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2007-07-02 Konzertfeature:
Kunstvolle Gesänge aus drei Kulturen

Unterwegs im Klassik-Sommer: RheinVokal brachte hochrangige Ensembles für Alte Musik aus Europa nach Rommersdorf, Boppard und Maria Laach

 
ape. Mittelrhein. Rheinland-Pfalz-Tag, Pur, Start der Mittelrhein Musik Momente, Burggartenfest: Große Ereignisse prägten das Wochenende im nördlichen Landesteil. In deren Schatten gaben bei drei "kleinen" Konzerten des RheinVokal-Festivals leisere Töne vom 11. bis zum 18. Jahrhundert den Takt an. Unterwegs im Klassik-Sommer hieß für unseren Autor diesmal: drei Abende mit historischer Musik aus Italien, Spanien, Deutschland in Rommersdorf, Boppard und Maria Laach.
 
Wer mag, kann die sommerlichen Klassik-Festivals in Rheinland-Pfalz auch als Anlass für eine bauhistorische Bildungsreise nehmen. Ob Moselfestwochen, Mittelrhein Musik Momente oder RheinVokal: Musiziert wird überwiegend in alten Gemäuern, deren geschichtliche und architektonische Substanz per se einen Besuch lohnen.

Am Freitag bespielte RheinVokal die mittelalterliche Klosteranlage Rommersdorf mit Kreuzgang, Gartenanlage und jener Abteikirche, deren direkte, halllose Akustik immer wieder erstaunt. Dahinein zaubert die Gruppe L'Arpeggiata 90 Minuten italienische Lebenslust des 14. bis 17. Jahrhunderts. Handtrommeln, Gitarre und Bass aus dem Barock, dazu Hackbrett und eine doppelhalsige Laute namens Theorbe: altertümliches Instrumentarium, das die Ohren nicht volltönt, sondern mit fein ziseliertem Wohlklang umschmeichelt.

Und doch birst diese Musik von impulsmächtiger Vitalität - voll entfaltet schließlich im saftig artifiziellen Gesang Lucilla Galeazzis, mehr noch im Tanz der Anna Dego. "Tarantella" ist der Abend mit volkstümlichen Weisen, Tänzen und Ritualmusiken betitelt. Tarantella wird getanzt, kraftvoll erstampft, ersprungen, erdreht von einer stolzen, einer trotzigen, einer fordernden, einer über alle Maßen selbstbewusst lockenden Frau. Musik, Lieder, Tänze, die aus der Sehnsucht nach Lebensfreude und dem Erleben von Freude erwachsen.

Tags darauf in Boppard. Flüsternde Klänge schweben durchs dreischiffige Gewölbe der 1236 erbauten Kirche St. Severus. Das Bauwerk ist sehenswert, die Musik der spanischen Capella de Ministres teils ebenso alt, nichts desto weniger hörenswert. Antiquiert wie bei den Kollegen aus Italien auch hier die Instrumente: Flöte, Trommel, Drehleier, Viella, Lyra.

ENTSAGUNG UND SCHWERMUT

Gesänge über Liebe und Tod von Troubadouren des 12. und 13. Jahrhunderts, Kirchenmusik des 14. und 15. Jahrhunderts: Sang in Rommersdorf das italienische Weib von der Lebenslust, so singt in Boppard die zur Heiligen erhobene spanische Frau von Entsagung und Schwermut. Mal entfalten sich über tragendem Bordun pentatonische Endlos-Variationen des engelsgleichen Gesangs der Solistin, vergleichbar den Urformen des Irish Folk. Mal klingen mönchische Litaneien an und übernehmen die Kirchentonarten das Regiment.

Eine fast traurige Melancholie liegt über dem makellosen Konzert der Spanier, das sich streng an die mittelalterliche Aufführungspraxis hält. Wären da nicht immer wieder überraschende Momente des Ausbruchs in tänzerische Dynamik, man möchte den Kopf senken und die Finsternis der Reconquista beklagen.

Lebenslust aus dem alten Italien, Melancholie aus Spanien - was bleibt da für Deutschland bei einem Konzert, das vornehmlich den großen Motetten von Johann Sebastian Bach gewidmet ist? Religiöse Inbrunst, könnte man sagen. Ein Urteil, das vom Niederländischen Kammerchor am Sonntag in der Abteikirche Maria Laach allerdings gehörig relativiert wird.

So leicht, so luftig, so anmutig hat man "Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" kaum je gehört. Selten auch wird die bildstarke, textinterpretatorische Kompositionsweise Bachs in "Jesu, meine Freude" in solch filigraner, dezenter Pointiertheit erkennbar, erlebbar gemacht. "Singet dem Herrn ein neues Lied" - bei den Niederländern ist das nicht Forderung an der Gemeinde Gehorsam gegenüber Gott. Vielmehr künden sie in der sechstürmigen Basilika vom Glück, das den Gläubigen das Lob des Herrn bereitet.

FÜR DIE KIRCHE GEMACHT

Sicher, die akustischen Verhältnisse sind in diesem prächtigen romanischen Kirchenraum nicht einfach. Starker Nachhall lässt die verwickelten Partien in der Bachschen Stimmführung etwas verschwimmen. Aber: Diese Musik ward für die Kirche, nicht den Konzertsaal gemacht. Insofern kann als quasi authentisch gelten, was der Niederländische Kammerchor hier aufführt. Wesentlicher Unterschied zur Bach-Zeit: Ein vergleichbar perfektes Singe-Ensemble dürfte dem Thomaskantor kaum zur Verfügung gestanden haben.

Drei kleine Konzerte im Schatten der großen Wochenend-Events. Wobei klein relativ ist, denn gut besucht sind sie allesamt. Beim Umhören und beim aufmerksamen Gang über die Parkplätze fällt auf: Das Publikum besteht nur zum Teil aus Ortsansässigen; Spezialinteressen und spezielle Neugierde haben Zuhörer auch aus sehr weiter Umgebung anreisen lassen. Ein gutes Zeichen für das junge RheinVokal-Festival.                                   Andreas Pecht

Weitere Infos: www.rheinvokal.de
 
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