Thema Wissenschaft / Bildung
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2007-09-29 Analyse:
Rheinland-pfälzische Reform der Lehrerausbildung geht in die Praxis

Universitäten Koblenz/Landau und Kaiserlautern machen ab diesem Wintersemester den Vorreiter  -  Engere Verzahnung von Theorie und Schule
 
ape. Rheinland-Pfalz. Acht Jahre ist es her, dass die europäischen Bildungsminister mit ihrem Bologna-Beschluss den wohl wichtigsten internationalen Reformprozess der Neuzeit in der universitären Bildung auf den Weg brachten. Mit dem jetzigen Wintersemester schickt  Rheinland-Pfalz seine Lesart der Bologna-Reform für den Bereich der Lehrerausbildung in die Praxis. Die Unis Koblenz/Landau und Kaiserslautern machen den Vorreiter, Mainz und Trier folgen binnen zweier Semester.
 
Neue Lehrer braucht das Land. Und die soll es nach dem Willen der rheinland-pfälzischen Bildungspolitiker auch bekommen. Nicht, dass die alten schlecht wären. Aber der ärgste Feind des Guten sei bekanntlich das Bessere, und man wolle den  wachsenden und sich verändernden Anforderungen an Schule mit „noch“ besser qualifizierten Lehrern gerecht werden. So der Sprachgebrauch bei Vertretern des Mainzer Bildungsministeriums.

Dort heißt es weiter: Die jetzt in Kraft tretende Reform der Lehrerausbildung sei nicht Ergebnis knechtischer Ergebenheit gegenüber dem Bologna-Prozess. Vielmehr habe man die multinationalen Bemühungen zur besseren internationalen Vergleichbarkeit des Hochschulwesens zum Anlass genommen, „über Dinge in der Lehramtsausbildung nachzudenken, über die wir auch ohne Bologna längst hätten nachdenken müssen“. Derart beschreibt Peter Ullrich, Leiter des neuen „Zentrums für Lehrerbildung“ an der Uni Koblenz, das Selbstverständnis hinter den rheinland-pfälzischen Reformanstrengungen. Bei denen was herausgekommen ist?

Sagt der Professor zu Lehramtsstudenten: „Alle praktischen Dinge lernt ihr im Referendariat.“ Begrüßt der Referandarsbetreuer angehende Junglehrer: „Vergesst erstmal alles, was ihr an der Uni gelernt habt.“ Mit diesem überspitzten Bonmot kennzeichnete Franz-Josef Heinrich vom Bildungsministerium eben bei einer Veranstaltung in Koblenz vor Studierenden, Professoren und Schullehrern einen Schwachpunkt der bisherigen Lehrerausbildung: Die weitgehende Trennung von Theorie und Praxis. Hier das theorielastige Universitätsstudium der ersten Ausbildungsphase; dort die schulpraktische zweite Phase, an deren Anfang für viele Referendare der Praxisschock steht, für manche die zu späte Erkenntnis, dass der Lehrerberuf vielleicht doch nicht das Rechte ist.

Diese Trennung will die Reform beenden. Vor allem durch Intensivierung der das Studium begleitenden Schulpraktika. Künftig werden Lehrerstudenten bereits vom ersten Semester an Schulen besuchen, im Verlauf des Studiums fast dreimal mehr Stunden Lehrer-Praxis beobachten und selbst erproben als ihre Vorgänger. Die Stärkung der Praxis-Komponente spiegelt sich bei der Neuordnung des Lehrerstudiums auch inhaltlich wider. Mit so genannten „Curricularen Standards“ ist festgelegt, was ein Lehrer können muss – als Fachlehrer wie als Pädagoge.

Den Methoden der Stoffvermittlung im Klassenzimmer, ebenso wie den allgemeinen Anforderungen im Umgang mit Schülern wird künftig im Lehrerstudium mehr Gewicht beigemessen: Durch massive Aufwertung der Fachdidaktiken sowie die Einführung des Faches „Bildungswissenschaften“. In letzterem sind Aspekte allgemeiner Didaktik und Pädagogik nebst der Psychologie, Soziologie und Philosophie zusammengefasst, mit denen jeder Lehrer sich auskennen muss, unabhängig von seinem Unterrichtsfach.

Diese Reform erfindet das Rad nicht neu. Gerade ältere Lehrer etwa von Grund-, Haupt- und Sonderförderschulen werden vieles von dem wiedererkennen, was einst bei ihrem Studium an den vor Jahren in Rheinland-Pfalz abgeschafften Pädagogischen Hochschulen Standard war. Die meisten Veränderungen bringt die Reform für angehende Gymnasiallehrer. Die Zeiten, da sie sich mehr als Fachwissenschaftler denn als Lehrer verstehen durften oder mussten, sind vorbei.

Die Reform sieht vor, dass von nun an alle Lehrerstudenten, egal in welche Schulart sie anstreben, ein gemeinsames sechssemestriges Bachelor-Studium absolvieren. Nach dem vierten Semester scheren die künftigen Grund- und Förderschullehrer aus, um auf die spezifischen Anforderungen ihrer Schultypen vorbereitet zu werden. Die übrigen Lehramtsstudenten setzen in den letzten beiden Bachelor-Semestern erste Schulart-Schwerpunkte.

Am Ende des Bachelor-Studiums sollte im Sinne des Bologna-Prozesses eigentlich ein  Abschluss stehen, der zum Einstieg in einen Beruf befähigt. Entsprechende Berufsbilder existieren jedoch (noch?) nicht. Das Land Rheinland-Pfalz würde Absolventen eines Lehramts-Bachelors nicht in den schulischen Referendarsdienst aufnehmen. Dazu bedarf es eines Masterstudiums, das schulartspezifisch ist, zwei bis vier Semester dauert und sich an den Bachelor anschließt.

Neue Lehrer kriegt das Land. Und wenn alles klappt wie gedacht, bringen die künftigen Gymnasiallehrer „noch“ mehr pädagogische Kompetenz mit, sind die anderen Lehrer fachwissenschaftlich „noch“ besser. Die didaktischen Fertigkeiten aller sollten dann soweit optimiert sein, dass Unterricht „noch“ spannender wird. Obendrein sollte in vier bis fünf Jahren jeder Junglehrer mit der Gewissheit vor die Schüler treten, dass er die Wahl-Möglichkeiten der neuen Lehrerausbildung genutzt hat, und sich im richtigen Beruf und am  passenden Schultyp befindet.

Beim ersten Praxisdurchlauf dürfte es noch einige Stolperer geben. Als größter Stolperstein könnte sich erweisen, dass die Reform in Rheinland-Pfalz noch ganz auf das jetzige dreigliedrige Schulsystem zugeschnitten ist. Mag sein, Bildungsministerin Doris Ahnen verkündet schon in den nächsten Tagen dessen Ende oder den Anfang eines Übergangsstadiums hin zu dessen Ende. Dann müssten die Reformer noch mal Hand anlegen. Zwei Jahre immerhin hätten sie Zeit - dann erst müssen die zum jetzigen Wintersemester beginnenden Lehramtsstudenten entscheiden, ob es noch Sinn macht, etwa einen Studienschwerpunkt Hauptschule zu wählen.                                                                       Andreas Pecht

(Erstabdruck am 02.10.2007)
 
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