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2007-06-11 Romankritik:
Geschichte einer doppelten Emanzipation

Christoph Heins Roman „Frau Paula Trousseau“ über die Schwierigkeiten einer selbstbewussten Malerin mit ihrer (männlichen) Umwelt

 
ape. Christoph Heins jüngster Roman „Frau Paula Trousseau“ spielt in der DDR, aber die DDR spielt im Roman keine Rolle. Er erzählt vom Lebensweg einer Frau, einer Kunstmalerin, der kurz nach dem Mauerfall endet. Der Mauerfall spielt auch keine Rolle. Von einem kurzen Gegenwartsprolog abgesehen, in dem wir erfahren, dass Paula Selbstmord begangen hat, besteht das opulente Buch aus einem rückblickenden Lebensbericht von der Titelfigur eigener Hand.
 
Der 63-jährige Hein schreibt also aus der Frauenperspektive. Konsequenz und Einfühlungsvermögen, die er dabei an den Tag legt, sind ebenso bemerkenswert wie die erzählerische und motivische Kraft. Nur dort, wo die Fleischeslust der Frau zur Sprache kommt, geht der Mann mit ihm durch, bleibt versierte Erzählkunst schwül schmalzend auf der Strecke. Eine Schwäche, die allerdings kaum ins Gewicht fällt.

Paula ist eine schwierige, spröde, kaltschnäuzige Frau – für ihre Männer. Von denen trennt sie sich brüsk, sobald diese mit Forderungen aus dem Repertoire der üblichen Geschlechterrollen ihr Leben als Malerin einzuengen beginnen. Denn Malen ist das gewollte und gegen alle Widerstände erkämpfte Zentrum ihres Daseins. Malen war schon Schutzraum des kleinen Mädchens vor den Zumutungen des Elternhauses: Der Vater ein autoritärer Choleriker, die Mutter eine unter diesem Gewicht zerbrechende Jammergestalt.

Die Flucht der erwachsenen Paula in eine Ehe erweist sich als Irrtum, denn der Gatte will ein treusorgendes Heimchen. Er hintertreibt ihr Kunststudium, indem er ihre Antibabypillen durch Placebos ersetzt. Ein mieser Versuch, diese Frau durch erzwungene Mutterschaft von ihrem Weg abzubringen. Es ist einer der Höhepunkte des Romans, erleben zu dürfen, wie der Mann erst selbstgerecht an die alles in seinem Sinne ordnende „Stimme der Mütterlichkeit“ glaubt, dann fassungslos erlebt, dass Paula sich trotz Kind nicht zu seinen Füßen niederlässt, sondern studiert.

Ähnlich ergeht es einem Kunstprofessor, mit dem Paula nach Scheidung und Wegnahme des Kindes nachher zusammenlebt. Hier ist es die Missachtung, ja Verachtung ihrer Art von Kunst durch den Professor, die sie aus dem Haus treibt, weil sie sich vom eigenen Weg nicht abdrängen lassen will. Die Geschichte wiederholt sich in Variationen - bis Paula schließlich in einer Kate auf dem Land malend, aber vereinsamt ihrem Lebensende entgegen geht.

„Frau Paula Trousseau“ ist die komplexe Geschichte einer doppelten Emanzipation. Ihre Freiheit als Frau und Künstlerin hat die Titelfigur erstritten, der Preis dafür ist allerdings hoch. Christoph Hein urteilt nicht, mit einem steten Strom konzentrierter, genauer Sprache zeichnet er den Weg Paulas, ihre Kämpfe darum, Mutterliebe und Geschlechterliebe mit der Berufung zum Malen in Einklang bringen zu können. Hein macht keinen Hehl aus den Verhärtungen, die seine Figur dabei durchmacht, den Wunden, die sie empfängt und anderen schlägt – weil vor allem die Männer nur das „Entweder/Oder“, nicht aber das konsequente „Sowohl/Als auch“ akzeptieren. Nur eine gut erzählte, bewegende Geschichte von gestern?  Wohl auch ein Beitrag zur Diskussion von heute.                          Andreas Pecht 

Christoph Hein: "Frau Paula Trousseau"; Suhrkamp, 536 S., 22,80 Euro.       

 
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