ihm herrscht „Krach in Chiozza“. Den tragen „Weibers“ und „Männers“ tratschend, zeternd, zänkend in einem Volksdialekt aus, der dem Ostseeraum entliehen sein könnte.
 
Dialekt passt hier, denn auch Goldonis Urtext schaute dem Volk aufs venezianische Maul. Der deftigen Sprache entspricht David Mouchtar-Samorais saftige Inszenierung in den Godesberger Kammerspielen des Theaters Bonn, die ein Panoptikum origineller Gestalten zur turbulenten Fehde der Fischerfamilien auf den Dorfplatz treibt.

Der Regisseur weiß, was er dem italienischen Komödienmeister schuldet: Individuelle Charaktere – keine verallgemeinerten Typen, an denen noch die Standards der Commedia dell'arte kleben. Denn in der Abwendung von den Masken und der Hinwendung zu Charakteren besteht die große Bedeutung Goldonis für die abendländische Theaterentwicklung. Daran hätte man allerorten anlässlich von dessen 300. Geburtstag in diesem Jahr ruhig etwas intensiver erinnern dürfen. Schön, dass  Bonn das Jubiläum nicht vergessen hat.

Der „Krach“ im Stück hat eine ganz simple Ursache: Von kleinlichen Eifersüchteleien unter Nachbarinnen befeuerter Klatsch und Tratsch, der die vom Fischfang heimkehrenden Männer in die Abgründe krankhafter Eifersucht stürzt.  Drei Verlobungen stehen auf der Kippe: weil die Burschen sture „Fischköpp“ sind und jedem Gerücht an den Haken gehen; weil die Mädels mitsamt Müttern den stänkernden Schnabel nicht halten können.

Am Rande von Heinz Hausers offener, an den Seiten wie eine Skater-Bahn hochgewölbten Meereskulisse swingt, jazzt, klezmert eine Dreierkombo. Die Tuba liefert obendrein Schiffsgetute, die Klarinette Möwengekreisch, in das Günter Alt als trink- und essfreudige Narrenfigur mit Armen rudernd einstimmt. Narren sind sie freilich allesamt, die da völlig grundlos schier eine Vendetta vom Zaun brechen.

Lucietta (Nicole Kersten) etwa, die ihrer Konkurentin Chetta (Maria Munkert) mit spitzer Zunge und satirischen Leibsverrenkungen Paroli bietet. Oder Luciettas Verlobter Titta Nane. Den stellt Yorck Dippe  wunderbar als bärigen Seemann vor, der sehenden Auges an gekränktem Mannsstolz zu ersticken droht. Eine Nummer sehr eigener Humoresgröße gibt Bernd Braun in der Rolle des Seniorfischers Fortunato. Beim Sprechen verschluckt er jede Menge Silben – ein Sprachfehler, der den Hilfsdorfrichter (Rolf Mautz) in den Wahnsinn treibt und das Publikum Tränen lachen lässt.

Mouchtar-Samorai nimmt „Krach“ im Doppelsinn beim Wort: Mehrfach schäumt das launige Spiel zum lautstark-handgreiflichen Tohuwabohu auf – um Augenblicke später zum sinnbildichen Schlachtengemälde zu gerinnen. Sehenswert.                                                                Andreas Pecht
 
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