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2007-08-17 Archäologie:
Angkor - die größte Stadt
des Mittelalters


Forscher entdecken im Dschungel von Kambodscha eine historische Megacity
 
ape. Ein archäologischer Forschungsbericht elektrisiert dieser Tage nicht nur die Fachwelt. Danach wurden jüngst im kambodschanischen  Dschungel  die Überreste der „größten vorindustriellen Siedlung der Welt“ entdeckt.  Rund um die berühmte Tempelanlage Angkor Wat  soll sich vor 900 Jahren eine urbane Metropole von der Größenordnung des heutigen New York  ausgebreitet haben.
 
Dass Angkor Wat der Gigant unter den historischen Sakralbauten auf unserer Erde ist, weiß man. Seit mehr als 100 Jahren befasst sich die Wissenschaft mit der gewaltigen Tempelanlage aus Sandstein. 240 Kilometer nordwestlich der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Phen gelegen, zeugt sie von der Größe der Khmer-Hochkultur zwischen dem 9. und dem 15. Jahrhundert. 1992 erklärte die Unesco den Komplex zum Weltkulturerbe.

Dass der Tempelbezirk ausgedehnter ist als der freigelegte und alljährlich von tausenden Touristen besuchte Teil von Angkor Wat, wusste man ebenfalls. Was der wuchernde Dschungel aber tatsächlich alles verbirgt, entzog sich bis jetzt selbst den kühnsten Vorstellungen der Wissenschaftler. Kombinierte Vermessungen via Flugzeug und Radarsatellit sowie per Felderhebung zu Wasser und zu Land förderten nun zutage: Der bekannte Tempelbezirk ist bloß der Mittelpunkt einer bisher unbekannten urbanen Großsiedlung über eine Fläche von mehr als 1000 Quadratkilometern.

Allein die schiere Größe dieser Metropole des Khmer-Reiches ist eine Sensation. Zum Vergleich: Das heutige Groß-Berlin erstreckt sich über 900, New York City über 1200 Quadratkilometer. Bis zu einer Million Menschen könnten in der Dschungelstadt gelebt haben, die von der internationalen Forschergruppe des Greater Angkor Projects als „die bislang größte vorindustrielle Siedlung der Welt“ bezeichnet wird.

Atemberaubend sind auch die ersten Erkenntnisse über die Infrastruktur der Großstadt: Es gab dort mehr als 1000 künstlich angelegte Seen, ein weit verzweigtes Kanalsystem und mindestens 74 weitere Tempel. Der australische Forschungsleiter Damain Evans spricht von einem „durchgehenden, verflochtenen städtischen Netzwerk, das etwa zehnmal so groß ist wie alles, was bisher aus der antiken Welt gefunden wurde.“

Warum hat man die Großstadt im Dschungel – die sämtliche europäischen Städte des Mittelalters zu Dörfern degradiert –  jetzt erst entdeckt? Immerhin hatte schon in den 1950ern der Franzose Bernard-Philippe Groslier die Hypothese von einer im Dschungel Kambodschas versteckten, riesigen „hydraulischen Stadt“ aufgestellt.

Drei Gründe nennt Evans. Erstens: Es wurde einfach nicht richtig hingeschaut, weil sich das Primärinteresse der Archäologen ein Jahrhundert lang auf den Großtempel und seine Inschriften richtete. Zweitens: Wo und wie die Menschen dort lebten, interessierte nicht wirklich. Drittens: Die beiden Indochina-Kriege und die Herrschaft der Roten Khmer machten über große Zeiträume Flächenforschung fast unmöglich.

Die Khmer-Erbauer nannten ihr Werk selbstwusst einfach Angkor, Stadt. Deren Lebensbasis war das raffinierte Bewässerungssystem.   Seen und Kanäle bändigten und speicherten Monsunfluten wie örtliche Quellen, garantierten ganzjährig eine optimale Wasserversorgung. Wichtigstes Ergebnis: Die Bevölkerung konnte auf den Feldflächen innerhalb der Stadt und in deren Umland jedes Jahr mehrere Reisernten einbringen. So wuchs und wuchs dank vermeintlich unerschöpflicher Ressourcen die Siedlung zur mächtigen Hauptstadt eines expandierenden Khmer-Reiches.

Gegründet im Jahre 802, verschwand die damals größte Stadt auf Erden mitsamt Reich nach 1431 sehr schnell fast spurlos von der Bildfläche. Äußerer Anlass war der erfolgreiche Ansturm der benachbarten Siamesen gegen den Khmer-Staat. Die jüngsten Entdeckungen im Dschungel von Kambodscha legen allerdings die Vermutung nahe:  Der Angriff versetzte bloß einem schon länger schwächelnden Gemeinwesen den Todesstoß.

Forschungsleiter Evans geht davon aus, dass raubbaumäßige Waldrodungen und Intensivlandwirtschaft zu massiver Bodenerosion und Auslaugung der Felder geführt haben. Hinzu kam wohl eine fortschreitende Überbevölkerung, die diese Probleme noch verschärfte. Das sich immer weiter ausdifferenzierende System der Bewässerung und Bewirtschaftung wurde  zusehends störanfälliger – bis es ein schließlich nicht mehr beherrschbarer Moloch war.  Ein Phänomen, das auch die modernen Megcitys plagt.

Angkor scheiterte am eigenen Erfolg. So die aktuelle These. Ob sie zutrifft, das bleibt eine der zahllosen Fragen, deren Beantwortung vom Gang der Forschungen in den kommenden Jahren abhängt. Über den Tempel Angkor  Wat wissen wir schon eine  Menge. Mit der Entdeckung der Großstadt Angkor aber haben wir erstmal  nur einen weißen Fleck auf die Weltkarte gemalt.  Andreas Pecht

 
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