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2007-09-10 Konzertkritik:

Stille kann ein Klangerlebnis sein


Zweites Konzert der Koblenzer Mendelssohn-Tage 2007 öffnete interessante Hör-Horizonte
 
ape. Koblenz. Vor einer Woche mit Kammermusik gestartet, wechselten die 13. Koblenzer Mendelssohn-Tage jetzt  bei ihrem zweiten Konzert mit der Rheinischen Philharmonie zum großen Orchesterformat. Fünf Kompositionen standen im Görreshaus auf dem Programm: Zwei vertraute Klassiker und drei wenig bekannte Werke. Allesamt hatten sie irgendwie mit Stille zu tun.
 
Das Motto im Programmheft ist klug formuliert: „Aus der Stille . . .“ und nicht etwa „Stille“. Schließlich überschreibt es ein Konzert. Und Konzerte bestehen eben überwiegend nicht aus Stille, sondern aus Musik. Gleichwohl ist Stille die Voraussetzung für selbige, wie auch ein Gemälde die weiße Leinwand  voraussetzt.

Hätte im Görreshaus beim zweiten Konzert der Mendelssohn-Tage das Publikum lärmendes Pallaver veranstaltet, die Anfänge von Felix Mendelssohn Bartholdys „Meeresstille und glückliche Fahrt“, von Franz Schuberts „unvollendeter“ 7. Sinfonie und Charles Ives Stück „The unanswered Question“ wären unhörbar geblieben.  Die den Saal leider nicht ganz füllende Zuhörerschaft folgt jedoch dem Konzentrationssignal von Gastdirigent Golo Berg ebenso willig wie das Orchester. Weshalb sich das leise, zarte, geheimnisvolle Raunen, Wispern, Schweben der drei Werke schön „aus der Stille“ heraus entfalten kann.

Überhaupt gebührt diesmal dem Publikum ein Kompliment. Und zwar für die Ernsthaftigkeit, mit dem es sich  auf ein Experiment des 1992 verstorbenen Avantgardekomponisten John Cage  einlässt. Sein Werk trägt den Titel 4'33''; die Noten auf den Pulten des Orchesters bestehen aus lauter leeren Blättern; im Konzertsaal erklingt viereinhalb Minuten – gar nichts.

Falsch ausgedrückt. Es muss heißen: Es klingt die Stille des Raumes. Ein Räuspern hier, ein Flüstern, ein Magenknurren, dort atmet einer schwer, raschelt Stoff, knarzt ein Stuhl. Zu den Saalgeräuschen gesellen sich bei jedem Probanten die eigenen „inneren Stimmen“: Es zirpt der Tinitus, das Herz bubbert, das Blut rauscht und im Hirn fiepsen die Synapsen. Viereinhalb Minuten, in denen  Stille doch zum tatsächlichen Klangerlebnis wird. 4'33'' war von Cage nicht als Provokation, sondern als spannendes Klangexperiment gedacht. Das Koblenzer Publikum hat es so verstanden und interessiert geschwiegen.

Dann wieder Musik, das dritte Klavierkonzert von Mendelssohn Bartholdy – allerdings hat der bekanntlich nur zwei geschrieben. Vom dritten gibt es bloß ein paar Skizzen, die der italienische Komponist Marcello Bufalini unlängst auskomponierte. Die Uraufführung mit dem Pianisten Roberto Prosseda war in diesem Frühjahr, er bestritt auch in Koblenz den Solopart.
Es ist ein hübsches Werk. Kontrastreich, farbig, mit einem rührenden Andante in der Art eines volkstümlich zarten Schmiegetanzes im Dreiertakt. Trotz deutlicher Mendelssohn-Anklänge dürfte das Werk indes kaum ein Hit im Repertoire werden, dafür ist es zu gefällig geraten.

Gefällig, der Befund lässt sich mehrfach auch auf die Leistung der Akteure anwenden. Es wird sehr ordentlich und routiniert musiziert. Aber die beseelte artifizielle Klasse, die unlängst bei Beethovens Klavierkonzerten in Vallendar erreicht wurde, spielte dann doch in einer ganz anderen Liga.
                                                                                        Andreas Pecht
 
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