Kritiken Theater
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2007-08-29 Kulturfeature/Theaterkritik
Frankfurt will mehr vom Glanze
Goethes profitieren

Über die neue Festwoche "Goethe ffm" und einen gescheiterten Versuch,
den Roman „Die Wahlverwandtschaften“ bühnentauglich zu machen

 
ape. Frankfurt.  Was für ein Tag, dieser 28. August 2007 in Frankfurt! Als wolle die Stadt einen verlorenen Sohn heimholen, feiert sie die Geburt von Johann Wolfgang Goethe vor 258 Jahren in ihren Mauern. „Frankfurt ist Goethe-Stadt“ ruft die Oberbürgermeisterin jenen zu, die sich am Mittag zur Neueinweihung des restaurierten „ältesten Goethe-Denkmals“ (1844) auf dem neu gestalteten Goethe-Platz eingefunden haben.

Es folgen über den Tag: Goethe-Straßenspektakel, Eröffnung einer Goethe-Ausstellung im renovierten Goethe-Museum, ein Symposium über Goethes „Wahlverwandtschaften“. Am Abend dann im Schauspielhaus die Premiere eines Versuches, den berühmten Roman in Theater zu verwandeln. Es werden über die Woche folgen: die „Leiden des jungen Werther“, „Iphigenie auf Tauris“, als Einmal-Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin beide „Faust“-Teile; dann noch ein westöstlicher Goethe-Spaziergang durch Frankfurts Grüngürtel. All das hebt zugleich eine „Goethe ffm“ genannte neue Festwoche aus der Taufe, die von 2008 an jedes zweite Jahr weithin Aufmerksamkeit erregen soll.

Ach, Frankfurt, so viel Goethe hattest du lange nicht. Warum auch den Bedeutendsten, den die Mainmetropole je hervorgebracht, dem kleinen Weimar überlassen? Ein bisschen mehr vom Glanze des „Dichterfürsten“ täte  dem Image seiner Vaterstadt  gut. Weshalb die Initiatoren von Kulturamt, Freiem Deutschen Hochstift und Schauspiel fortan „unseren berühmtesten Sohn mehr in den Mittelpunkt des Stadtgeschehens“ stellen wollen. Auf dass Frankfurt seinem  Ruf als profanes „Bankfurt“ entrinne.

Zum Ausklang des denkwürdigen Tages ins Theater, zu Regisseur Martin Nimz'  Bemühen, „Die Wahlverwandtschaften“ bühnentauglich herzurichten. Denn das wäre ein passender Coup, gelänge es Frankfurt, diesem Schwergewicht des klassischen Romankanons eine  gewichtige Theatersicht auf den Stoff zur Seite zu stellen. Ist es gelungen? Mitnichten. Der Betrachter neigt, trotz freundlichen Premierenbeifalls für Darsteller und Regieteam, eher dazu, von völligem Scheitern zu sprechen.

Es bleibt die ewig gleiche Frage an Dramatisierungen von Romanen: Kann die Bühnenkunst dem Stoff Blickwinkel, Deutungen, Erkenntnisse hinzufügen oder abringen, die von der Romanform nicht abgedeckt werden? Das nämlich wäre die Forderung ans Theater. Andernfalls erreicht es doch bloß szenische Illustrationen des Druckwerkes.  Und eben darin erschöpft sich weitenteils die jetzige Frankfurter Bühnenadaption von Goethes Roman über die Spannung zwischen „leidenschaftlicher Notwendigkeit“ und „heiterer Vernunftfreiheit“ in einer Gruppe aus zwei Frauen und zwei Männern.

Eduard ist mit Charlotte verheiratet. Sie nehmen Freund Otto und Nichte Ottilie in ihr Haus auf. Bald geht dort die Liebe ihre seltsamen Wege – eheschädlich überkreuz. Die fernere Handlung über eine in Anstandsnormen gezwängte Lebensweise wider die Kräfte der Leibes- und Herzenslust ist schulbekannt.  Dabei bleibt in Frankfurt auch das Theater, mit durchaus schön und intensiv erspielten Szenen, zu Anfang. Die fußen auf Dialogteilen des Romans, und verbildlichen den aus dem Off oder von der Bühne rezitierten Erzähltext.

Matthias Redlhammer, Sabine Waibel, Christian Kuchenbuch und Sandra Bayrhammer mimen ein Liebesquartett aus Leuten von heute. Daraus ergibt sich die  einzige tief  zwischen die Goetheschen Zeilen eindringende Szene: Vom Besuch des freigeistigen Grafenpaares enthemmt, spielt die Gesellschaft mit Möglichkeiten lustvoller Lockung – und landet Goethes Personal, wie so manche Beziehung bis in unsere Tage auch, in argen Verwirrungen zwischen Begehren und Eifersucht, Naturgefühl und Sittenpflicht.

Danach fällt das Theater bald in schiere Agonie. Auf Olaf Altmanns spröder Bühne aus zwei beweglichen Laufstegen geschieht fast nichts mehr. Einige schweigsame, symbolschwere Auf- und Abgänge noch, dazu in endlosem Strom aus dem Off Lesung des Romantextes. Das Druckwerk obsiegt, die Bühnekunst muss in diesem Fall für diesmal ihre Nichtzuständigkeit einräumen.                                                                                                    Andreas Pecht


Karteninfo: 069/134 04 00

 
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