Kritiken Theater
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2007-06-25 Schauspielkritik:
Zuckmayer gequetscht zwischen krachledernem Brettl-Ensemble und
kunstvoll erspielter Titelrolle
 
"Hauptmann von Köpenick" erste Bewährungsprobe für die neue Leitung
der Mayener Burgfestspiele unter Peter Nüesch - Erstmal glänzt nur der Chef
 
ape. Mayen. Die im Open-air-Falle obligate Wettermeldung vorweg: Für die erste Abendpremiere der Burgfestspiele am zurückliegenden Wochenende haben die derzeit allfälligen Gewitter einen Bogen um Mayen (Eifel) gemacht. Carl Zuckmayers deutsches Märchen „Der Hauptmann von Köpenick“ ging in der zweieinhalbstündigen Inszenierung von Frank Alva Buecheler ungestört und am Ende lebhaft beklatscht über die Hofbühne der Genovevaburg.
 
Die Aufführung war mit  Spannung erwartet worden: Sie würde die erste ernste Bewährungsprobe für die neue Leitung der Festspiele sein. Obendrein würde Intendant Peter Nüesch in der Titelrolle sein Mayener Debüt als Schauspieler abliefern. Und wie ist er, der Neue? Gut ist er, der Mann kann wirklich spielen. Kann mit kleinem ironischem Gestus große Komödie machen, kann einen Charakter zwischen depressivem Zusammenbruch und zornigem Aufbegehren in der Schwebe halten. Derart gibt Nüesch der Figur des Schusters Voigt, was sie vor allem braucht: Trittsicherheit in einem Stück, das von der unaufgelösten Spannung zwischen Lachen, Weinen und Empörung lebt.

Damit steht der Schweizer als Schauspieler für das, was Mayens Oberbürgermeister Günter Laux bei der Begrüßung als Wille zur Fortsetzung einer Tradition des anspruchsvollen Theaters bezeichnet. Ein guter Vorsatz für die Burgfestspiele, die seit zwei Jahrzehnten mit zuletzt rund 30 000 Besuchern je Saison das publikumsstärkste Sommerfestival im nördlichen Rheinland-Pfalz sind.

Ob die Öffnung der unter Jochen Heyse noch unverwechselbar dem Schauspiel hingegeben Festspiele für Musicals durch dessen Nachfolger Pavel Fieber sinnvoll war, darf weiter als strittig gelten. Dennoch setzt auch der neue Intendant Nüesch auf starke Musical-Elemente im Programm: In diesem Sommer bringt er noch „Die Comedian Harmonists“ auf die Bühne (ab 13. Juli), 2008 dann „My Fair Lady“.

Noch einmal: Der Mann kann spielen. Wie er in Zuckmayers Stück zugleich wütend und verzweifelt sein gescheitertes Leben als Anklage gegen selbstherrlich-dumpfbackene Preußen-Bürokratie bilanziert, das ist ein Glanzmoment des Abends. Ähnlich hinreißend die Schlussszene, weil durch Sparsamkeit der Mittel und Reduktion auf den menschlichen Ausdruck fabelhaft verdichtet. Voigt sieht sich erstmals als hochstaplerischen Hauptmann verkleidet im Spiegel: Und langsam, ganz langsam verändert sich sein Gesichtsausdruck von tiefem Ernst zum Staunen; von dort zu einem  Stadium, das lange Weinen wie auch Schmunzeln bedeuten kann. Endlich schüttelt sich der falsche Hauptmann vor Lachen – über die Blödheit und Verblendung einer Gesellschaft, deren „Größe“ sich im Fetisch des äußeren Scheins erschöpft.

Das sind starke Theater-Momente, hängend indes an einem einzigen Schauspieler.  Die Fallhöhe zum übrigen Ensemble und Spiel ist  beträchtlich. Dass es außer Voigt/Nüesch keinen weiteren Charakter auf der Bühne gibt, sondern nur kräftig zu stereotypen Karikaturen aufgebürstete Untertanen- und Schnöseltypen, darf man als Regie-Konzept deuten. Das hätte sogar etwas für sich haben können, wäre  aus den mehr als 60 Rollen für elf Mimen nicht ein gar so bemüht alt-berlinerndes Varieté-Brettl geworden: zu dick, zu krass, zu demonstrativ pittoresk und krachledern. Peter Nüesch steht noch allerhand Arbeit ins Haus – bis der ganze künstlerische Betrieb an sein Niveau herangeführt ist.
                                                                                        Andreas Pecht
 
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