Kritiken Theater
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2007-06-04 Schauspielkritik:
Lebensfrust im „Sommer vorm Balkon“

Uraufführung der Bühnenadaption des Erfolgsfilmes in Wiesbaden: Zweckoptimismus entlarvt

 
ape. Wiesbaden. „Sommer vorm Balkon“: Der Film von Andreas Dresen nach einem Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase war 2006 beim Publikum ziemlich erfolgreich. Die jetzt im Staatstheater Wiesbaden uraufgeführte Bühnenadaption des Stoffes tut sich da etwas schwerer. Der von Thorsten Duit fürs Theater eingerichteten Geschichte um zwei Freundinnen, die sich durchs heutige Leben schlagen, mangelt es an jener Leichtigkeit, derentwegen der Film vielfach gelobt wurde.

In Wiesbaden  ist während knapp zweieinhalb Stunden vor allem ein modernes Sozialdrama zu erleben. Die hübsche, kesse Nike (Alexandra Finder) ist Single, bestreitet ihren Unterhalt als Altenpflegerin. Ein Job, den sie mit Menschlichkeit füllt. Freundin und Nachbarin Katrin (Doreen Nixdorf) ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes und arbeitslos. Diese Konstellation enthält jede Menge sozialer und psychologischer Problemaspekte – vom Sehnen der beiden Frauen nach ein bisschen Liebe bis zu den Zwängen und Zumutungen, denen die eine im Beruf, die andere im Hartz-IV-System ausgesetzt ist.

 „Sommer vorm Balkon“ setzt diesem Frust optimistische Momente entgegen.  Die Solidarität der Freundinnen ist so eines. Nikes Eingehen auf die zeitraubenden wie sonderbaren Bedürfnisse ihrer Alten ist ein anderes. Das sind Augenblicke von Menschlichkeit, die dem auf rentables Funktionieren ausgerichteten Alltag abgetrotzt werden müssen und abgetrotzt werden. Doch dem humanen Trotzen wohnt  die Gefahr der Vergeblichkeit inne: Kartin hängt bald an der Flasche, Nike an einem Tunichtgut von Fernfahrer (Sebastian Muskalla) mit etlichen Frauen nebst Kindern.

Was das Medium Film kann, Episoden des Lebens einfach ablichten, liegt nicht in der Natur des Theaters. Denn auf die Bühne kommt nie das Leben selbst, sondern immer bereits der Blick hinter den äußeren Schein desselben. Das Bühnenbild von Michael S. Kraus zeigt kein Haus, wo im Parterre Katrin und obendrüber in der Wohnung mit Balkon Nike wohnt. In Wiesbaden dreht sich in der Bühnenmitte eine Art Lebensbaum: Im Wipfel Nikes Domizil, drunter zwischen knorrigen Ästen Katrin und die Alten in ihren Kammern. Der theatralische Raum ist Symbol fürs Leben, nicht realer Lebensort.

Und aus Symbolen, aus exemplarischen Problemlagen und Konflikten besteht das ganze Theaterstück. Weshalb es sich schwer tut, mit der vom Film übernommenen Episoden-Montage auch deren  Leichtigkeit zu übernehmen.  Das funktioniert die erste halbe Stunde gerade noch, so lange die beiden Frauen leicht beschwipst gemeinsam ihren Träumen nachhängen und vom Baumeswipfel albernd aufs Hier und Jetzt herabäugen. Das kippt sofort zur Tragödie um, sobald ein Problem auf die Bühne schwappt. Genau genommen entlarvt das Bühnenstück die Leichtigkeit des Films als Zweckoptimismus, auch wenn Duit das wohl nicht beabsichtigt hatte. Aber das Theater richtet den Blick eben von Natur eher auf die  schwärende Wunde als auf den hübschen Verband .                                                      Andreas Pecht
 
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